Prähistorische Riesenfaultiere waren fleißige Gärtner

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Prähistorische Riesenfaultiere waren wohl weit mehr als behäbige Pflanzenfresser: Laut einer aktuellen Studie im Fachmagazin »Biology Letters«  haben sie sozusagen als Ökosystem-Ingenieure eine Schlüsselrolle in den Regenwäldern der Eiszeit gespielt.

Aditya Kurre und Larisa DeSantis haben mikroskopische Abnutzungsspuren auf fossilen Zähnen zweier ausgestorbener Faultierarten untersucht. Dabei fand das Duo Hinweise darauf, dass die Tiere unter anderem einen bedeutsamen Anteil daran hatten, Samen zu verbreiten und die Natur zu pflegen – ähnlich wie heutige Tapire, die als Gärtner des Regenwaldes gelten.

Während heutige Faultiere ausschließlich in Bäumen leben und sich von Blättern ernähren, waren ihre ausgestorbenen Verwandten auf dem Boden unterwegs und besetzten verschiedene ökologische Nischen. Die prähistorischen Bodenfaultiere haben sich nach jetziger Kenntnis vor etwa drei Millionen Jahren von Südamerika nach Mittel- und Nordamerika ausgebreitet. Es gab vergleichsweise kleine Arten wie Neocnus, die drei bis vier Kilogramm wogen und an trockene Wälder und Bergregionen der Karibik angepasst waren. Gleichzeitig existierten riesige Arten wie Megalonyx, die es auf etwa 1000 Kilogramm brachten und bis in den Norden Kanadas vorkamen. Das größte bekannte Bodenfaultier wiederum war Eremotherium: Der bis zu 6500 Kilogramm schwere Gigant lebte in den tropischen Wäldern und Savannen Südamerikas und wanderte später auch nach Zentralamerika und an die Golfküste Nordamerikas.

Da alle heutigen Faultiere unabhängig voneinander eine baumbewohnende Lebensweise entwickelt haben, stellten sich Kurre und DeSantis die Frage: Wie unterschiedlich waren die Vorfahren in ihren Funktionen – und was bedeutet es für das Ökosystem, wenn derlei Vielfalt verloren geht?

Samen säen, Boden auflockern

Die Antwort lieferten fossile Zähne aus den La Brea Tar Pits in Kalifornien, die als reichhaltige Fossillagerstätten bekannt sind. Kurre und DeSantis fertigten Abdrücke der Zähne an, stellten transparente Nachbildungen her und untersuchten diese mit einem 3D-Mikroskop. Mithilfe von Computerprogrammen vermaß das Team winzige Kratzer und Vertiefungen, um herauszufinden, was die Tiere einst fraßen.

Das Ergebnis: Anders als lange gedacht, war das Riesenfaultier Paramylodon harlani kein typischer Grasfresser, sondern hat sich wohl auf besonders harte Nahrung spezialisiert, etwa Wurzeln, Knollen oder Pilze. Mit seinen kräftigen Vorderbeinen und mächtigen Krallen konnte es den Boden aufgraben und nach verborgenem Futter suchen, heißt es. Dabei lockerten die Tiere die Erde auf und verbreiteten Pilze, Samen und andere Organismen über weite Strecken.

Ganz anders lebte laut der Analyse das Bodenfaultier Nothrotheriops shastensis: Es war wählerisch und ernährte sich vorwiegend von Wüstenpflanzen wie Yucca, Agave oder Kiefern. So prägte es die Vegetation und half, die Strauchlandschaften seiner Heimat zu gestalten.

Skelett eines Paramylodon harlani im Naturkundemuseum in Utah, USA

Skelett eines Paramylodon harlani im Naturkundemuseum in Utah, USA

Foto: Jon G. Fuller / VWPics / IMAGO

»Wenn wir an heutige Faultiere denken, stellen wir uns lethargische, sanftmütige Tiere vor. Und obwohl es schwer vorstellbar ist, dass ihre Vorfahren zu den größten und vielfältigsten Säugetieren gehörten, die jemals auf der westlichen Erdhalbkugel lebten, zeigen zahlreiche Belege, dass sich dies in ihrer Ernährung und ihrem Verhalten widerspiegelte«, schrieb Kurre in einer Pressemitteilung  zur Studie.

Megafauna schützen, bevor es zu spät ist

Die Forschenden betonen, dass das Aussterben der Riesenfaultiere ihre Umgebung beeinträchtigt hat. Fortan hätten Tiere gefehlt, die zur Gesundheit und Vielfalt der Regenwälder beitrugen.

Damit unterstreichen die Ergebnisse, dass der Verlust großer Pflanzenfresser nicht nur einzelne Arten betrifft, sondern das Gleichgewicht ganzer Lebensräume ins Wanken bringen kann. Viele heutige Megafauna-Arten wie Elefanten, Bisons oder Tapire sind durch schwindenden Lebensraum und Wilderei bedroht. Das Schicksal der Riesenfaultiere sollte daran erinnern, wie wichtig es ist, die letzten Vertreter großer Pflanzenfresser zu schützen, bevor sie verloren gehen, mahnt das Forscherduo.

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