Der israelische Musiker und künftige Chefdirigent der Münchner Philharmoniker Lahav Shani hat erstmals zu den Ereignissen um seine Ausladung beim Flanders Festival in Gent öffentlich Stellung genommen. Die Festivalleitung, schrieb der Dirigent auf der Website der Münchner Philharmoniker, habe unter dem Vorwand gehandelt, Musik solle „eine Quelle der Verbindung und Versöhnung sein“. Doch durch ihr Auftreten habe sie diese Aussage jeglicher Bedeutung entleert, politischem Druck nachgegeben und von ihm, Shani, eine politische Erklärung verlangt, „obwohl ich mich seit langem öffentlich für Frieden und Versöhnung einsetze“.
Er danke allen für die Botschaften der Unterstützung und Ermutigung, sie hätten ihn tief berührt. „Zuallererst bin ich den Musikern der Münchner Philharmoniker und ihrer Leitung für ihre unerschütterliche Unterstützung dankbar, die mich mit noch größerem Stolz erfüllt hat, Teil dieses Orchesters zu sein. An meiner Seite standen der Bürgermeister und der Kulturdezernent der Stadt München, Vertreter der deutschen und bayerischen Regierung sowie Kollegen aus Deutschland, Europa, Israel und der ganzen Welt. Es war auch von großer Bedeutung, dass der belgische Premierminister durch seine Anwesenheit bei unserem Konzert am vergangenen Samstag in Essen seine Solidarität zum Ausdruck brachte. Und schließlich fühle ich mich sehr geehrt, dass der deutsche Bundespräsident mich gestern nach Schloss Bellevue eingeladen hat.“
Erschütternde Bilder aus Gaza
Dann wandte sich Shani der Vorgeschichte zu. „Am 7. Oktober 2023 erlebte Israel ein schreckliches und beispielloses Ereignis. Wie viele andere fürchtete ich sofort um mein Leben und das meiner Angehörigen. Kein Israeli blieb von diesen Ereignissen unberührt. Die israelische Gesellschaft trauert weiterhin um die Folgen des unmenschlichen Angriffs der Hamas und sehnt sich nach der Rückkehr von 48 Zivilisten, die immer noch unter unerträglichen Bedingungen als Geiseln festgehalten werden. Dennoch habe ich, wie viele Israelis, meine menschlichen Werte nicht aufgegeben. Die Bilder und Berichte aus Gaza sind zutiefst erschütternd, und es ist unmöglich, angesichts des Leides der Zivilisten in Gaza, das dieser Krieg über sie gebracht hat, gleichgültig zu bleiben. Es muss alles getan werden, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und den langen Prozess der Heilung und des Wiederaufbaus für beide Gesellschaften zu beginnen.“
Lahav Shani erinnerte auch an die große Tradition des Israel Philharmonic Orchestra, das bedeutende Musiker wie Arturo Toscanini, der die allerersten Musiker des Orchesters – jüdische Flüchtlinge aus Europa – dirigiert habe, an seiner Spitze sah, später auch Leonard Bernstein und Zubin Mehta. Das Israel Philharmonic Orchestra sei „ein einzigartiges Beispiel für die Freiheit, die Künstler beim Musizieren haben sollten, da es seit seiner Gründung von seinen Musikern geleitet wird. Unter ihrer Führung ging die Förderung der klassischen Musik stets Hand in Hand mit den Bemühungen, Menschen innerhalb Israels und zwischen Israel und der Welt miteinander zu verbinden.“
Zum Schluss dankte Lahav Shani den Berliner Festspielen und der Berliner-Philharmoniker-Stiftung für ihre Initiative, ihn und die Münchner Philharmoniker zu einem Sonderkonzert am 15. September einzuladen. Diese Geste, so der Dirigent, „ist das vollkommene Beispiel für die Kraft der Musik – Menschen zu verbinden, statt sie zu trennen“.
Unterdessen berichtete das Belgische Rundfunk- und Fernsehzentrum (BRF), der in die Kritik geratene Festivalleiter Jan Briers habe bei einer Sitzung des Verwaltungsrats am Montag in Gent seinen Rücktritt angeboten, sollte dieser dazu beitragen, „die Festivalsaison in Ruhe fortzusetzen“. Der Verwaltungsrat habe diesen Schritt jedoch abgelehnt. Die Festivalsaison, heißt das, wird mit dem Festivalleiter in Ruhe fortgesetzt. Ruhe und “Gelassenheit“ dürfen laut Selbstdefinition als wesentliche Ziele des Flanders Festival Ghent gelten.