Angestachelt durch die aktuell geführten Diskussionen zur Social-Media-Nutzung von Kindern und Jugendlichen und auch der Handyverbotsdebatte in Bezug auf Schulen, hat der Branchenverband Bitkom eine Umfrage unter Eltern durchgeführt. Demnach erlauben deutsche Eltern Smartphones und andere digitale Endgeräte schon recht früh für ihre Kinder, schränken deren Nutzung aber je nach Alterskohorte ein. In Bezug auf formulierte Ängste und tatsächliche Kontrolleingriffe oder Thematisierungen dieser, sieht Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder Nachholbedarf. Wer einerseits die Nutzung von Smartphone, Social Media & Co. erlaubt, andererseits aber große Sorgen dazu teilt, müsse auch entsprechend handeln.
Die Umfrage hat Bitkom-Research das erste Mal durchgeführt. Dementsprechend gibt es keine Vergleichsdaten aus den Vorjahren, wie sie der Bitkom häufiger zur Verfügung stellen kann. Insgesamt wurden 1004 Eltern in Deutschland von Kindern zwischen 6 und 18 Jahren von Ende Mai bis Ende Juni dieses Jahres telefonisch befragt. Die Gesamtumfrage ist repräsentativ.
Früh dabei, aber mit Leitplanken
Rohleder zeigte sich überrascht, dass schon Kinder ab im Durchschnitt 7 Jahren ein Smartphone, PC oder Notebook nutzen. Allerdings erklärte schon das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor einigen Jahren bezüglich des nötigen Schutzes von Kindern in der digitalen Welt, dass der Nachwuchs "spätestens ab dem Vorschulalter" seine ersten Schritte im Internet macht – auf welchem Endgerät auch immer. Laut der Bitkom-Umfrage besitzen Kinder dann im Durchschnitt mit 9 Jahren auch schon ein eigenes Smartphone. Deutlich macht die Umfrage auch: Zwar hatten 253 der Befragten zum Umfragezeitpunkt ihren Kindern noch kein eigenes Smartphone zugänglich gemacht, keiner der Befragten will seinen Kindern während des Heranwachsens aber eines vorenthalten.
Die überwiegende Mehrheit der Eltern (77 Prozent) erlaubt ihren 6- bis 9-jährigen Kindern allerdings noch kein eigenes Nutzerkonto für soziale Medien. Das ändert sich sukzessive mit dem Älterwerden der Kinder; Kinder dürfen Social Media dann überhaupt nutzen oder mit immer weniger Einschränkungen. Zwischenschritte für weniger Einschränkungen sind laut Umfrage die Mitnutzung von Familienprofilen oder auch eigene, aber dafür anonymisierte Nutzerkonten. Kinder zwischen 10 und 12 Jahren dürfen beispielsweise mehrheitlich als Mitnutzende mitmischen (38 Prozent), für 20 Prozent gilt aber weiterhin ein Social-Media-Verbot. In der Altersklasse von 13 bis 15 Jahren wird die Nutzung dann nur noch drei Prozent der Kinder verboten, und den 16- bis 18-Jährigen gar nicht mehr.
Je älter die Kinder werden, desto mehr Freiheiten erhalten sie von ihren Eltern für die Nutzung von sozialen Medien.
(Bild: Bitkom Research)
Nutzen Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren soziale Medien, werden sie von ihren Eltern zum Teil auch dazu angehalten, dies nur anonymisiert zu tun: Das heißt ohne erkennbaren Namen, Profilbild oder persönliche Fotos. Von den 6- bis 9-Jährigen betrifft das drei Prozent der Kinder, von den 10- bis 12-jährigen 20 Prozent, bei den 13- bis 15-Jährigen liegt die Spitze mit 25 Prozent und 16- bis 18-Jährige sollen es noch 14 Prozent so halten. Nutzerkonten mit erkennbarem Namen, Profilbild und persönlichen Fotos werden zugleich keinem Kind von 6 bis 9 Jahren erlaubt, von den 10- bis 12-Jährigen dürfen 17 Prozent so ein Konto nutzen, den 13- bis 15-Jährigen wird es von 55 Prozent der Eltern gestattet, den 16- bis 18-Jährige von 83 Prozent.
Auch die laufende Kontrolle der Nutzung der Social-Media-Konten nimmt im Laufe des Heranwachsens ab, sowohl was die Kenntnis von Zugangsdaten als auch was das Beobachten der Aktivitäten durch ein eigenes Benutzerkonto angeht (dem Kind also online "folgen"). Groß sind indessen die Ängste der Eltern bezüglich Mobbing in sozialen Netzwerken. 80 Prozent haben Angst, dass ihr Kind dort gemobbt wird und 53 Prozent wissen, dass das schon einmal passiert ist. 54 Prozent der Eltern gaben auch an, dass ihr Kind bereits verstörende Inhalte in sozialen Netzwerken gesehen hat und 33 Prozent wurden dort von fremden Erwachsenen angesprochen und belästigt. 18 Prozent der Befragten haben Angst, dass ihr Kind durch Social Media in links- oder rechtsextreme Milieus abdriften könnte. Zugleich gaben aber nur 38 Prozent der Eltern an, dass sie regelmäßig mit Kindern über ihre Erfahrungen in sozialen Netzwerken sprechen und 52 Prozent informieren sie, was beim Teilen von Bildern und Videos zu beachten ist. Zwischen diesen Befragungsergebnissen sieht Rohleder die größte Diskrepanz. Er erklärte hierzu: "Wenn 80 Prozent der Eltern sagen, dass sie Angst haben, dass Ihr Kind in sozialen Netzwerken gemobbt wird, dann sollten eigentlich auch mindestens 80 Prozent mit ihren Kindern über das eigene Erleben in sozialen Netzwerken sprechen."
Trotz der Angaben zu Ängsten sehen Eltern auch viele Vorteile für ihre Kinder in der Nutzung von sozialen Netzwerken. Drei Viertel (78 Prozent) nennen den Austausch mit Freundinnen und Freunden als gute Eigenschaft. Auch das Teilen von Ideen und kreativen Inhalten (56 Prozent) sowie das Vertiefen von Interessen und Hobbys ihrer Kinder (54 Prozent) sehen jeweils mehr als die Hälfte der Befragten positiv; 24 Prozent sagen auch, dass Kinder dort neue Interessen und Hobbys entdecken können. 43 Prozent sehen den Zugang zu politischen und gesellschaftlichen Informationen in sozialen Netzwerken als Vorteil für Kinder. 29 Prozent betonen, dass Heranwachsende dort Gleichgesinnte für den Austausch zu persönlichen Themen wie mentaler Gesundheit, LGBTQ+ oder Body Positivity finden – gerade auch dann, wenn sie in ihrem direkten Umfeld mit Menschen konfrontiert sind, die bei diesen Themen wenig aufgeschlossen sind. Nur ein Prozent der Eltern gab an, dass soziale Netzwerke keinerlei Vorteile für Kinder und Jugendliche bieten.
Klare Altersgrenzen erwünscht?
Gefragt nach gesetzlichen Regelungen zur Social-Media-Nutzung, wie sie auch politisch diskutiert werden, spricht sich nur eine Minderheit der Befragten für eine Nutzungserlaubnis unter 13 Jahren aus: Nur ein Prozent würde Kindern unter 10 Jahren Social Media erlauben, 19 Prozent Kindern von 10 bis 12 Jahren. 39 Prozent der Befragten würde 13-15-Jährigen die Nutzung gesetzlich gewähren, 38 Prozent sprechen sich dafür aus, dass die Social-Media-Nutzung erst ab 16 möglich sein sollte. Ein Prozent der Befragten würde ein Verbot für alle Menschen unter 18 Jahren befürworten.
Rohleder ließ es sich nicht nehmen und kommentierte die aktuellen politischen Diskussionen zu Social-Media-Verboten und strikten Altersgrenzen. Er sagte: "Es gibt hier sehr viel mehr offene Fragen als Antworten und manchmal hat man das Gefühl, dass es auch eher ein Akt der Verzweiflung ist, wenn Politiker sagen: Ich stelle das jetzt alles auf null und verbiete es generell. Man hat dann was getan, ob man die Herausforderung wirklich angegangen ist, die Probleme damit gelöst hat, das steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt." Er verwies unter anderem auf die zwar strikten getroffenen Regeln in Australien, aber auch darauf, dass die Altersverifikation ein Problem bleibt.
Die Smartphone-Nutzung wird durch die Eltern mit zunehmenden Alter des Nachwuchses weniger eingeschränkt. Im Grundschulalter werden die kaum Kinder ohne Einschränkungen an die Geräte gelassen.
(Bild: Bitkom Research)
Befragt zu der Nutzung von Smartphones durch ihre Kinder – mit oder ohne Einschränkungen – gaben die befragten Eltern Antworten, die auch zu ihren Umfrageergebnissen in Bezug auf Social Media passten. Wieder aufwachsend mit dem Alter erlauben Eltern sukzessive die Nutzung von Smartphones ohne Einschränkungen. In den Alterskohorten unter 11 Jahren werden von über 90 Prozent der Befragten Regeln und Einschränkungen für die Nutzung vorgegeben, ab der Alterskohorte 13 bis 15 Jahre werden die Einschränkungen dann teilweise abgeschafft. Dort nehmen noch 40 Prozent der Eltern Einschränkungen vor. 16- bis 18-Jährige werden nur noch von 10 Prozent der Eltern bei der Nutzung eingeschränkt. Auch auffällig: Eltern zeigen sich besonders bei jüngeren Kindern unzufriedener, wenn es darum geht, ob Kinder das Smartphone länger nutzen als vereinbart, oder weil sie sich wünschen, dass sie das Smartphone weniger nutzen sollten. Je jünger die Kinder, desto eher achten die Eltern aber auch darauf, selbst ein gutes Vorbild für die Nutzung zu sein.
Wenn jüngere Kinder länger als vereinbart Smartphones nutzen, stört das Eltern mehr, als wenn dies ältere Kinder tun.
(Bild: Bitkom Research)
Auch hier sieht Rohleder Eltern klar in der Pflicht: "Kinder lernen nicht nur durch Regeln, sondern mindestens ebenso sehr durch Vorbilder. Die eigene Smartphonenutzung regelmäßig zu überprüfen, ist deshalb ein wichtiger Teil digitaler Erziehung. Auch gemeinsam vereinbarte Familienregeln können Orientierung geben und helfen, Mediennutzung im Familienalltag kindgerecht zu gestalten."
Eltern informieren sich laut eigener Aussage zwar, um Kindern Digital- und Medienkompetenz zu vermitteln, möchten in der Mehrzahl aber auch (79 Prozent), dass die Vermittlung von Digital- und Medienkompetenz in den Lehrplänen verankert ist. Nur wenige gaben an, eher unsicher (15 Prozent) oder sehr unsicher (8 Prozent) in der Vermittlung dieser Kompetenzen zu sein, 41 Prozent erklärten aber auch, dass es ihnen schwerfalle, mit allen Neuerungen Schritt zu halten.
Um Eltern eine Hilfestellung für den Umgang mit Endgeräten und Internetangeboten zu geben, hat der Bitkom mit der Veröffentlichung seiner Umfrageergebnisse auch selbst Tipps formuliert. Der Branchenverband rät zu aktiver Begleitung, einem kontrollierten Loslassen und einer kompetenten Unterstützung – das, was über die Umfrageergebnisse hinweg in den Antworten der meisten Eltern tendenziell auch sichtbar wurde.
(kbe)