Parteien: Ein streitbarer SPD-Mann wirft hin

vor 2 Tage 3

Neulich, da hat Matthias Machnig mal wieder den Puls seiner Partei gefühlt. Beim Gartenfest des Seeheimer Kreises, der konservativen Strömung in der SPD-Bundestagsfraktion, erhielt er unweit des Deutschen Bundestags erschütternde Lageberichte, vor allem aus seinem Heimatverband Nordrhein-Westfalen. So schlimm, so führungs- und orientierungslos, sei es noch nie gewesen, bekam er von führenden SPD-Leuten zu hören, die schon lange dabei sind.

Matthias Machnig war vieles in der SPD: der Kopf in der legendären „Kampa“ die 1998 den Wahlsieg von Gerhard Schröder organisierte, Bundesgeschäftsführer der SPD, Staatssekretär im Verkehrs-, im Umwelt- und im Wirtschaftsministerium, Wirtschaftsminister in Thüringen. Ein Pragmatiker, der die Zuschreibung „Maschinist der Macht“ verpasst bekam und schon vor über 20 Jahren das Konzept der Netzwerkpartei entwickelte, die sich mit ihren Inhalten eher an gesellschaftlichen Entwicklungen orientiert, Netzwerke in alle Schichten pflegt, statt unter den eigenen Funktionären die reine Lehre zu verteidigen und mit zu viel Ideologie am Wählermarkt vorbeizuagieren.

Machnig, der aus Menden im Sauerland stammt, war schon immer ein streitbarer Kopf, eckte bei vielen an. Aber auch mit 65 Jahren beschäftigt ihn wenig so sehr wie seine Partei, die SPD – und die Industrie- und Wirtschaftspolitik. Wenn er drei Dinge nennen will, die sich ändern sollen, werden es meist fünf, und was nie fehlen darf, ist eine ordentliche Zigarette.

Zuletzt gab es viel Ärger

Machnig ist gerade erneut, allerdings nur mit 52 Prozent, zum Vizepräsidenten des SPD-Wirtschaftsforums gewählt worden. Nun  hat er überraschend hingeworfen, das Amt legt er nieder und die Mitgliedschaft im SPD-Wirtschaftsforum, das die ökonomische Kompetenz, die Verbindungen in die Wirtschaft stärken soll, beendet er ganz. Damit verliert das Präsidium seinen bekanntesten Kopf.

Es gab viel Ärger zuletzt, auch einen gescheiterten Putschversuch gegen die Präsidentin Ines Zenke durch ihren Gegenspieler Heiko Kretschmer. Machnig habe andere spüren lassen, dass er viele nicht für ebenbürtig hielt, dass ihm die Positionspapiere nicht passten, heißt es – aber zugleich wird auch eingeräumt, dass er enorm viel Expertise mitbringt, Expertise, die in der SPD seltener geworden ist.

Für Machnig stehen die Entwicklungen dort symptomatisch für vieles, was in der Bundes-SPD passiert. Zu viel Selbstbeschäftigung, Setzen auf falsche Themen, Posten- und Machtkämpfe, Vergraulen kluger Köpfe. Und wer einiges kritisch hinterfragt, hat es schwer. „Da erzählen viele in Fraktion und Regierung Sachen, die haben mit der Realität und der Gesamtsituation in Deutschland nichts zu tun“, sagt Machnig im Gespräch mit der SZ. Und zum Wirtschaftsforum meint er: „Die thematischen, inhaltlichen und kommunikativen Orientierungen sowie die Verbandskultur werden dem eigenen Anspruch, wirtschaftspolitische Impulse zu geben und Brücken zwischen Wirtschaft und Politik zu bauen, nicht gerecht.“

Die Kernfrage ist für ihn nicht das Verteidigen des Sozialstaats

Aus seiner Sicht bilde die SPD die Vielfalt der Gesellschaft und die sich ändernde Stimmung nicht mehr ab. Dies sei aber notwendig, um adäquate Antworten auf die Probleme zu finden. „Man braucht dazu die Kompetenzen aus der Breite der Gesellschaft. Leider hat sich das Problem sehr verschärft. Wer nicht auf Linie ist, wird an den Rand gedrängt.“ Statt den Fokus auf ein Verteidigen des Sozialstaats zu legen, komme es derzeit auf drei Dinge an: „Wie löse ich die Standortschwäche? Wie löse ich die Wettbewerbsschwäche? Und wie löse ich die Resilienzschwäche, mit den Abhängigkeiten im digitalen Bereich, bei Chips, Rohstoffen und Verteidigung?“  Aus seiner Sicht bräuchte es umgehend eine konzertierte Aktion, eine Reformagenda, auf die sich Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber verständigen. Auf die Frage, ob er denn aber zumindest Mitglied der SPD bleibe, antwortet Machnig: „Noch.“ Er fährt jetzt erst mal drei Wochen in den Urlaub nach China.

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