Popkultur-Kolumne „Ich etc.“: Was das Verbot von „SkinnyTok“ bringt.

vor 18 Stunden 1

Kürzlich hat Tiktok #SkinnyTok verboten. Unter dem Hashtag versammelten sich junge Frauen, die kaum aßen und viel Sport trieben. Und spektakuläre geistige Verrenkungen präsentierten: Wer hungrig sei, soll Kaugummi kauen oder nicht hungrig sein – alles eine Frage des „Skinny-Girl-Mindsets“. Direkt denkt man an die Hochzeit der Supermodels, den „Heroin Chic“, den Kate Moss 2009 mit einem Satz zusammenfasste: „Nothing tastes as good as skinny feels“.

Wer #SkinnyTok nun aufruft, gelangt auf eine Seite mit Hilfsangeboten zu Essstörungen. Obwohl Tiktok behauptet, das Verbot resultiere aus einer Routineüberprüfung, dürfte die Firma auf externen Druck reagiert haben: Monatelang drängten europäische Politiker auf das Verbot. Sie kritisierten, dass #SkinnyTok-Inhalte nach der Plattformlogik vor allem denen ausgespielt wurden, die ohnehin anfällig für Magersucht glorifizierende Inhalte waren. Obwohl Anorexie komplexe Gründe hat, weisen Studien darauf hin, dass #SkinnyTok einen großen Risikofaktor darstellt.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Leider ist es auf Tiktok lächerlich einfach, verbotene Hashtags zu umgehen. Man muss bloß die Schreibweise abwandeln, schon findet man die meisten #SkinnyTok-Videos wieder. Das passt in die Zeit: Der muskulös-definierte Frauenkörper ist out, Body Positivity sowieso. Jetzt, da der Feminismus einen weltweiten Backlash erfährt, sollen Frauen wieder möglichst dünn sein, auch: möglichst schwach. Abnehmspritzen sind begehrt, die Popsängerin Shirin David fordert uns in „Bauch, Beine, Po“ unverhohlen auf, „skinny“ zu werden. Dieses neue Hunger-Selbstbewusstsein irritiert. Denn wenn Social Media eines ist, dann ein Raum für Begehren. Für die Aussicht auf ein finanziell, beruflich, sozial, sexuell erfüllteres Leben. Womit sonst verdienen Influencer Geld, wenn nicht mit unseren Träumen?

Manche Schönheitstrends vermitteln zumindest eine Art Utopie: Wer ins Studio geht, wird nicht nur straff, sondern auch stark. Die Body Positivity verhieß: Jeder Körper ist schön. #SkinnyTok verspricht keine Utopie, sondern Selbstgeißelung. Kein gutes Leben, sondern ein dünnes. Und wofür? Vermutlich sind die Creator einfach zu hungrig, um darüber nachzudenken. Dagegen wusste schon Kate Moss um die Sinnlosigkeit ihres Mantras. Gleich nach „Nichts schmeckt so gut wie sich schlank sein anfühlt“ sagte sie: „Du versuchst, immer daran zu denken, doch es klappt nie.“

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