Freiburg hat bittererweise wieder den großen Schritt in die Königsklasse verpasst. Die erneute Chance darauf zeigt aber, wie beeindruckend Cheftrainer-Neuling Julian Schuster das Dekadenwerk von Christian Streich und Co. fortgeführt hat. Ein Kommentar von kicker-Reporter Carsten Schröter-Lorenz.

Trat das Erbe von Christian Streich an: Freiburgs Trainer Julian Schuster. Getty Images
Die Enttäuschung war greif- und sichtbar. Wie 2013, 2022 und 2023 hätte der SC Freiburg auch in diesem Saisonfinale die erstmalige Zulassung zur Champions League aus eigener Kraft schaffen können. Aber es hat wieder nicht gereicht für den ganz großen Wurf.
Frust und Enttäuschung im Freiburger Lager sind nachvollziehbar. So fühlen sich eben Leistungssportler, die ein Finale verloren haben. Und es wäre ein Sieg im Endspiel gegen Frankfurt nötig gewesen, um die königlichen Ehren sowie die satten Millionen-Prämien in Empfang nehmen zu dürfen. Diese bitteren Gefühle müssen ihren Raum bekommen.
Das SC-Ensemble hat sich und seine Fans dennoch beschenkt. Mit dem dritten Europa-League-Ticket in vier Jahren. Das ist - um das Lieblingswort von Trainer Julian Schuster zu bemühen - keine Selbstverständlichkeit. Auch wenn der Sport-Club inzwischen wirtschaftlich in der oberen Tabellenhälfte angelangt ist, hat er erneut Vereine hinter sich gelassen, die finanziell mehr Mittel einsetzen können. Diesmal mit Leipzig, Stuttgart, Wolfsburg und Hoffenheim mindestens vier.
Das ist aller Ehren wert und natürlich auch ein Verdienst von Cheftrainer-Novize Schuster. Er hat das Dekadenwerk seines Vorgängers Christian Streich und vieler Mitstreiter auf beeindruckende Weise fortgeführt. Als langjähriger Kapitän, dann als Verbindungstrainer zum Nachwuchs und Co-Trainer der Profis hatte er vor dieser Saison schon seinen Anteil daran.
Viel war vom so schwierigen Erbe zu lesen
Der Sport-Club ist ohne Investoren-Millionen aus eigener Kraft über die Jahre gewachsen, steht mit über 150 Millionen Euro Eigenkapital und selbst finanziertem neuen Stadion blendend da. All das war nur durch herausragende Arbeit des Trainerteams um Streich im sportlichen Tagesgeschäft, exzellente Transferpolitik von Sportvorstand Jochen Saier und Sportdirektor Klemens Hartenbach samt seiner Scouting-Abteilung sowie kluge Vereinsführung von Saier und Vorstandskollege Oliver Leki möglich.
Viel war vom so schwierigen Erbe zu lesen, dem Liga-Original und der lebenden Trainerlegende Streich nachzufolgen. Die Lücke zu füllen, die der 59-Jährige als Figur und reichenweitenstarke Stimme für gesellschaftspolitische Themen hinterlassen hat, war und ist unmöglich. Schuster hat das schlauerweise nie versucht. Ihm ist es aber gelungen, Streich als hauptverantwortlichen Fußballlehrer in einem langen eingespielten, weitgehend erhaltenen Trainerstab zu ersetzen.
So gibt es auch diese Perspektive aufs Streich-Erbe: Einfacher hätte der Start für einen Cheftrainer-Novizen in der Bundesliga kaum sein können. Schuster übernahm bei im Profigeschäft maximal großem Vertrauen der Verantwortlichen funktionierende, ihm bestens bekannte Strukturen rund ums Team und im gesamten Verein, und noch wichtiger: eine eingespielte, gewachsene Mannschaft mit vielen Profis rund um ihren persönliche Leistungszenit. Ironischerweise hat auch die zum Streich-Abschied knapp verpasste Europacup-Qualifikation mehr Trainings- und Entwicklungszeit ermöglicht sowie dabei geholfen, eine gute Substanz ohne große Verletzungsprobleme bis zum Saisonende zu wahren.
Die guten Voraussetzungen sollen Schusters starke Trainer-Leistung in seinem Debütjahr aber keineswegs schmälern. Eine etwa mit höheren Pressinglinien modifizierte, teilweise aktivere Spielweise, punktuell erfolgreiche personelle Veränderungen sowie frische Impulse durch leicht abgewandelte Abläufe und Ergänzungen im Staff - unter anderem diese Dinge darf sich Schuster auf die Fahne schreiben. Er hat im Sinne des Erfolgs und mit Blick auf den sukzessive erforderlichen Kaderumbruch Mut bewiesen, manch langjährige Säule wie etwa Nicolas Höfler oder gegen Ende Kapitän Christian Günter öfter auf die Bank zu setzen, als es womöglich Streich getan hätte. Trotz seiner speziellen Beziehung zu neun Ex-Mitspielern im Kader.
Eine komplizierte Winterphase
Schuster hat seine Mannschaft aus einer komplizierten Winterphase mit vier Niederlagen in fünf Spielen - darunter heftige Klatschen in Leverkusen, Frankfurt und Stuttgart - herausgeführt. Die Mannschaft ließ vier Siege in Serie folgen und lieferte auch ein starkes Saisonfinale mit 13 Punkten aus sechs Spielen. Elf Siege mit nur einem Tor Abstand zeugen von Effizienz, Resilienz und defensiver Stabilität in entscheidenden Momenten.
All das gelang in der Regel gegen Mannschaften auf, respektive unterhalb der eigenen Augenhöhe. Denn auch Schuster stieß wie schon Streich mit dem Sport-Club an natürliche, weil wirtschaftlich definierte Grenzen: Gegen die Top 4 der Liga holte Freiburg in acht Spielen nur einen Punkt, steht deshalb zurecht auf dem fünften Platz. Der ist unterm Strich - und mit Abstand nach der Enttäuschung übers verlorene Finale gegen die Eintracht - nur als eines einzuordnen: als großer Erfolg. Gegen die Top-Klubs öfter besser auszusehen, wie jüngst gegen Leverkusen und zumindest zu Beginn gegen Frankfurt gezeigt - daran können Schuster und Co. ab Sommer weiterarbeiten.
Carsten Schröter-Lorenz