1. SPD – die ehrliche Partei Deutschlands?
Die SPD will am Abend bei ihrem Parteitag eine neue Doppelspitze wählen: Bärbel Bas und Lars Klingbeil treten, wenn alles klappt, in die sehr unterschiedlich großen Fußstapfen von Vorgängern wie Kurt Schumacher, Willy Brandt, Kurt Beck und Andrea Nahles. Klingbeil, der die Partei schon seit 2021 führt, muss mit einem mauen Ergebnis rechnen. Für schlechte Zahlen hat sich in der Politpoesie die Phrase »ehrliches Ergebnis« durchgesetzt.
Ein Blick ins Archiv verrät: Geprägt hat die Phrase wohl Helmut Schmidt 1998; damals kürte die SPD Gerhard Schröder zum Kanzlerkandidaten, mit 93 Prozent – damals ziemlich schlecht. Das »ehrliche Ergebnis« wurde zur Standard-Floskel in der SPD, wenn die Partei einen neuen Chef oder eine neue Chefin brauchte. Spin-Doktoren bemühten sie, als Schröder 2003 nur 80 Prozent bekam, aber auch 2009 bei Sigmar Gabriel mit seinen 78 Prozent und 2018 bei Nahles mit ihren 66 Prozent. (Warum Schröders Gesundheitszustand gerade zum Politikum wird, lesen Sie hier .)
So viel Ehrlichkeit muss weh tun, vor allem Klingbeil. »Er hat in der SPD viele Unterstützer«, sagt meine Kollegin Sophie Garbe, die vom Parteitag berichtet. »Vor allem im linken Flügel sehen viele aber kritisch, dass er trotz Niederlage bei der Bundestagswahl die Macht an sich gezogen und Führungsposten mit Getreuen besetzt hat.« Noch ehrlicher als die SPD sind nur ihre Wählerinnen und Wähler.
Lesen Sie hier mehr: Das sind die großen Streitthemen auf dem SPD-Parteitag
2. RTL – der erfolgreichste Sender Deutschlands?
RTL kauft den Pay-TV-Sender Sky Deutschland – und hüpft damit aufs Podest der hiesigen Streaminganbieter, hinter Netflix und Amazon Prime. »Zahlen soll RTL dafür 150 Millionen Euro sofort und bis zu 377 Millionen Euro eines variablen Nachschlags, angepasst an den Börsenkurs von RTL«, berichten meine Kollegin Vicky Bargel und mein Kollege Christian Buß . »In der Branche gilt das als Schnäppchen.« Mit der Übernahme gehen auch die Übertragungsrechte der 1. und 2. Bundesliga und des DFB-Pokals an RTL. Es ist aber davon auszugehen, dass die Bundesliga weiter ein Bezahlangebot bei Sky bleibt. Noch unklar ist, ob alle Formel1-Rennen wieder im Free-TV zu sehen sein werden.
»Wir sehen uns als klaren nationalen Medienchampion in Deutschland, der alle Voraussetzungen und Ressourcen hat, um im Wettbewerb mit den US-Plattformen zu bestehen«, sagt Thomas Rabe, der Chef der RTL Group in Deutschland und des Mutterkonzerns Bertelsmann (der wiederum auch am SPIEGEL beteiligt ist, ganz liebe Grüße nach Gütersloh).
Die Formulierung ist in etwa so abwechslungsreich wie das RTL-Nachmittagsprogramm: »Nationaler Medienchampion« wollte Rabe auch schon beim Kauf des Verlages Gruner + Jahr vor vier Jahren werden. »Heute gilt die Fusion als eine Zerschlagung von Gruner + Jahr, diverse Magazintitel wurden eingestellt oder verkauft«, sagt Vicky. Aus dem RTL-Kosmos waren zuletzt Schreckensmeldungen zu hören: Man könne betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausschließen, hieß es. »RTL Direkt« wurde eingestellt, die Fakt-Checking-Abteilung beim »Stern« soll geschlossen werden.
Vielleicht guckt jemand mit Thomas Rabe mal eine Box-Übertragung auf Sky: Dort wird nicht derjenige zum Champion, der durch den Ring taumelt, wahllos zuschlägt und brüllt, er sei der Champion. Sondern derjenige, der gewinnt.
Lesen Sie hier mehr: RTL jagt die mittelalten Männer
3. Yes, Jeff
Amazon-Gründer Jeff Bezos heiratet heute die Moderatorin Lauren Wendy Sánchez. Nähern wir uns der Sache mit dem angemessenen Ernst: Bezos ist bekanntermaßen flüssig (geschätztes Vermögen 220 Milliarden Dollar). Da liegt es nah, dass er in Venedig in den Hafen der Ehe schaukelt (hier ein Video dazu). Die Hochzeit ist Jeff-Sache: Die Stadt hat ganze Gegenden abgeriegelt und den Schiffsverkehr auf den Kanälen eingeschränkt. Das Paar bezog Quartier im Luxushotel »Aman« am Canal Grande; Prominente wie Ivanka Trump, Kim Kardashian, Oprah Winfrey, Bill Gates und Leonardo DiCaprio reisten an.
»Die Feierlichkeiten und alle Beteiligten werden weitgehend abgeschirmt«, berichtet meine Kollegin Miriam Khan aus Venedig. »Viele Anwohner, die wegen gesperrter Brücken Umwege laufen müssen, beschweren sich lautstark darüber.« Es gibt auch Proteste von Leuten, die den Kanal voll haben. Zu den teuersten Hochzeiten gehört Bezos' Lagunen-Sause allerdings nicht (hier mehr dazu ).
Hoffen wir, dass die Ehe nicht den Bach runtergeht. Anderseits: Geld sinkt nicht.
Was heute sonst noch wichtig ist
Mindestlohn soll in zwei Stufen auf 14,60 Euro steigen: Der gesetzliche Mindestlohn soll bis 2027 in zwei Schritten auf 14,60 Euro pro Stunde angehoben werden. Dies sieht ein Beschluss der Mindestlohnkommission vor. Er muss formell noch vom Arbeitsministerium umgesetzt werden.
USA und China lockern Handelsbeschränkungen: Der Handelskrieg zwischen Peking und Washington hält die Welt seit Monaten in Atem. Nun gibt es eine Vereinbarung zwischen den beiden größten Volkswirtschaften. Trump ließ zunächst viele Fragen offen.
3000 Bewohner des Inselstaats Tuvalu beantragen Klimavisum: Es gibt nur 280 Plätze, aber Tausende haben sich um eine dauerhafte Übersiedlung von Tuvalu nach Australien beworben. Die Atolle könnten in den kommenden Jahrzehnten unbewohnbar werden.
Meine Lieblingsglosse heute: Berlin will endlich funktionieren
Freitags finden Sie hier immer die Kolumne »So gesehen« meines Kollegen Stefan Kuzmany als Teil der Lage am Abend. Heute schreibt Stefan darüber, wie sich die Berliner Verwaltung reformieren will:

Berlins Regierender Bürgermeister Wegner
Foto: Clemens Bilan / EPANach der Zustimmung des Berliner Abgeordnetenhauses zu einer umfangreichen Verwaltungsreform können sich die Bürgerinnen und Bürger der Hauptstadt auf umfangreiche Verbesserungen des Alltagslebens freuen. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach von einem wichtigen und historischen Tag: »Wir beschließen heute das Fundament für eine funktionierende Stadt.«
Mit dem Reformprojekt soll unter anderem klar geregelt werden, welche Aufgaben von welcher Verwaltung übernommen werden und wofür der Senat und wofür die Bezirke zuständig sind. Bisher waren anfallende Aufgaben randomisiert an Behördenstandorte im gesamten Stadtgebiet verteilt worden – von dieser »lieb gewonnenen Methode« werde man sich nun trennen. Auch die langen Wartezeiten für Termine auf Bürgerämtern zur Ausstellung von Ausweisdokumenten sollen bald der Vergangenheit angehören. Wer nach 18 Monaten noch keinen Termin habe, dürfe sich seinen Pass künftig selbst zu Hause ausdrucken, kündigte Wegner an: »Berlin wird auch auf diesem Feld Kreativhauptstadt.« Ein ähnliches Prinzip soll bei der Bekämpfung von Unterrichtsausfällen an Berliner Schulen gelten, wo sich die Schülerinnen und Schüler bei Abwesenheit von Lehrkräften gegenseitig selbst unterrichten sollen. Deutliche Verbesserungen kündigte der Regierende zudem bei der Müllentsorgung an, die künftig nach dem »Berliner Schlüssel« erfolgen soll. Dieser sieht vor, dass Altglas, Papier- und Restmüll bald mindestens alle vier Wochen abgeholt werden. Diese Garantie gelte zwar vorerst nur abwechselnd reihum für die einzelnen Bezirke, sei aber »schon einmal ein Anfang«.
Erste Veränderungen sollen möglicherweise bereits ab dem Jahr 2035 spürbar werden, auf ein genaues Datum wollte sich Wegner allerdings nicht festlegen: »Wir sind hier immer noch in Berlin.«
Was heute weniger wichtig ist

Robert Habeck
Foto: Julia Steinigeweg / DER SPIEGELLampenlieber: Der ehemalige Vizekanzler Robert Habeck, 55, wird Talkmaster am Berliner Ensemble, wie das Theater mitteilte. In der kommenden Spielzeit will er in einer »regelmäßigen Sonntagsmatinee« über große Fragen diskutieren. Zur ersten Runde »Habeck live« sollen Anne Will, 59, und Volker Wissing, 55, kommen. Der Gastgeber habeckt bei Instagram: »Vorgenommen habe ich mir lange, tiefe, ruhige Gespräche mit Leuten, die uns den Hintergrund für all die Krisen, Konflikte und Aufregung unserer Zeit vielleicht ein bisschen erklären oder zumindest aufhellen können.«
Mini-Hohlspiegel

Aufschrift auf einer mobilen Toilette in Nürnberg
Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.
Das Wabenrätsel

Bei unserem Wabenrätsel sind heute wieder neun Begriffe zu finden. Als Leser und Leserin unserer Lage am Abend erfahren Sie einen Buchstaben vorab. Der Erste bei der warmen Quelle ist ein T. Hier können Sie spielen!
Cartoon des Tages

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Chappatte

Serie »The Bear«: Geschmacksnerver?
Foto: Disney+Könnten Sie die neue Staffel »The Bear« gucken, die jetzt bei Disney+ abrufbar ist. Mein Kollege Oliver Kaever ist zwar nicht überzeugt: »Ein Dialog-Tsunami, der die Ohren qualmen lässt – und dringend einen Schlusspunkt bräuchte«, schreibt er über die Serie . Ich hingegen bin Fan und jauchze bei jedem »Yes, Chef« innerlich.
Oder Sie kochen selbst, vielleicht Seezunge mit Pfifferlingen und Vongole auf kurz geschmortem Feldsalat (hier geht es zum Rezept ).
Ich wünsche Ihnen ein Wochenende voller Genuss. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion