Statistisch alle acht Minuten gab es in den USA zwischen den Jahren 2017 und 2022 einen sexuellen Übergriff in einem Fahrzeug des Mobilitätsdienstleisters Uber. Dies berichtet die New York Times unter Berufung auf Gerichtsdokumente und nach Gesprächen mit früheren und heutigen Mitarbeitern. Dem Unternehmen wird demnach vorgeworfen, dass es das Problem herunterspiele und zu wenig dagegen unternimmt, obwohl wirksame Schutzmaßnahmen möglich wären. Zudem stehe das Problem damit in Verbindung, dass Uber keine eigenen Fahrer beschäftigt, sondern nur als Vermittler zwischen selbstständigen Fahrern und Fahrgästen vermittelt.
Das Unternehmen sieht sich unter anderen mit einer Sammelklage konfrontiert. Insgesamt gingen bei Uber in den fünf Jahren rund 400.181 Berichte über sexuelle Übergriffe und Fehlverhalten ein – eine Zahl, die weit über den bisher veröffentlichten 12.522 schweren sexuellen Übergriffen liegt. Die meisten Opfer seien Frauen. Die Taten ereigneten sich den Zahlen zufolge zumeist spätabends und am Wochenende und bevorzugt bei Abholungen von Bars. Etwa 75 Prozent der Meldungen seien allerdings “weniger schwerwiegend" gewesen, erklärt Hannah Nilles, Ubers Sicherheitschefin für Amerika. Dazu zählt sie laut Bericht Kommentare über das Aussehen, Flirten oder anzügliche Sprache.
Uber entwickelte Gegenmaßnahmen
Das Unternehmen hatte den Unterlagen zufolge intern bereits seit Jahren das Problem untersucht und entwickelte sogar effektive Sicherheitstools. Dazu gehörten ausgeklügelte Matching-Algorithmen, um nur Fahrer und Fahrgäste zusammenzubringen, von denen ein niedriges Risiko ausgeht, Videoaufzeichnungen und die Zuordnung weiblicher Fahrgäste zu Fahrerinnen. Bereits 2018 habe Uber ein KI-basiertes System namens "Safety Risk Assessed Dispatch" entwickelt, das 15 Prozent der sexuellen Übergriffe korrekt vorhersagen konnte. Ein internes Dokument aus dem Jahr 2024 offenbart jedoch, dass das System immer noch Fahrten vermittelte, die als hochriskant eingestuft wurden.
Dass sich Uber dagegen entschied, die Maßnahmen flächendeckend einzuführen, habe mit Sorgen um das Geschäftsmodell zu tun. Da das Unternehmen nur selbstständige Auftragnehmer beschäftigt, vermeide es hohe Kosten für Sozialleistungen und Überstunden. Dadurch kann es allerdings auch weniger Einfluss auf die Bedingungen nehmen, unter denen die Fahrten erfolgen. Das Vorhaben, weibliche Fahrgäste mit weiblichen Fahrern zusammenzubringen, habe das Unternehmen zurückgestellt, als Donald Trump ein weiteres Mal Präsident der USA wurde. Das Unternehmen habe Diskriminierungsklagen und einen Kulturkrieg befürchtet.
Über 3000 Klagen gegen Uber
Aktuell sehe sich Uber mit über 3000 Klagen wegen sexuellen Missbrauchs konfrontiert. Die New York Times berichtet über verschiedene Fälle von versuchten und erfolgten Vergewaltigungen. Mehr als 100 Fälle habe Uber bereits außergerichtlich beigelegt. Im September soll der erste Prozess beginnen, bei dem es über einen Übergriff auf eine damals 18-jährige Studentin geht. Der Vorfall reicht in das Jahr 2016 zurück. Schon damals gab es tausende Beschwerden wegen Übergriffen.
Uber erklärte gegenüber der Times, dass 99,9 Prozent aller Fahrten ohne Zwischenfälle verlaufen. Kritiker wollten das Unternehmen für “extrem seltene und unvorhersehbare kriminelle Handlungen” seiner Fahrer verantwortlich machen. Tatsächlich sollen auch andere Fahrtenvermittler und auch klassische Taxibetreiber mit ähnlichen Problemen konfrontiert sein, schreibt die Times. Das Ausmaß bei Uber rage aber über das Mittelmaß hinaus.
(mki)