Erneuerung hat Parteichef Lars Klingbeil versprochen, und Erneuerung hat er geliefert. Nur ein einziger SPD-Ressortchef bleibt dem Kabinett erhalten, nämlich Verteidigungsminister Boris Pistorius. An ihm hätte nun wirklich unter keinen Umständen ein Weg vorbeigeführt.
Die anderen Ministerinnen und Minister hingegen, die die SPD-Spitze am Montag verkündete, sind in diesem Range neu: Lars Klingbeil, Bärbel Bas, Verena Hubertz, Stefanie Hubig, Reem Alabali-Radovan sowie Carsten Schneider.
Vier Ministerinnen und drei Minister stellt die SPD also. Das Angebot macht glaubhaft, dass man neue Perspektiven in die Regierung bringen will. Nun gilt in guter demokratischer Tradition: Jeder und jedem seine und ihre faire Chance.
© dpa/Moritz Frankenberg
Fast noch vielsagender als die Liste der Nominierten ist aber, wen Klingbeil nicht mitgenommen hat auf schwarz-rote Mission, zuvörderst: wie er den bisherigen Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil ausgebootet hat, der als Fraktionschef bereitgestünden hätte.
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Heil ist Vollprofi und ausgebuffter Verhandler, dabei aber menschlich geblieben. Einer mit Anstand, einer mit Humor, das sagen sie über Parteigrenzen hinweg. Dazu bestens vernetzt und mit viel Erfahrung.
Eigentlich genau das Stellenprofil für den künftigen Fraktionschef, der es auf Unionsseite mit Jens Spahn aufzunehmen hat. Der nämlich ist nicht weniger ausgebufft und genauso gut vernetzt.
Dazu kommt, dass in den kommenden Jahren über das Themenfeld Arbeit und Soziales voraussichtlich mit am härtesten gestritten werden wird. Da wäre Heils unbestrittene Fachkenntnis in der Fraktionsführung sehr wertvoll gewesen.
Klingbeil aber hat Heils Karriere vorerst abrupt beendet und stattdessen lieber den ihm getreuen bisherigen Generalsekretär Matthias Miersch zum Fraktionsvorsitzenden auserkoren. Souverän ist das nicht, und ein Schaden für die Schlagkraft der SPD obendrein.
© dpa/Kay Nietfeld
Unsouverän ist auch Klingbeils Umgang mit der immer wilderen Debatte um Saskia Esken. Deren unglückliche Momente als Vorsitzende sind hinreichend beschrieben. Auf sie wird aber auch mit einer Verve verbal eingedroschen, der sich dann doch besonders oft Frauen ausgesetzt sehen. Und was bei ihr als verquast und störrisch gilt, würde vielleicht umgekehrt bei einem Mann als Kernigkeit gelobt.
„Beschämend“
So nannte Lars Klingbeil in der „Bild“-Zeitung die Debatte um Saskia Esken.
Der „Bild“-Zeitung sagte Klingbeil nun, er finde die Diskussionen der vergangenen Wochen „beschämend“. Mit dieser Solidaritätsadresse kommt er reichlich spät ums Eck, und dass er Saskia Esken kurz darauf final abserviert und bei der Vergabe der Kabinettsposten nicht berücksichtigt, macht sein Bedauern nicht glaubwürdiger.
Das soll nicht heißen, dass er Esken ins Kabinett hätte befördern sollen. Es ist schon richtig, dass das wie Versorgungsmentalität der ganz schlechten Sorte ausgesehen hätte. Aber es ist eben auch eine Art der Führungsschwäche, keinen besseren Ausweg aus einer solchen Sackgasse zu finden. Womöglich wurde diese Art von Führungsschwäche der SPD auch zum Verhängnis, als sie es nicht schaffte, Olaf Scholz von einer erkennbar aussichtslosen erneuten Kanzlerkandidatur abzuhalten.
Lang ist’s her, nun bleibt nur die Flucht nach vorn. Vier Jahre hat Klingbeil, um sich als natürlicher Kanzlerkandidat der SPD für 2029 ins rechte Licht zu rücken.
Er will als Finanzminister auf Augenhöhe mit Friedrich Merz agieren und besetzt das Ressort, dessen Kompetenzen denen des Kanzleramts noch am nächsten kommen: Wer übers Geld entscheidet, redet überall mit.
Doch Klingbeil ist kein Finanzpolitiker, fachlich ist ihm sein neues Ressort fremd. Und das bei einem Ministerium, das eine hochkomplexe Materie zu bearbeiten hat. Hier braucht es eigentlich besonders viel Fachwissen. Ein Regierungsnovize ist Klingbeil obendrein.
Und so ist der SPD-Vorsitzende nicht nur der unangefochten starke Mann in seiner Partei, sondern auch ein Risiko im Kabinett.