Enthüllungen über den Einsatz von Servern des US-Softwarekonzerns Microsoft durch Israels Militär haben an einem Gelände des Unternehmens in den Niederlanden für eine Protestaktion gesorgt. Wie der »Guardian « berichtet, besetzten propalästinensische Aktivisten das Dach eines Microsoft-Datenzentrums nahe Middenmeer in der Region Nordholland. Fotos, die die Demonstranten der Gruppierung Geef Tegengas (Dagegenhalten) auf Instagram veröffentlichen, zeigen zudem eine Sitzblockade vor einem Einfahrtstor.
In einer Erklärung riefen die Aktivisten die Mitarbeiter des Rechenzentrums auf, »ihre Arbeit niederzulegen, bis alle israelischen Geheimdienstdaten von den Servern entfernt worden sind«.
Die Aktivisten beziehen sich bei ihrem Protest auf eine Recherche des »Guardian «, dem israelisch-palästinensischen »+972 Magazine « und dem hebräischsprachigen Portal »Local Call «. Die Medien hatten unter Berufung auf geleakte Microsoft-Dokumente berichtet, dass das Unternehmen in gigantischem Ausmaß Daten der Unit 8200, eines auf Überwachung spezialisierten Zweigs der israelischen Armee, in Microsofts Azure-Cloud speichert.
Hunderte Millionen Stunden Telefongespräche
Demnach wurden bis Juli dieses Jahres 11.500 Terrabyte israelische Militärdaten auf den Servern der Firma hinterlegt, darunter mutmaßlich ein großer Teil auf Servern in den Niederlanden und in Irland. Es handelt sich bei dem Material offenbar vor allem um Mitschnitte von Telefongesprächen zwischen Palästinensern. Den Medien zufolge entspricht die Datenmenge etwa 200 Millionen Stunden mitgeschnittenen Gesprächen in Form von Audiodateien.
Die Nutzung der Azure-Cloud durch die Unit 8200 war laut »Guardian« im Jahr 2021 vom Unit 8200-Kommandanten Yossi Sariel eingefädelt worden. Der Einheit wurde demnach eine abgeschottete Umgebung mit nahezu grenzenlosem Speicherplatz auf den Microsoft-Servern gewährt. Die eigenen Serverkapazitäten der israelischen Armee reichten für die enormen Mengen offenbar nicht aus.
Laut »Guardian« sollen Microsoft-Mitarbeiter in Sachen Azure-Cloud zeitweise täglich und auf verschiedenen Ebenen im Austausch mit Vertretern der Unit 8200 gestanden haben. Microsoft gibt laut »Guardian« dagegen an, man habe keine Kenntnis darüber gehabt, welche Art von Daten auf den Servern konkret gespeichert wurde.
Das Unternehmen steht für seine Kooperation mit Israels Militär bei Investoren unter Beobachtung, auch eigene Mitarbeiter äußerten Kritik. So berichtet der »Guardian« etwa, dass ein Mitarbeiter den Unternehmenschef Satya Nadella bei einer Keynote mit einem Zwischenruf unterbrochen habe: »Wie wäre es, wenn Sie zeigen, wie israelische Kriegsverbrechen durch Azure unterstützt werden?«
Der Konzern hatte zuletzt die Marke von vier Billionen US-Dollar (rund 3,5 Billionen Euro) Marktkapitalisierung geknackt.