Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, eine neue Sozialleistung für pflegende Angehörige einzuführen. Ein Familienpflegegeld soll als Lohnersatz für Menschen dienen, die ihre Erwerbstätigkeit pausieren, um Angehörige zu pflegen. Deutschland habe ein »riesengroßes Interesse« daran, dass eine solche Leistung komme, sagte Prien den Zeitungen der Funke Mediengruppe .
Es werde wegen der zunehmenden Alterung der Gesellschaft nicht möglich sein, dass alle Bedürftigen allein von Fachkräften gepflegt würden, sagte Prien, »deshalb müssen wir einen Einstieg in ein Pflegegeld als Lohnersatz für pflegende Angehörige schaffen«. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD diese Idee bereits verankert – allerdings mit einer recht vagen Formulierung: Man wolle »prüfen, wie perspektivisch ein Familienpflegegeld eingeführt werden kann«. Prien stellte die mögliche neue Sozialleistung nun unter den Vorbehalt, dass sich dafür die wirtschaftliche Lage verbessern müsse – also die Einnahmen des Staates. Selbst dann, sagte Prien, müsse man Schwerpunkte setzen, und Priorität hätten die Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche. Also nicht die Situation pflegender Angehöriger.
Die Ministerin ließ überdies offen, wie ein Familienpflegegeld im Detail aussehen solle: »Da sind viele Varianten denkbar. Man kann über die Bezugsdauer reden, über die Höhe, über eine soziale Staffelung.« Wie aber ein Familienpflegegeld grundsätzlich funktionieren soll, scheint klar: Analog zum Elterngeld sollen pflegende Angehörige einen Teil des entgangenen Einkommens vom Staat ersetzt bekommen, wenn sie ihre Erwerbsarbeit für die Pflege vorübergehend einschränken.
Bereits 2023 hatte der unabhängige Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ein konkretes Modell vorgelegt, das sich am Elterngeld orientiert. Es sieht eine Bezugsdauer von bis zu drei Jahren vor. Das Familienpflegegeld solle dann wie beim Elterngeld 65 Prozent ihres persönlichen Netto-Verdienstausfalls ausgleichen, die Obergrenze solle der des Elterngelds entsprechen, derzeit sind das 1800 Euro im Monat. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat berechnet, dass eine solche Leistung netto etwa fünf Milliarden Euro im Jahr kosten würde. Zudem würde sie das Armutsrisiko von pflegenden Angehörigen, das derzeit deutlich höher ist als das der Gesamtbevölkerung, unter den Durchschnitt senken.
Es gibt zwar bereits ein Pflegegeld, das von der Pflegeversicherung ausbezahlt wird. Bislang wird die private Pflege zu Hause in Deutschland aber deutlich schlechter vergütet als die professionelle. So zahlen die Pflegekassen bei einem Pflegegrad 2 pro Monat etwa 796 Euro für ambulante Pflegedienste und 805 Euro für die Pflege in einem Heim. Werden Bedürftige jedoch von Privatpersonen zu Hause versorgt, bekommen sie lediglich ein Pflegegeld von 347 Euro, das sie an pflegende Angehörige weiterreichen können. Abhängig vom Pflegegrad erhöht sich dieses Pflegegeld auf maximal 990 Euro – im Falle schwerster Beeinträchtigungen wie etwa einer vollständigen Querschnittslähmung, bei der weder Beine noch Arme bewegt werden können (Pflegegrad 5). Die Pflege durch einen ambulanten Dienst kostet die Kassen hingegen 2299 Euro. Sie sparen also, wenn Angehörige sich aufopfern.
Zudem gibt es bislang nur einen eingeschränkten Anspruch darauf, die Erwerbsarbeit wegen der Pflege von Angehörigen herunterzufahren. Zwar gibt es die sogenannte Pflegezeit sowie die Familienpflegezeit. Wer sie kombiniert, kann beispielsweise ein halbes Jahr ganz zu Hause bleiben und für weitere eineinhalb Jahre die Arbeitszeit bis auf eine Untergrenze von 15 Wochenstunden senken. Das gilt jedoch nicht für alle: Beschäftigte in kleinen Betrieben bis zu 15 beziehungsweise 25 Mitarbeitern sind ausgenommen. Sie müssen darauf hoffen, dass ihr Arbeitgeber freiwillig dazu bereit ist.
Zum Ausgleich für das gesunkene Einkommen gibt es jedoch keinen echten Lohnersatz – sondern lediglich einen Anspruch auf einen zinslosen staatlichen Kredit vor. Allerdings nur für die Hälfte des Verdienstausfalls und mit der Verpflichtung, die Schulden im Anschluss innerhalb weniger Jahre zurückzuzahlen. Nur ein sehr kleiner Teil der pflegenden Angehörigen macht folglich bislang von diesen Möglichkeiten Gebrauch.