»Ja heißt Ja« – mais oui
Die #Me-Too-Bewegung, die im Jahr 2017 die USA und dann sehr bald auch Deutschland erfasste, hatte es in Frankreich vergleichsweise schwer. Doch manchmal verlaufen verspätete Entwicklungen besonders heftig.
Vergewaltigungsopfer Pelicot auf dem Weg zum Gericht in Avignon: Prozeß mit Konsequenzen
Foto: Christophe Simon / AFPAm Wochenende demonstrierten in vielen französischen Städten Zehntausende Menschen gegen Gewalt gegen Frauen. Auslöser war der auch international beachtete Vergewaltigungsprozess in Avignon. Hier wird dem Hauptangeklagten Dominique Pelicot vorgeworfen, seine frühere Frau Gisèle fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten bewusstlos gemacht, vergewaltigt und anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten zu haben. 50 weitere Männer sind angeklagt.
»Der Fall Pelicot hat die französische Öffentlichkeit über Monate so intensiv beschäftigt, da scheint kaum vorstellbar, dass er keine gesellschaftlichen Konsequenzen haben sollte«, sagt meine Kollegin Britta Sandberg, Leiterin des SPIEGEL-Büros in Paris, die seit Anfang September den Prozess am Ort selbst verfolgt. Umfrageinstitute hätten ermittelt, so Britta, der Prozess in Avignon sei gleich nach dem Ukrainekrieg und Putin das wichtigste Gesprächsthema der Franzosen gewesen.
Heute berät Frankreichs Nationalversammlung über einen Gesetzesentwurf, der das Strafrecht zu sexueller Gewalt und Vergewaltigung ändern soll. Darin soll das Prinzip »Ja heißt Ja« festgeschrieben werden – Sex wäre damit an eine deutliche Zustimmung gebunden.
Somit findet das Gespräch über die Grenzen zwischen zwei Menschen inzwischen überall statt: im Gericht, im Parlament, auf den Straßen und in den privaten Häusern und Wohnungen. Eine französische Revolution hat begonnen.
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Nützt es ihnen – zu regieren?
SPD und BSW haben sich in Brandenburg auf eine gemeinsame Regierung geeinigt. In Thüringen stellten CDU, SPD und wiederum das BSW schon vor knapp einer Woche ihren Koalitionsvertrag vor. Damit wird die neue Partei der ehemaligen Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht vermutlich an gleich zwei Regierungen beteiligt sein.
BSW-Chefin Wagenknecht: Oberflächlicher Erfolg
Foto: John Macdougall / AFPIst das ein Erfolg?
Oberflächlich betrachtet schon – bei genauerem Hinsehen wären Zweifel berechtigt. Die Partei war bei den drei Wahlen in Ostdeutschland im Herbst vor allem deswegen so erfolgreich, weil sie noch nicht etabliert ist.
Als Teil der Macht aber gegen die Mächtigen zu sein – das wird eine, sagen wir, herausfordernde Übung.
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Wahlchaos in Rumänien
Rumäniens Verfassungsgericht könnte heute die erste Runde der Präsidentenwahl annullieren, bei der am Sonntag überraschend der prorussische Rechtsradikale Calin Georgescu siegte. Zwei der unterlegenen Präsidentenkandidaten haben die Wahl angefochten. Sie werfen Georgescu vor, die Finanzierung seines Wahlkampfs nicht offengelegt zu haben.
Studierendenproteste gegen Rechtsradikalen Georgescu: Vom Ergebnis überrascht
Foto: Robert Ghement / EPAGeorgescu hatte vor allem auf der Internet-Plattform TikTok für sich geworben. Solche Online-Kampagne gelten als teuer. Rumänische Kommentatoren vermuten nun, Georgescus habe sich die Kampagne aus Russland finanzieren lassen.
Rumänien ist EU-Staat und Mitglied der Nato. Das allein wären zwei gewichtige Gründe für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die politische Lage dort beeinflussen zu wollen. Hinzu kommt: Rumänien teilt eine 650 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine.
Geografisch kann Putin die beiden Länder nicht auseinandertreiben. Politisch schon.
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Die Uno soll wieder ran. Wer auch sonst?: Beobachter der Vereinten Nationen sollen die Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz überwachen. Deutschland müsste sich entschiedener für das nach wie vor unverzichtbare Staatenbündnis einsetzen .
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Die Startfrage heute: Wer hat am 7. November 2024 das Amt des Bundesfinanzministers übernommen?
Gewinner des Tages…
…sind die Landräte und Bürgermeister der Bundesrepublik.
Oder sind sie die Verlierer? Es kommt auf die Sichtweise an.
Lars Klingbeil nutzt sie gern, um den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz schlecht aussehen zu lassen. Der sei ja noch nicht einmal Bürgermeister oder Landrat gewesen, sagte der SPD-Chef gestern im SPIEGEL-Interview. Ähnliche Bemerkungen sind auf Seiten der Genossen inzwischen häufig zu hören, sie scheinen verabredet zu haben, mit diesen Vergleichen immer wieder auf die mangelnde Regierungserfahrung des CDU-Chefs hinzuweisen.
Unionskanzlerkandidat Merz: Der ewige Vergleich
Foto:Tobias Schwarz / AFP
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihre Susanne Beyer, Autorin der Chefredaktion