Pfitzner übernimmt einen Berg voller Probleme

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Dem Tiefschlag folgt der nächste Tiefpunkt. Am Morgen nach dem desaströsen 1:4 gegen den 1. FC Nürnberg hat Eintracht Braunschweig unmittelbar vor der Relegation gegen den 1. FC Saarbrücken Cheftrainer Daniel Scherning freigestellt. Sein bisheriger Assistent Marc Pfitzner übernimmt.

Marc Pfitzner führt Eintracht Braunschweig in die Relegation.

Marc Pfitzner führt Eintracht Braunschweig in die Relegation. picture alliance/dpa

Zweimal schon, nach der Hinrunde und vor der Länderspielpause im März, hatte Scherning, im Vorjahr der gefeierte Retter aus auswegloser Lage, bei den Niedersachsen auf der Kippe gestanden, aber jeweils die zwischenzeitliche Wende eingeleitet. Ein drittes Mal trauten die Verantwortlichen dies dem gebürtigen Paderborner offenbar nicht zu. "Wir schätzen Daniel sehr und danken ihm für die vergangenen anderthalb Jahre, in denen er sich um die Eintracht verdient gemacht hat", sagt Sport-Geschäftsführer Benjamin Kessel, "aber nach den Niederlagen in Elversberg und gegen Nürnberg und insbesondere aufgrund der Art und Weise unserer Auftritte, haben wir diese Überzeugung verloren." Mit Scherning müssen auch dessen Assistent Andreas Zimmermann und Torwarttrainer Milenko Gilic gehen.

Als Spieler war Pfitzner zwei Mal in der Retter-Rolle

Mit Pfitzner übernimmt nun eine Vereinsikone. Als Spieler hat er schon zwei Mal scheinbar unmögliche Missionen in seiner Heimatstadt angetreten und erfüllt. 2008 und 2019 war er jeweils eine prägende Figur auf dem Platz, als die Eintracht den Abstieg in die Viertklassigkeit abwendete - nun aber könnte der Auftrag kaum schwieriger sein. Nach 1:7 Toren und null Punkten aus zwei Partien ist die Stimmung im Umfeld am Tiefpunkt, wirkt die Mannschaft wieder in Einzelteile zerfallen und komplett verunsichert. "Das Trainerteam mit Marc an der Spitze genießt unser volles Vertrauen", sagt Kessel. Mit dem 40-Jährigen übernimmt Marcel Goslar, außerdem sollen die Ex-Profis Ken Reichel und Jasmin Fejzic unterstützen und sprichwörtlich "Eintracht" erzeugen.

Fragezeichen aber sind angebracht. Schernings Freistellung vor der Relegation ist, so niederschmetternd der Auftritt am Sonntag auch war, Aktionismus. Und kann nicht davon ablenken, dass die schwerwiegendsten Fehler in dieser Saison in der sportlichen Führung begangen worden waren. Kessels Transferbilanz im zurückliegen Sommer ist verheerend, die Nachbesserungen im Winter griffen. Mit einem vor allem durch Ron-Thorben Hoffmann und Lino Tempelmann verstärkten Kader hatte Scherning die Braunschweiger zwischenzeitlich wieder auf Kurs gebracht, bis zu den jüngsten beiden Tiefschlägen lediglich drei Rückrundenpartien verloren. Es ist eine Bilanz, die erahnen lässt, dass Braunschweigs Probleme  in erster Linie nicht auf der Trainerbank zu finden sind.

Totalschaden abwenden

Pfitzner bleiben nun zwei Spiele, um die Vielzahl von Fehlern in der Geschäftsführung auszumerzen. Bevor Scherning im Spätherbst 2023 seinen Job angetreten hatte, saß der einstige Eintracht-Held schon einmal für zwei Partien auf der Braunschweiger Bank, nach der Freistellung von Jens Härtel. Es gab ein 1:4 gegen Düsseldorf und ein 0:2 in Hannover, ehe das Eigengewächs ins zweite Glied zurücktrat und in der Zwischenzeit die Pro Lizenz erwarb. Jetzt muss er in einer problematischen Gemengelage mit einem Kader, der aus etlichen Leihspielern und mehrfach Aussortierten besteht, aus zwei Duellen gegen Saarbrücken als Sieger hervorgehen und eine Saison retten, in der es nur noch darum geht, den Totalschaden abzuwenden. Eine konsequente Aufarbeitung wird in jedem Fall erfolgen müssen. Denn in nun drei Zweitligajahren seit dem letzten Aufstieg ist die Eintracht keinen Schritt vorangekommen. Im Gegenteil: Sie stand seitdem noch nie so nah am Abgrund wie jetzt.

Sebastian Wolff

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