Nachdem das SPD-Mitgliederbegehren gegen schärfere Sanktionen beim Bürgergeld die nächste Hürde genommen hat, planen die Initiatoren einen bundesweiten Aktionstag, um auch die Öffentlichkeit zu mobilisieren. »Wir werden zu Veranstaltungen, Kundgebungen und auch Demonstrationen an mehreren Orten aufrufen«, sagte Mitinitiatorin Franziska Drohsel dem SPIEGEL.
Dazu wolle man unter anderem auf Gewerkschaften und Sozialverbände zugehen, so die ehemalige Juso-Chefin. »Wir wollen zeigen, dass der Widerstand gegen Verschärfungen beim Bürgergeld groß ist und dass er weit über den linken SPD-Flügel hinausgeht.«
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Drohsel führt zusammen mit der bayerischen SPD-Vizechefin Eva-Maria Weimann und der Thüringer Landesvorständin Melissa Butt den SPD-internen Widerstand gegen die von der Bundesregierung beschlossene Bürgergeldreform an. Sie fürchtet, dass die im Gesetzentwurf von Sozialministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas vorgesehenen schärferen Sanktionen gegen Leistungsempfänger eine Armutsspirale zur Folge haben könnten. »Dies ist eine Reform gegen Menschen, die eh schon mit zahlreichen Widrigkeiten kämpfen müssen. Anstatt den Druck auf sie zu erhöhen, sollten sie Solidarität und Unterstützung erfahren«, sagte Drohsel dem SPIEGEL.
»In der SPD gibt es großen Widerstand gegen eine Politik, die Armut verschärft statt Perspektiven zu schaffen», sagte Co-Initiatorin Weimann. Die Unterschriften Tausender Mitglieder seien dafür ein Beleg. Auch Juso-Chef Philipp Türmer, Europaparlamentarierin Maria Noichl sowie der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration, Aziz Bozkurt, gehören zu den Unterstützern.
Jedes fünfte SPD-Mitglied muss zustimmen
Vergangenen Freitag hatten die Bürgergeld-Rebellen das notwendige Quorum von einem Prozent der Parteimitglieder erreicht, 3495 Unterschriften lagen vor. Der Parteivorstand hat bestätigt, dass damit die nächste Phase beginnt: das eigentliche Mitgliederbegehren. Drei Monate haben die Initiatoren jetzt Zeit, um jedes fünfte SPD-Mitglied zur Unterschrift zu bewegen. Kommen die rund 70.000 Stimmen für ein erfolgreiches Mitgliederbegehren zusammen, wäre der Parteivorstand am Zug. Er könnte dem Begehren der Basis stattgeben oder es ablehnen. Bei einer Ablehnung wäre ein Mitgliederentscheid die Folge.
SPD-Mitglieder können eine Unterstützung des Begehrens nur digital über das Parteiportal https://meine.spd.de erklären. Die Abstimmung dort ist bis zum 23. März freigeschaltet. Die bei der ersten Stufe abgegebenen Stimmen zählen für die zweite Phase nicht; sie müssen ein weiteres Mal abgegeben werden.
Weil die Initiatorinnen des Mitgliederbegehrens die Unterstützer zunächst auf ein eigenes Portal geleitet hatten, mussten sie die erste Phase der Sammlung wiederholen. Zwischenzeitlich hatten sie über technische Probleme auf dem Parteiportal geklagt, was aus dem Willy-Brandt-Haus zurückgewiesen worden war. Drohsel sagt dazu nun: »Wir als Initiatorinnen des Mitgliederbegehrens hoffen, dass die Plattform jetzt fehlerfrei funktioniert.«
Die Parteispitze ist genervt
Führende Vertreter der Partei haben die Bürgergeldreform wiederholt verteidigt und sich kritisch über das Mitgliederbegehren geäußert. Parteichef Lars Klingbeil sprach bei einer Diskussionsveranstaltung von einem »genau falschen Signal«.
Die Hürde für einen Erfolg des Mitgliederbegehrens ist mit 70.000 Unterschriften vergleichsweise hoch. Am Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag im Frühjahr hatten sich rund 200.000 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beteiligt, von denen etwa 30.000 gegen das Bündnis mit der Union gestimmt hatten.
Auch der Zeitplan stellt die Gegner vor eine Herausforderung. Das Kabinett hat die Bürgergeldreform bereits abgenickt, der Bundestag soll nach den Plänen der Koalition im Frühjahr entscheiden. Womöglich steht die neue Grundsicherung bereits im Gesetzblatt, während das Mitgliederbegehren noch läuft.
Davon aber wollen sich die Organisatorinnen nicht entmutigen lassen, sondern den Druck hochhalten. »Vielleicht fassen sich ja einige unserer Abgeordneten in den parlamentarischen Beratungen ein Herz, wenn sie die Rufe der Basis hören«, hatte Drohsel kürzlich dem SPIEGEL gesagt.

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