So arbeitet ein Musical-Darsteller: Hercules von Berufs wegen

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Der Saal ist noch leer. Plötzlich blitzen Scheinwerfer auf, ein Podest aus Stein fährt über die Bühne. Hope steht darauf, spannt seine Armmuskeln an und springt hinun­ter. Das Steinpodest fährt auf Rollen zurück, die so klein sind, dass man sie von den Zuschauerreihen aus nicht erkennt. Für das Publikum sieht es nachher so aus, als würde das Podest schweben. »Magie«, sagt Hope und lacht.

Noch ist der Saal leer. Bis zu 1800 Menschen passen hinein

Noch ist der Saal leer. Bis zu 1800 Menschen passen hinein

Foto: Maria Feck / Dein SPIEGEL

Der 37-Jährige spielt die Hauptrolle im Musical »Hercules«, das seit über einem Jahr in Hamburg läuft. »Jede Show ist anders. Langweilig wird’s nie«, sagt Hope. Der Musical-Darsteller ist die Zweitbesetzung für Hercules. Das bedeutet, dass er immer dann auftritt, wenn die Erstbesetzung krank ist oder freihat – wie heute.

Einige Stunden vor der Show findet eine Technikprobe statt. Dabei wird getestet, ob alle technischen Effekte funktionieren, etwa das rollende Steinpodest oder die bunten Lichter. Als Nächstes muss Hope sich einsingen. Das macht er in einem Raum im zweiten Stock der »Neuen Flora«, so heißt das große Theater, in dem »Hercules« gezeigt wird. In den Stunden vor der Aufführung ist es den Musical-Stars verboten, mit dem Aufzug zu fahren. »Wenn der stecken bleibt, können wir nicht auftreten«, sagt Hope.

Foto: DEIN SPIEGEL

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Im Treppenhaus summt Hope eines der Lieder, die er später auf der Bühne singen wird. Vor jeder Show wärmt Hope seine Stimme auf. Das klingt lustig: Er rollt das R und stößt Schreie in verschiedenen Tonhöhen aus. »Ich habe zweimal pro Woche Gesangsunterricht. Dort habe ich diese Übungen gelernt. Mit ihnen schone ich meine Stimme.« Vor und nach den Shows achtet Hope darauf, viel Wasser zu trinken und genügend zu schlafen. Außerdem treibt er jeden Tag Sport. »Mein Körper und meine Stimme müssen funktionieren. Ich kann nur arbeiten, wenn sie gesund sind.«

Als Hercules singt er Texte auf Deutsch. Hinter der Bühne spricht Hope meistens Englisch. In der Musical-Welt ist das normal: Die Darstellerinnen und Darsteller kommen aus verschiedenen Ländern. Hope ist in Südafrika geboren. Als er an seinem ersten Casting teilnahm, wusste er nicht, was ein Musical ist. »Ich wollte nur im Chor mitsingen, um Geld für meine Fa­milie zu verdienen. Doch dann bekam ich eine der größten Rollen im Musical ­›König der Löwen‹, kurz danach die Hauptrolle. Das hat mein ganzes Leben verändert«, sagt er. Erst trat Hope in Südafrika auf, dann in London und schließlich in Hamburg. »Es ist aufwendig, wie ein Löwe geschminkt zu werden. Ich saß täglich 45 Minuten in der Maske. Das vermisse ich nicht«, sagt Hope und lacht.

Was ist das Schönste an dem Beruf?

»Wenn ich mit dem, was ich auf der Bühne mache, das Publikum berühre. Ich finde es fantastisch, Menschen mit meiner Stimme zum Weinen zu bringen.«

Und was ist das Schlimmste?

»Die Arbeitszeiten. Ich arbeite dann, wenn alle anderen freihaben: abends und am Wochenende. Wann soll man so Freunde treffen?«

Wie lange dauert die Ausbildung?

In Berlin, Essen und München gibt es den Studiengang »Musical«. In anderen Städten kann man sich an privaten Hochschulen ausbilden lassen. Je nach Standort und Akademie dauert die Ausbildung etwa drei bis vier Jahre.

Wie viel verdient man?

Das ist je nach Stadt und Musical unterschiedlich. Es kommt auch darauf an, welche Rolle man spielt und wie häufig man auftritt. Oft liegt das Einstiegsgehalt für eine Rolle im Ensemble zwischen etwa 2900 und 3700 Euro pro Monat.

Was muss man können?

  • Singen und den Takt halten

  • Gern auf der Bühne stehen

  • Sich immer wieder auf etwas Neues einlassen

Für wen ist das eher nichts?

  • Für alle, denen es sehr wichtig ist, einen sicheren Job zu haben

  • Für Menschen, die am Wochenende und abends immer freihaben möchten

  • Für Leute, die ihr Leben lang an einem Ort wohnen bleiben wollen

Für seine Rolle als Hercules schminkt sich Hope selbst, malt Eyeliner auf seine Augenlider und pudert sein Gesicht ab. »Das dauert höchstens 20 Minuten.« Außerdem bekommt er eine Perücke. Bevor er die aufsetzt, befestigt eine Maskenbildnerin zwei Mikrofone an seiner Stirn. »Sicherheitshalber, falls eins ausfällt«, erklärt Hope. Die Mikrofone werden so unter seinem Haaransatz festgeklebt, dass sie vom Kopf abstehen. »Dadurch bleiben sie trocken, auch wenn ich auf der Bühne schwitze.« Die Maskenbildnerin steckt die Kabel mit Klammern an Hopes Haaren fest, dann setzt sie Hope eine dünne Kappe aus Nylonstoff auf. Diese verhindert, dass die Perücke beim Tanzen verrutscht.

Hope und die anderen Darstellerinnen und Darsteller in Action

Hope und die anderen Darstellerinnen und Darsteller in Action

Foto: Maria Feck / Dein SPIEGEL

Aus der Maske geht’s in die Umkleide. An einer Kleiderstange hängen alle Kostüme, die später auf der Bühne zu sehen sein werden. Mehr als 200 Outfits sind das, gute zweieinhalb Kilometer Stoff mit unzähligen Glitzerpailletten. Über den Kostümen kleben Zettel, auf denen die Namen der Musical-Stars stehen. Je nach Szene trägt Hope unterschiedliche Outfits, die alle maßgeschneidert sind. Die Kostümwechsel während der Show müssen schnell gehen. »Unsere Dresser helfen mir dabei, in wenigen Sekunden mein Outfit zu wechseln. Wenn etwas reißt oder kaputtgeht, reparieren sie die Stelle direkt«, sagt Hope.

Als Musical-Darsteller muss man viel Glück haben, um eine Rolle zu ergattern.

Stimmt: »Manche kriegen jahrelang Absagen, obwohl sie hart arbeiten. Man muss dranbleiben und immer wieder zu Castings gehen.«

Zwischen Musical-Darstellern herrscht so viel Konkurrenz, dass sie einander nicht mögen.

Stimmt nicht: »Quatsch! Wir sind ein super Team! Ich mag meine Kolleginnen und Kollegen sehr. Mit meiner Spielpartnerin aus ›König der Löwen‹ habe ich mich so gut verstanden, dass ich sie geheiratet habe!«

Musical-Darsteller sind zu schlecht für klassisches Ballett oder die Oper.

Stimmt nicht: »Die Frage ist: Will man sich auf eine Sache konzentrieren oder nicht? Wer nur tanzen will, sollte eine Tanzausbildung machen. Wer auch singen und schauspielern will, ist im Musical richtig.«

Aus dem Zuschauerraum sind Geräusche zu hören. Langsam füllt sich der Saal. Lampenfieber? Hope schüttelt den Kopf. »Sobald die Show beginnt, konzentriere ich mich und blende die einzelnen Gesichter im Publikum aus. Wenn ich auf der Bühne stehe, weiß mein Körper, was zu tun ist. Er kann gar nicht anders, als zu tanzen.«

Dieser Artikel erschien in DEIN SPIEGEL 6/2025.

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