1. Gute Führung, schlechte Führung
Seit Friedrich Merz (CDU) vergangenen Freitag überraschend verkündet hat, »bis auf Weiteres« keine Ausfuhren von Rüstungsgütern mehr an Israel zu genehmigen, »die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können«, ist die Sommerpause im politischen Berlin unterbrochen. Teile von CDU und CSU sind außer sich, weil sie die deutsch-israelische Freundschaft in Gefahr wähnen. Und sich nicht mitgenommen fühlen.
Gestern wollte Merz die erhitzten Gemüter beruhigen, indem er seine Entscheidung in einem Fernsehinterview erklärte. Doch sein Plan ging nicht auf.
Immer mehr prominente Unionspolitiker kritisieren den Kanzler oder widersprechen ihm (hier mehr dazu). Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) etwa teilte mit, die CDU in Hessen stehe uneingeschränkt an der Seite Israels. Man unterstütze deshalb das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen den Terror: »Die Terrororganisation Hamas stellt man nur im Kampf, nicht am Konferenztisch.«
Auch Hamburgs CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzender Dennis Thering hält Merz’ Entscheidung für falsch. Wer glaube, damit außenpolitische Stärke zu zeigen, verkenne die Wirkung: »Die Islamisten jubeln, Israel steht öffentlich am Pranger, und internationale Partner sind irritiert.«
SPIEGEL-Kolumnist Nikolaus Blome weist zu Recht darauf hin, dass sich viele in der CDU und der CSU nach der Kanzlerschaft von Angela Merkel einen Macher gewünscht hätten, einen, der entschlossen voranmarschiere. Nun, da Merz mehr oder weniger einsame Entscheidungen treffe, seien sie auch unzufrieden. Nikolaus schreibt: »Nach nur 100 Tagen Amtszeit dieser Regierung muss man also sagen: Entweder Friedrich Merz lernt einen anderen Führungsstil, oder seine Kritiker in der Bundestagsfraktion lernen Disziplin. Sie war ja stets eine bürgerliche Tugend und ist es noch, nicht wahr?«
Lesen Sie hier die ganze Kolumne: Führung bestellt, Merz bekommen
2. An der Belastungsgrenze
Im Schnitt jede Woche wird in Deutschland ein Untersuchungshäftling freigelassen – aber nicht etwa, weil er oder sie nicht mehr tatverdächtig ist, sondern weil das Verfahren zu lange dauert. Das haben meine Kolleginnen Kristin Müller und Ahlia Osuman durch eine Datenabfrage bei allen Landesjustizministerien herausgefunden.
Seit 2007 wurden demnach bundesweit 645 Fälle erfasst, in denen Untersuchungshäftlinge wegen einer überlangen Verfahrensdauer freigelassen wurden. In Wahrheit dürften es mehr gewesen sein. Denn die meisten Bundesländer erheben derlei Daten erst seit 2018.
Dass Verfahren nicht schneller erledigt werden, liegt meinen Kolleginnen zufolge daran, dass die Strafjustiz an ihre Belastungsgrenze kommt. Der Stapel an unabgeschlossenen Verfahren steigt jedes Jahr weiter an. Das liegt nicht nur am Personalmangel, sondern auch daran, dass immer mehr Straftaten zur Anzeige kommen und die einzelnen Verfahren immer komplexer werden.
Und jetzt? Zumindest der Deutsche Richterbund hofft auf die schwarz-rote Koalition, die den sogenannten Pakt für den Rechtsstaat im kommenden Jahr erneuern will. Dafür sollen die Länder bis 2029 insgesamt bis zu 450 Millionen Euro vom Bund erhalten – doppelt so viel wie bisher.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: So überlastet ist die deutsche Justiz
3. Die Maschinen stehen still
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat immer wieder unerwartete Folgen. Heute wurde etwa bekannt, dass an deutschen Flughäfen seit mehr als drei Jahren mehrere Flugzeuge stehen, die wegen der EU-Sanktionen gegen Russland nicht starten dürfen, unter anderem in Leipzig/Halle und in Köln/Bonn. Das Bundesverkehrsministerium bestätigte entsprechende WDR-Recherchen (hier mehr).
Bis die Maschinen wieder abheben können, muss einiges passieren: Putin müsste seinen Angriffskrieg beenden und die EU ihre Sanktionen aufheben.
Am Freitag wollen sich US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin persönlich treffen, in Alaska, um über das Ende des Ukrainekriegs zu verhandeln (worum es genau bei dem Treffen gehen soll und welche Rolle der US-Sondergesandte Steve Witkoff dabei spielt, lesen Sie hier ).
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in seiner letzten Videoansprache bereits erklärt, er halte das Treffen für einen Täuschungsversuch Moskaus. Er schätze die Entschlossenheit Trumps, den Krieg zu beenden. Dennoch sei der einzige Grund für das fortgesetzte Töten in der Ukraine der Wunsch Putins, Krieg zu führen »und alle zu manipulieren, mit denen er in Kontakt kommt«.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Diese russischen Flugzeuge stehen seit 2022 auf deutschen Flughäfen
Was heute sonst noch wichtig ist
Julia Klöckner und Jörg Pilawa sind ein Paar: Keine Regenbogenflagge auf dem Dach, dafür Schmetterlinge im Bauch: Medienberichten zufolge datet die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner den Fernsehmoderator Jörg Pilawa schon seit Wochen.
Kolumbianischer Präsidentschaftskandidat Miguel Uribe ist tot: Im Juni wurde der konservative Politiker Miguel Uribe in Bogotá bei einem Wahlkampfauftritt angeschossen. Nun ist er seinen Verletzungen erlegen. Uribes Ehefrau verabschiedet sich via Instagram auf emotionale Weise.
AOL stellt Internetzugang per Modem ein: Schluss mit Brumm, Pfeif, Tüüt. Nach 34 Jahren streicht der Onlinedienst AOL die Möglichkeit, sich per Modem ins Internet einzuwählen. Erstaunlicher als die Ankündigung ist, dass es diese Option überhaupt noch gab.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Muss man das einfach nur aushalten?

Genervter Teenager: Während der Pubertät kommt es zu großen neuronalen Umbauprozessen
Foto: Ute Mans / plainpictureKommen Kinder ins Teenageralter, erscheinen sie plötzlich distanzierter und geben patzige Antworten. Meine Kollegin Natalie Klüver hat Expertinnen und Experten befragt, warum das eigentlich so ist und wie Eltern am besten mit der neuen Situation umgehen. Eine Psychologin spricht etwa vom Elternhaus als »Trainingslager«, als sicherem Rahmen, in dem Jugendliche sich ausprobieren können. Statt Belehrungen und Strafen sei es wichtiger, den Jugendlichen vorzuleben, wie man miteinander umgehen möchte. Auch die Frage »Was brauchst du?« könne manchmal Wunder wirken.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Ist das noch Pubertät oder schon unhöflich?
Was heute weniger wichtig ist

Sänger Schwalm, Gliem 2019 in Hamburg: Kleiner Rosenkrieg
Foto:Hein Hartmann / Geisler-Fotopress / picture alliance

Aus dem »Westfälischen Volksblatt«

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Klaus Suttmann

Rapper Gzuz: Heldenreise der Superlative?
Foto:Amazon MGM
Gzuz, Mitglied der Rap-Combo 187 Straßenbande, ist einer der umstrittensten Rapper Deutschlands. Er ist mehrfach vorbestraft und verurteilt, derzeit auf Bewährung. Und er ist Protagonist der neuen Amazon-Prime-Doku »Gzuz – Licht und Schatten«. »Dokumentation« ist im Grunde nicht der richtige Begriff, es ist eher eine dieser Pseudodokus, in denen Prominente sich so zeigen, wie sie gern von der Welt gesehen werden möchten. Meine Kollegin Anna Weiß hat sie gesehen , sie schreibt: »Dass der Film trotzdem interessant ist, liegt daran, dass mit einer dermaßen krassen Hauptfigur wie Gzuz diese Inszenierung nicht funktioniert. Es scheint gar, als durchkreuze die bloße (und brachiale) Präsenz von Gzuz permanent die Idee einer Heldenreise.«
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Laura Backes, Autorin
Niemandem verpflichtet außer Ihnen
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