Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne. Es werden harte Jahre, daran ließ Finanzminister Markus Marterbauer bei der Vorstellung seines Doppelbudgets diesen Dienstag keinen Zweifel. Die neue Bundesregierung hat hier einen bemerkenswerten Kraftakt vollbracht, der eine Abkehr von der bisherigen Politik markiert – in zweierlei Hinsicht.
Die Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos verräumt die Gießkanne, mit der Schwarz-Grün in den vergangenen Jahren durch die Lande gezogen ist. Damit wird der europäische Sonderweg beendet, die extrem großzügigen Förderungen nach der Pandemie mit dem Argument der Inflationsbekämpfung noch länger weiterzuführen. Die neue Regierung geht allerdings nicht überall mit der nötigen Konsequenz vor. Dass etwa die Unterstützung für Pendler von derzeit zwei auf sechs Euro pro Kilometer erhöht wird, ist eine Fortsetzung der fragwürdigen Klientelpolitik und als Kompensation für den Klimabonus nicht zu rechtfertigen.
Auffällig ist aber vor allem der neue Ton – vorgetragen vom SPÖ-Finanzminister im Parlament, mitgetragen von allen anderen Kabinettsmitgliedern. Eine Stunde und 14 Minuten lang hat Markus Marterbauer das Zahlenwerk erklärt und Klartext gesprochen: Die Einsparungen von 6,4 in diesem und 8,7 Milliarden Euro im nächsten Jahr werde „jeder und jede spüren“, alle müssten etwas dazu beitragen.Er scheute sich nicht vor Kritik an der Vorgängerregierung und damit am Koalitionspartner ÖVP, tat dies aber nicht in Form eines Frontalangriffs. Es waren kurze, knappe Feststellungen, dass die Inflationsbekämpfung durch immer neue Transfers und Förderungen „wenig erfolgreich“ und „außerordentlich kostspielig für den Staatshaushalt“ gewesen sei. Seine an die Grünen gerichtete Kritik, dass Klimamaßnahmen „oft nicht ausreichend zielgerichtet“ gewesen seien, fiel recht milde aus. Marterbauers Rede zeigte: Diese Regierung ist hart in der Sache, aber verbindlich im Ton.
FPÖ-Chef Kickl ist abgetaucht
Dieser neue Stil ist auffällig und wird nach den ersten Wochen im Regierungsalltag weiter gepflegt. Marterbauer, aber auch andere Kabinettsmitglieder haben bisher der Versuchung widerstanden, in Interviews aufeinander loszugehen. Der Ökonom Marterbauer hat seine Feuertaufe bestanden, den Wechsel vom Wissenschaftler zum Politiker. Vizekanzler Andreas Babler hat seine Bewährungsprobe noch vor sich. Was er in der Kultur- und Medienpolitik umsetzen will, ist noch eine Leerstelle, die der SPÖ-Politiker rasch füllen sollte.
Angeführt von Kanzler Christian Stocker (ÖVP), tritt diese Dreierkoalition bisher unprätentiös auf und vermittelt den Eindruck, sich dessen bewusst zu sein, dass es aufs Arbeiten und nicht aufs Auftreten ankommt. Das ist eine Zäsur im Vergleich zu Sebastian Kurz. Denn nur wenn die Herausforderungen und Probleme angegangen werden, wird diese Regierung der FPÖ etwas entgegensetzen können.
Dabei hilft, dass in diesem Jahr keine Wahlen mehr anstehen und daher volle Konzentration aufs Regieren möglich ist. Hilfreich ist zudem, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl in den vergangenen Wochen abgetaucht und wegen der vertanen Regierungsmöglichkeit innerparteilich angeschlagen zu sein scheint. Mit einer nachhaltigen, gelebten Konsens- und Kompromisskultur hat diese Regierung die Chance, in Österreich das Vertrauen in die Politik wieder herzustellen. Das ist eine noch größere Aufgabe als die Budgetsanierung.
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