Serie „We Are Lady Parts“: Mit Kopftuch in den Punkrock

vor 19 Stunden 2

Amina (Anjana Vasan), eine introvertierte Doktorandin mit großen runden Augen, die durch ihr Kopftuch noch liebenswürdiger wirken, ist praktizierende Muslimin und ihren Eltern eine einzige Freude. Nur verheiratet ist sie noch nicht. Sie hat sich deshalb ständig aufs Neue vor potentiellen Ehemännern zu präsentieren. Aber sie müht sich doch redlich, bei diesen Bewerbungsgesprächen von Familie zu Familie das Beste in den Kerlen auf dem Stuhl gegenüber zu sehen, und legt sich sogar über Bartträger mit „Dementoren-Vibes“ einen freundlichen Gedanken im Kopf zurecht.

Die Gitarre ist „haram“

Das Problem für strenggläubige Schwiegereltern in spe ist eher die Offenherzigkeit ihrer Eltern. Und Aminas Gitarre. Manch einem gilt die als „haram“, also verboten, und daran vermag auch die Erklärungsverrenkung, dass Amina bloß Kindern aus der Gemeinde das Gitarrenspiel lehrt, aber nicht selbst Gitarre spielt, etwas zu ändern. Wie auch. Letzteres ist ja gelogen.

Es kommt, wie es kommen muss – dort, wo die kulturellen Regeln so bissig betont werden wie zum Beginn der Serienperle „We Are Lady Parts“, für die Nida Manzoor (Buch und Regie) 2022 einen BAFTA als „Best Comedy Writer“ erhalten hat: Amina wird mit den Erwartungen ihrer muslimischen Umgebung in Konflikt geraten – weil sie widerwillig in eine weibliche Punkband hineinrutscht und feststellt, wie sehr ihr das liegt. Eine derartig charmante Frauentruppe hat man als deutscher Zuschauer seit dem Kultfilm „Bandits“ 1997 nicht mehr gesehen.

Eine Provokation für Traditionalisten

„Lady Parts“, gegründet von der kopftuchfreien Saira (Sarah Kameela Impey), die ihre Wut auch als Halal-Metzgerin ausleben kann, ist dabei keine antireligiöse Truppe. „Wir zeigen unserer Religion nicht den Mittelfinger“ wird sie in heikler Lage betonen, und man sieht sie auch tatsächlich gemeinsam beten.

Das Musizieren an sich, der rebellische Impetus und die Texte der Band, zu der auch noch die Uber-fahrende Drummerin Ayesha (Juliette Motamed), eine junge Mutter namens Bisma (Faith Omole) am Bass und als Managerin die vollverschleierte Reizwäscheverkäuferin Momtaz (Lucie Shorthouse) gehören, sind für Traditionalisten trotzdem eine Provokation. Ebenso für etliche Briten: Der erste öffentliche Auftritt von „Lady Parts“ wird nicht ohne Grund in einem typischen Pub voller weißer Männer stattfinden. Die unausstehlich sind und jeden Applaus verweigern.

DSGVO Platzhalter

Geschildert wird die Serie aus der Perspektive Aminas, die diese Sause auch in der deutschen Synchro (Friedel Morgenstern) wunderbar kreuzbrav erzählt und sich mit ihren anmutigen Worten ebenso von der frivolen Sprache der Bandgören abhebt wie von den krassen Textzeilen, die Saira durch die Lautsprecher brüllt: „Ich werde meine Schwester umbringen!“ singt die zum Beispiel in einem Song, der einen Ehrenmord prophezeit, als Strafe für einen Eyeliner-Diebstahl und ausgelatschte Schuhe: „I’m gonna kill my sister (Die, die, die). Do you wanna kill her, mister? (She’s mine, mine, mine).“ Die Regisseurin Nida Manzoor, die einer muslimisch-pakistanischen Familie entstammt, hat zusammen mit ihren Geschwistern und ihrem Schwager auch diese Kracher geschrieben. Wobei zur Musik der Serie auch einige Coversongs gehören. Angestimmt werden alle mit ganz großer Geste, anders würde der Sechsteiler „We Are Lady Parts“ auch gar nicht diese mitreißende Wirkung entfalten. Schnitt und Kamera sind ebenfalls knackig.

Als Kontrast gibt es einige Romcom-Szenen: Amina ist in Ayeshas Bruder Ahsan (Zaqi Ismail) verknallt, der aber nur Freundschaft will und sich bei Bedarf als „männlicher Escort“ ausgibt. In solchen Minuten schwindet der Schwung etwas, und der absehbare Konflikt zwischen Band und muslimischer Community fällt auch nicht so dramatisch aus wie erwartet: Gegenwind bekommt „Lady Parts“ vor allem online zu spüren, während Amina entscheiden muss, ob sie unter diesen Umständen noch Gitarrengöttin werden will.

Das darf die Begeisterung über dieses Glanzstück aber nicht trüben. Denn es sprüht vor Charme und Witz, und die Hauptdarstellerinnen bringen so viel Charisma ein, dass man überhaupt nicht nachvollziehen kann, weshalb das ZDF nicht gleich beide Staffeln dieses Fests der Freundschaft und Selbstbestimmung (und Elternliebe) ausstrahlt. „Es ist möglich, Punk und Feministin und Muslimin und Hijab-Trägerin zu sein“, sagte Nida Manzoor in einem Interview mit „Broadcastnow“. Man glaubt es sofort, und es gibt ja auch tatsächlich muslimischen Punk. Trotzdem ist es eher eine Frage, die „We Are Lady Parts“ clever und smart in den Fernsehraum stellt.

We Are Lady Parts startet am Dienstag, 12. August, um 22.30 Uhr auf ZDFneo. Einen Tag später in der Mediathek.

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