Donald Trumps erratisches Verhalten ändert die Verhältnisse in Ostasien: Nun nähern sich Japan, Südkorea und China an – drei Staaten, die einander eigentlich nicht mögen.
20. Juni 2025, 15:52 Uhr
Als US-Präsident Donald Trump diese Woche verfrüht vom G7-Gipfel in Kanada abreiste, galt das jährliche Treffen der mächtigsten Industriestaaten quasi als gescheitert. Denn was sollen Deutschland, Japan, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada – sowie das als Gast eingeladene Südkorea – schon ohne ihren wichtigsten Partner beschließen? In Abwesenheit der USA geht eh nichts: Das dürfte auch das Kalkül des US-Präsidenten hinter seinem spontanen Abflug gewesen sein.
Aber der G7-Gipfel könnte zumindest in einem Fall das Gegenteil beweisen. Im Schatten von Trumps Abreise trafen nämlich Shigeru Ishiba und Lee Jae Myung aufeinander. Die Regierungschefs von Japan und Südkorea – beide erst seit kurzer Zeit im Amt – waren sich trotz der geografischen Nähe ihrer Länder noch nie persönlich begegnet. Sie wollten vor allem beide jeweils mit Trump verhandeln. Dann aber sprachen sie miteinander – und zwar ungewöhnlich harmonisch für zwei Staaten, die eine schmerzhafte Geschichte teilen.
Eine belastete Geschichte
"In Südkorea beschreiben wir die Beziehung zu Japan oft als nah und doch fern", erklärte Lee. "Wie Nachbarn, die den Vorhof teilen: Unsere Beziehung darf nicht abbrechen." Lees Amtskollege Ishiba lächelte den Südkoreaner an: "Sie erscheinen die ganze Zeit im japanischen Fernsehen. Ich treffe Sie jetzt zum ersten Mal, aber es fühlt sich an, als wären wir uns längst begegnet!" Ishiba betonte auch: Die japanisch-südkoreanischen Beziehungen müssten unbedingt "hilfreich für die Welt" werden.
Es waren Sätze von womöglich großer Bedeutung. Japan und Südkorea verbindet eine Hassliebe. Durch beidseitigen Tourismus sind sie zwar eng verbunden. Aber noch immer belastet Japans koloniale Vergangenheit die Beziehung – von 1910 bis 1945 herrschte das Kaiserreich über die koreanische Halbinsel. Die Nachwehen wirken bis heute. Das ging so weit, dass sich die beiden Verbündeten der USA über die vergangenen Jahre ihren eigenen bilateralen Handelskrieg lieferten. Nun aber wird Freundschaft betont. Ein wichtiger Grund: die Eskapaden von Donald Trump.
Von Trump im Stich gelassen
Seit der US-Präsident diverse Staaten mit Zöllen überzieht, ist kaum eine Region der Welt so stark in ökonomische Unsicherheit gestürzt wie Ostasien. Sowohl gegen Japan als auch Südkorea verhängte Trump Zölle in Höhe von 20 Prozent. In Kanada wollten Lee und Ishiba hierüber mit Trump darüber sprechen. Daraus wurde nichts. Vom wichtigsten Partner fühlt man sich im Stich gelassen.
Dieses Gefühl ist in Ostasien derart präsent, dass sich Südkorea und Japan nicht nur untereinander, sondern sogar mit einem besonders großen Rivalen in der Nachbarschaft annähern. Ende März trafen sich Regierungsvertreter von Japan und Südkorea erstmals seit viereinhalb Jahren zu einem trilateralen Gipfel mit China. In Seoul erklärten die Staaten, nun "eng für weitreichende und hochrangige" Gespräche zu kooperieren, um ein "vorsehbares Umfeld für Handel und Investitionen" zu schaffen. Basis sollen die Normen der Welthandelsorganisation (WTO) bilden. Die Erwähnung der WTO sowie der "regelbasierten Weltwirtschaft" sind ein deutliches Signal Richtung US-Regierung.