Dieses Audio ist derzeit nicht verfügbar.
Wir sind die Coolsten, wenn wir cruisen
Bald wird in den Kitas der Republik wieder dieser Evergreen angestimmt: »Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da!« Im Kanzleramt geht das Hei Hussassa schon heute Nachmittag los, wenn Friedrich Merz die Spitzenleute der Union versammelt, um den »Herbst der Reformen« vorzubereiten. Drei Stunden lang soll es darum gehen, wie man der SPD eine Reform der Sozialsysteme so schwer wie möglich machen kann, ohne dass auffällt, dass man selbst keinerlei Reformideen hat, außer erklärtermaßen »migrationskritisch und industriefreundlich« zu sein.

Fregatte »Sachsen-Anhalt«
Foto: Olaf Döring / IMAGOAußerdem steht am Vormittag eines der wichtigsten Regierungsprojekte auf dem Prüfstand: Der Haushaltsausschuss befasst sich in einer öffentlichen Anhörung unter anderem mit dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen zur Sanierung der Infrastruktur.
Wenn die Sachverständigen vor den Mikrofonen sitzen, wird die Fregatte »Sachsen-Anhalt« schon seit einer Stunde in Wilhelmshaven abgelegt haben. 150 Soldatinnen und Soldaten machen sich auf zum Unifil-Einsatz vor der libanesischen Küste, wo sie Waffenlieferungen an die Terrorgruppe Hisbollah verhindern sollen. Das Uno-Mandat erlaubt es aber nur, quasi vor der Küste zu cruisen und den Libanesen verdächtige Schiffe zu melden. »So schauen die Deutschen eigentlich nur zu, was so läuft«, schrieb mir unser Bundeswehr-Experte Matthias Gebauer. »Man darf sich schon fragen, warum wir angesichts der kritischen Lage in der Ostsee noch bei dieser weitgehend sinnlosen Mission mitmachen.«
Mehr Hintergründe: Merz will es der SPD »bewusst nicht leicht« machen
Von einer Präsidentschaft zur nächsten?
Gerade erst wurde Friedrich Merz danach gefragt, beim Tag der offenen Tür im Kanzleramt (hier mehr zum Thema): Wird 2027 endlich eine Frau Bundespräsidentin? »Das wäre gut«, so Merz. Nur wer? Die Kandidatinnenliste ist arg kurz.

Friedrich Merz und Ursula von der Leyen in Brüssel Anfang Mai
Foto: Piroschka Van De Wouw / REUTERSBundestagspräsidentin Julia Klöck...? Ok, schon gut.
Familienministerin Karin Prien wird oft gehandelt – warum nicht? Aber Unionsleute klingen nicht »on fire« bei ihrem Namen.
Ilse Aigner wiederum, aktuell Landtagspräsidentin in Bayern, wäre sehr interessiert. Und sie entfacht lodernde Flammen in CSU-Chef Markus Söder, nur leider kein Feuer der Leidenschaft, sondern das Gegenteil von Zuneigung. Zwischen Söder und Aigner gibt es unbezahlte Rechnungen. Er ist ihr größtes Hindernis auf dem Weg nach Bellevue. Für Merz würde diese Kandidatin richtig teuer (mehr zum Thema erfahren Sie hier ).
Doch in Regierungskreisen hieß es jüngst, dass der CDU-Chef noch einen ganz anderen Namen erwäge: Ursula von der Leyen. Gewiss, die EU-Kommissionspräsidentin wurde erst Ende 2024 neu gewählt, bei der Bundespräsidentenwahl im Februar 2027 verlöre sie also mehr als die Hälfte ihrer Amtszeit, und Deutschland die wichtigste Machtposition in Brüssel.
Doch ein paar Faktoren machen die Idee charmant, etwa für von der Leyen selbst: Sie hat sich schon bewiesen in Brüssel zwischen Green Deal und Ukraine-Hilfen, der Abgang wäre kein Abstieg. Und sie wäre abermals die Erste ihrer Art: erste Verteidigungsministerin, erste EU-Kommissionschefin und erste Bundespräsidentin – was für ein Weg! Nach zwei möglichen Amtszeiten wäre sie 77 Jahre alt, also wäre Bellevue ein krönender Karriereabschluss.
Die CDU wiederum könnte sich damit schmücken, nach der ersten Kanzlerin auch die erste Bundespräsidentin zu stellen. Zugegeben, viel Wärme strahlt von der Leyen nicht aus, dafür hat sie die intellektuelle Schärfe und präsidiale Würde, die das Amt verlangt. Vom Mangel an Alternativen ganz abgesehen.
Und so hätte Merz seinen theoretischen Worst Case verhindert: Was, wenn die Grünen Angela Merkel als Kandidatin vorschlagen?
Mehr Hintergründe: Von der Leyen verteidigt »starken, wenn auch nicht perfekten Deal« mit Trump
Stunde aus, Handy raus?
Seit geraumer Zeit wird über den Umgang mit Handys in Schulen gestritten. Erlauben? Verbieten? Wenn ja, ab welchem Alter? Zwar sehen alle Kultusministerinnen und -minister Handlungsbedarf, aber noch fanden sie keine einheitliche Linie.

Hoffentlich ist die Schule schon aus!
Foto:Max Slovencik / APA / picturedesk / picture alliance
Meine Kolleginnen Kathrin Fromm und Swantje Unterberg haben einen sehr nützlichen Überblick über die Regeln aller Länder zusammengestellt. Wie so oft im deutschen Föderalismus ist die Bildungswelt bunt: Mancherorts gibt es gar keine Vorschriften (Überraschung: Berlin!), anderswo sind sie noch in Arbeit (Baden-Württemberg) oder es werden erstmal »Handy-Gipfel« veranstaltet (Sachsen). Harte Verbote gibt es nur vereinzelt, etwa in Bremen (hätten Sie das gedacht?!), Hessen oder im Saarland. Die meisten Länder überlassen das Thema den Schulen.
Für die Landespolitik ist das der wohl billigste und bequemste Ausweg. Er lässt sich zwar schön mit Schlagworten wie Freiheit, Eigenverantwortung und maßgeschneiderten Lösungen verkaufen. Tatsächlich werfen die Regierungen aber nur heiße Kartoffeln an die Schulleitungen weiter. Die müssen sich nun anstelle der Politik aufreiben zwischen den Pro- und Contra-Handy-Fraktionen der Elternschaft.
Die ganze Geschichte hier: Welche Bundesländer Handys von den Pausenhöfen verbannen
Lesen Sie hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel
Grenzfälle in Serie: Die Linke bekommt ihr Antisemitismus-Problem nicht in den Griff. Die Parteiführung muss sich endlich ernsthaft darum kümmern.
Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz
Noch mehr Rätsel wie Wordle, Wortsuche und Paarsuche finden Sie bei SPIEGEL Games.
Verlierer des Tages…
…ist Ørsted. Nie gehört? Es handelt sich um einen dänischen Staatskonzern, einen der weltweit größten Betreiber von Offshore-Windparks. Ørsted hatte auch einen Auftrag für einen Windpark an der Küste des US-Bundesstaats Rhode Island erhalten, doch kurz vor Fertigstellung hat die Trump-Regierung das Milliardenprojekt mit dem Namen »Revolution Wind« gestoppt. Der europäische Konzern bleibt wohl auf den Kosten sitzen.

Baustelle für »Revolution Wind« im Hafen von Providence, Rhode Island.
Foto: Adam Glanzman / Bloomberg / Getty ImagesVerlierer sind in diesem Fall allerdings nicht nur die Dänen, oder die 350.000 Haushalte in Rhode Island und Connecticut, die der Park mit grünem Strom hätte versorgen können, oder das Anliegen des Klimaschutzes an sich.
Verlierer sind sämtliche Investoren grüner Großprojekte, denen dieser Fall klarmachen sollte: Mit dieser Regierung ist kein Verlass mehr auf einmal gemachte Zusagen oder Aufträge. Wenn ein Vorhaben in Washington nicht mehr zum neuen Zeitgeist passt, kann es jederzeit kassiert werden.
Dänisches Milliardenprojekt: Trump-Regierung stoppt Bau eines fast fertigen Offshore-Windparks

Max Slobodda / DER SPIEGEL