News: VW, Halbleiter-Mangel in der Industrie, Sanktionen, Russland, Streit um Steuermilliarden, Lars Klingbeil

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Die Lage am Morgen Die Angst der Industrie vor der Halbleiterkrise

Heute geht es um die hektische Suche der Autohersteller nach neuen Chip-Lieferanten. Um die unter Sanktionen ächzende russische Wirtschaft. Und um das erstaunliche Vorleben der Faultiere.

24.10.2025, 05.31 Uhr

Eine Sorge mehr für Volkswagen

Als hätte die deutsche Automobilindustrie nicht schon genug Probleme. Den zerbröselnden Markt in China. Den knirschenden Umstieg auf die Elektromobilität. Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. Jetzt kommt möglicherweise eine Chipkrise hinzu.

Volkswagen-Konzernzentrale in Wolfsburg

Volkswagen-Konzernzentrale in Wolfsburg

Foto: Jochen Eckel / picture alliance

Weil der Anbieter Nexperia Lieferprobleme bei Halbleitern hat, fürchtet die Autoindustrie den schlimmsten Fall: Produktionsstopps. In Konzernzentralen suchen Taskforces hektisch nach alternativen Lieferanten (mehr hier ). Bei Volkswagen beispielsweise konnten die Beschäftigten in dieser Woche in einem Intranet-Eintrag lesen: »Vor dem Hintergrund der dynamischen Lage können Auswirkungen auf die Produktion kurzfristig jedoch nicht ausgeschlossen werden.«

Nicht auch das noch. So dürfte das Konzernchef Oliver Blume sehen. Er gilt als angeschlagen. Im Unternehmen sah man ihn als Star, als er im September 2022 neben dem Chefposten bei Porsche auch den an der VW-Konzernspitze übernahm. Doch zwei Jobs dieser Größenordnung zugleich waren einer zu viel. Seinen Porsche-Job gibt Blume zum Jahreswechsel ab. In einem lesenswerten Porträt beschreibt mein Kollege Alexander Demling, wie der Manager um seine Karriere kämpft. Blume, der mal beim Oberligisten VfL Lehre kickte, spielt bei Volkswagen gegen den Abstieg.

Im Werk Wolfsburg wird die Produktion heute übrigens vorübergehend ruhen. Der Konzern verweist auf eine »vorgesehene Inventurmaßnahme auf den Fertigungslinien der Modelle Golf und Tiguan«. Anfang der nächsten Woche soll die Fertigung wieder laufen, im Regelbetrieb. »Etwaige Auswirkungen aufgrund eines möglichen Engpasses bei der Verfügbarkeit von Bauteilen stehen damit in keinem Zusammenhang«, lässt ein Sprecher wissen. Soll bloß keiner glauben, Volkswagen hätte jetzt auch noch ein Lieferkettenproblem.

Die 18-Sekunden-Provokation

Nicht ausgeschlossen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin wieder mal ein Zeichen setzen will. Am frühen Abend drangen zwei russische Militärflugzeuge gestern kurzzeitig in den Luftraum Litauens ein. Nach 18 Sekunden verließen sie ihn wieder, wie die litauische Armee berichtet (mehr hier).

Rosneft-Ölförderanlage in Russland

Rosneft-Ölförderanlage in Russland

Foto: Bloomberg / Getty Images

Der Vorfall ereignete sich just nach jenem Tag, an dem US-Präsident Donald Trump weitreichende Sanktionen direkt gegen Russland verhängt hatte (hier dazu mehr). Sie treffen die russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil hart, verbieten sie doch jegliches Geschäft mit ihnen. Auch die EU hatte ein neues Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht.

Auf ihrem Gipfel verpflichteten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs gestern am späten Abend, den dringendsten Finanzbedarf der Ukraine künftig zu decken. Von der Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte ist in dem beschlossenen Abschlussdokument zur Ukraine allerdings nicht mehr explizit die Rede, wie meine Kollegen aus Brüssel berichten. Auch der dringende Auftrag an die EU-Kommission, konkrete Vorschläge zu entwickeln, fehle im Text. Darin heißt es nur noch, die Kommission werde »eingeladen«, neue »Optionen» für die finanzielle Unterstützung der Ukraine zu finden.

Und Putin? Erklärte, dass die Sanktionen gegen Russland »nicht wesentlich auf unser wirtschaftliches Befinden wirken«. Ein absehbarer Bluff? Oder ist die russische Wirtschaft tatsächlich so stabil? Antworten gibt eine Analyse meines Kollegen Benjamin Bidder aus der SPIEGEL-Wirtschaftsredaktion. »Nach Beginn der russischen Großinvasion wirkte es teils, als sei Russlands Wirtschaft unverwundbar«, schreibt er. »Doch der Wind hat sich gedreht.«

Zwei Fronten für Lars Klingbeil

Lars Klingbeil kämpft in diesen Tagen an zwei Fronten. Als SPD-Chef muss ihn bekümmern, dass es in seiner Bundestagsfraktion brodelt, nicht nur beim Eklat-Thema Wehrdienst. Es gibt Genossen, die finden, ihre Partei dürfe in der Koalition mit CDU und CSU nicht zu häufig nachgeben.

Vizekanzler Klingbeil (SPD)

Vizekanzler Klingbeil (SPD)

Foto: Clemens Bilan / EPA

Als Bundesfinanzminister muss er sich mit den Ländern auseinandersetzen. Wobei die Ministerpräsidenten finden, es sei Klingbeil, der dringend nachgeben sollte.

Aber von vorn: Soeben hat die Steuerschätzung gezeigt, dass allein der Bund sich für die Jahre 2025 bis 2027 über Mehreinnahmen von insgesamt rund acht Milliarden Euro freuen kann. Die werden in den beiden Folgejahren allerdings aufgezehrt, weil der Bund versprochen hat, die Länder zu entschädigen – für ihren Anteil an Steuererleichterungen, die bereits beschlossen sind (mehr hier ).

Doch die Landeschefs fordern mehr. Offen ist beispielsweise, wer für die nächsten absehbaren Steuerausfälle aufkommen wird. Sie entstehen, wenn die Regierung die Mehrwertsteuer in der Gastronomie senkt oder die Pendlerpauschale erhöht – Lieblingsprojekte der CSU. Auch in diesen Fällen fordern die Länder eine Kompensation.

Man darf darauf wetten, dass die Milliarden Thema sein werden, wenn heute die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder in Mainz endet – mit einem gemeinsamen Auftritt von Alexander Schweitzer (Rheinland-Pfalz, SPD) und Michael Kretschmer (Sachsen, CDU).

Lesen Sie hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel

  • China hat einen Plan. Der Westen nicht: Im Konflikt mit den USA sitzt China offenbar am längeren Hebel. Systematisch hat das Land die weltweite Vorherrschaft über Schlüsseltechnologien und kritische Rohstoffe erobert. Europa muss zuschauen. 

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Zeitgenössisches Faultier in Costa Rica

Zeitgenössisches Faultier in Costa Rica

Foto: Martin Woike / blickwinkel / M. Woike / picture alliance

…ist das Faultier. Entgegen anderslautender Vorurteile lungert es nicht den ganzen Tag nutzlos auf und an Bäumen herum. Ohne seine Ahnen gäbe es die Vielfalt der Regenwälder nicht. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass das urzeitliche Riesenfaultier nicht nur unheimlich groß (bis zu 6500 Kilogramm), sondern auch unheimlich fleißig war. In den Regenwäldern der Eiszeit hatte es sich auf Wurzeln und Knollen spezialisiert. Wenn es nach Futter buddelte, verteilte es ganz nebenbei Pilze und Samen im Boden. So sorgte es für Biodiversität, quasi als urzeitlicher Ökosystemingenieur. Als Fachkraft also, nicht als Faulpelz.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Trump will Nationalgarde doch nicht nach San Francisco schicken: US-Präsident Donald Trump verzichtet vorerst auf ein Eingreifen von Bundesbehörden in San Francisco. Die Stadt soll ihre Probleme zunächst selbst lösen. Der demokratische Bürgermeister reagiert versöhnlich.

  • Venezuelas Verteidigungsminister sieht CIA-Aktionen zum Scheitern verurteilt: Die CIA operiert bereits in Venezuela, da macht man sich in Caracas keine Illusionen. Zugleich schickt Minister Vladimir Padrino eine klare Botschaft an den Auslandsgeheimdienst der USA – und an Donald Trump.

  • FBI nimmt NBA-Trainer Chauncey Billups wegen Pokeraffäre fest: Es geht um gezinkte Karten, spezielle Kontaktlinsen und sogar einen Röntgentisch: US-Basketballcoach Chauncey Billups muss sich in einem Spielskandal verantworten. Parallel laufen Ermittlungen wegen illegaler NBA-Wetten.

Heute bei SPIEGEL Extra: Unter den Roten Khmer war privates Kochen verboten. Diese Frau will die kambodschanische Küche retten

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Privat

Kambodscha liegt zwischen Thailand und Vietnam, auch kulinarisch. Doch unter dem Terrorregime der Roten Khmer war Kochen für die meisten nur in kommunalen Gemeinschaftsküchen erlaubt, privates Zubereiten von Nahrung konnte mit dem Tode bestraft werden. Heute reist Ros Rotanak durchs Land und sammelt Rezepte .

Ich wünsche Ihnen einen prächtigen Start in den Tag.

Ihre Cornelia Schmergal, Ressortleiterin Wirtschaft

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