Polen: Gericht verurteilt drei Ärzte, weil sie Schwangere nicht behandelten

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Die 30-Jährige, die ein Kind mit Fehlbildungen erwartete, kam mit geplatzter Fruchtblase ins örtliche Krankenhaus. Die Ärzte warteten, dass der Embryo von allein abstirbt – sie wagten es nicht, das Leben der Frau durch einen Schwangerschaftsabbruch zu retten. Die Schwangere starb daraufhin jedoch an einem septischen Schock.

Das Gericht in Pszczyna bewertete dies nun als Fehlentscheidung. Es verurteilte einen Arzt zu anderthalb Jahren Haft, einen zweiten zu einem Jahr und drei Monaten. Beide erhielten sechs Jahre Berufsverbot. Ihr Vorgesetzter wurde zu einem Jahr auf Bewährung und vier Jahren Berufsverbot verurteilt. Das Urteil vom Donnerstag ist nach Angaben von PAP noch nicht rechtskräftig.

Der Fall beschäftigt das Land bereits seit Jahren, auch die Gerichtsentscheidung sorgt nun für Reaktionen in den polnischen Medien. Das Urteil werde »in die Geschichte des Kampfes der polnischen Frauen für ihre Rechte, d.h. den Kampf für Menschenrechte, eingehen«, kommentierte die liberale Zeitung »Gazeta Wyborcza«. Vertreterinnen der Frauenrechtsbewegung Strajk Kobiet (Frauenstreik) sagten der Nachrichtenagentur PAP, es sei ihres Wissens nach der erste derartige Richterspruch.

Eng begrenzte Gründe für Schwangerschaftsabbruch

Unter der damaligen nationalkonservativen Regierung in Polen hatte das Verfassungsgericht 2020 entschieden, dass Frauen die Schwangerschaft auch dann nicht abbrechen dürfen, wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen aufweist. Ein Abbruch ist nur noch nach einer Vergewaltigung oder Inzest möglich – oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. In den Jahren seitdem sind mehrere Frauen unter ähnlichen Umständen wie in Pszczyna ums Leben gekommen. Mehrfach gab es deswegen Proteste.

Die derzeitige Mitte-links-Regierung scheiterte 2024 mit einer Liberalisierung. Wegen Abweichlern in den eigenen Reihen gelang es nicht einmal, die Strafandrohung wegen Beihilfe zu Schwangerschaftsabbrüchen aufzuheben, die auch Ehemänner, Partner oder Verwandte treffen kann.

Gynäkologen beklagen rechtliche Grauzone

Gesundheitsministerin Izabela Leszczyna sagte im Zusammenhang mit dem Prozess, die Krankenhäuser hätten klare Leitlinien zu Abtreibungen in Situationen, in denen Leben oder Gesundheit einer Frau gefährdet sei.

Das Leben der Frau müsse immer vorgehen, sagte der Vorsitzende des polnischen Gynäkologenverbands, Piotr Sieroszewski. Er kritisierte aber, dass es in den Rechtsvorschriften des Ministeriums weiter eine Grauzone gebe.

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich rechtswidrig. In den ersten zwölf Wochen bleibt der Abbruch aber straffrei, wenn die Schwangere eine Beratung wahrnimmt und eine gesetzliche Wartefrist einhält. Auch im Falle von medizinischen Gründen oder nach einer Vergewaltigung ist der Abbruch straffrei.

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