News des Tages: SPD, Ministerposten, Rumänen, Sean »Diddy« Combs

vor 7 Stunden 1

Podcast Cover

1. Neu, jung, unbekannt

Ich gebe zu, auch als intensiver Beobachter der deutschen Politik musste ich heute einige der Personen erst googeln, mit denen die SPD parteiinterne Posten besetzen oder das Kabinett vervollständigen will. Oder haben Sie schon mal von Tim Klüssendorf gehört? Er soll wohl Matthias Miersch als Generalsekretär ablösen, der wiederum den Fraktionssitz übernimmt.

Verena Hubertz wird Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Stefanie Hubig Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. Die Antirassismusbeauftragte Reem Alabali-Radovan wechselt als Ministerin ins Entwicklungshilferessort (hier eine Übersicht der Top-Personalien ).

Dieses Ministerium hätte auch die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken gern übernommen. Doch Lars Klingbeil, der neue starke Mann in der Partei, ließ sie eiskalt auflaufen. Vergessen, dass es Esken war, die die Partei nach dem Abgang von Andrea Nahles nach jahrelangem öffentlichen Gezänk wieder vereint hat. Vergessen, dass sie 2021 Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten gemacht hat, obwohl die beiden politisch nicht viel verband. Vergessen, wie sie in all den Jahren loyal zur Ampelregierung stand. »Der Umgang mit Esken in den vergangenen Wochen war unwürdig«, schreibt mein Kollege Christian Teevs in seinem Kommentar.

Neue Gesichter sind per se nichts Schlechtes, noch dazu, wenn sie jünger sind und andere Perspektiven mitbringen. Doch die Neuen sind alle Friends of Lars, die »Frols«, so Christian. So wie einst die »Frogs«, die Friends of Gerd in Schröders Kanzlerschaft. Sie sind ihrem Vorsitzenden treu ergeben, arbeiten ihm zu und sammeln Truppen.

Das Sammeln dürfte mit dem heutigen Tag nun schwieriger werden. Denn wie soll man geschlossen auftreten, wenn man öffentlich einen erheblichen Teil der Partei dermaßen verprellt? Meine Prognose: Die SPD wird wieder zu dem zerstrittenen Haufen, der sie vor Jahren einmal war. In der Ampel zerlegten sich die Parteien untereinander. Jetzt reicht allein die SPD. Für die neue Regierung denkbar schlechte Voraussetzungen.

2. Rumänien auf der Kippe

In Rumänien musste die Präsidentschaftswahl wiederholt werden. Das Verfassungsgericht des Landes hatte entschieden, dass der damals im ersten Wahlgang stärkste Kandidat, der rechtsextreme Călin Georgescu, nicht mehr antreten darf, weil sein Wahlkampf von Russland beeinflusst wurde. Die Wahl wurde annulliert.

Im Resultat könnte das Land aus europäischer Sicht vom Regen in die Traufe kommen. Der im Februar zurückgetretene rumänische Staatspräsident Klaus Johannis, ein deutschstämmiger Siebenbürger, war nach zehn Jahren zunehmend unbeliebt. Sein möglicher Nachfolger könnte nun der 38-jährige Rechtspopulist George Simion werden, der bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl mit knapp 41 Prozent vorn liegt und in der Stichwahl gegen den liberalen Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan antritt. Zum Vergleich: Georgescu erhielt im ersten Wahlgang nur knapp 23 Prozent der Stimmen.

Rumänien spielt als EU- und Nato-Mitglied an der Grenze zur Ukraine eine strategisch wichtige Rolle. Simion, ein Nationalist und Bewunderer Donald Trumps, lehnt militärische Unterstützung für die Ukraine ab und steht ideologisch zwischen Trump und Putin. Er hat das Wählerpotenzial Georgescus übernommen. Simion will ihn durch ein Referendum, Neuwahlen oder eine Koalition als Ministerpräsidenten wieder an die Macht bringen. Er fordert eine Vereinigung Rumäniens mit Moldau und hetzt gegen die ungarische Minderheit. Seine Präsidentschaft könnte die transatlantische Ausrichtung Rumäniens gefährden und das Land zu einem weiteren Unruheherd in Europa machen. Die Stichwahl am 18. Mai wird über die künftige politische Richtung Rumäniens entscheiden.

Die EU hat sich nach Trumps Wahlsieg zum Ziel gesetzt, selbstbewusster und geeinter aufzutreten. Leichter ist das nach dem ersten Wahlgang in Rumänien auch nicht geworden.

3. Vom Rapper zum Raper?

Seit heute steht der frühere Rapper Sean »Diddy« Combs »wegen sexueller Belästigung« in New York vor Gericht. Diese Formulierung aus der Tagesvorschau der Agenturen klingt fast verharmlosend, denn es geht um schockierende Vorwürfe.

Die Staatsanwaltschaft in New York beschuldigt ihn des Sexhandels, der Prostitution und Organisierter Kriminalität. In der mehr als zehnseitigen Anklageschrift ist zudem von sogenannten »Freak-offs« die Rede: mehrtägigen Sexorgien in Hotels oder auf Partys, bei denen Menschen unter Drogen gesetzt und so gefügig gemacht worden sein sollen.

Seit mindestens 2008 soll Combs Menschen genötigt sowie eine kriminelle Gruppe angeführt haben, die in Verbindung mit Zwangsarbeit, Entführung, Bestechung und Brandstiftung gebracht wird. Wer sich widersetzt habe, sei bedroht, geschlagen und mit kompromittierenden Videos erpresst worden.

Bei den Razzien bei ihm zu Hause fanden sich Schusswaffen samt Munition, darunter in einem Wandschrank drei halb automatische AR-15-Gewehre mit entfernten Seriennummern, außerdem Drogen und mehr als 1000 Flaschen Babyöl, Gleitmittel und Betäubungsmittel. Meine Kollegin Anna Ehlebracht hat in einem Überblick die wichtigsten Fakten zum Prozessauftakt zusammengetragen.

Combs sitzt seit Mitte September in Untersuchungshaft. Er streitet die Vorwürfe ab. Der 55-Jährige lehnte einen außergerichtlichen Vergleich ab, seine Anwälte zeichneten für den Rapper im Vorfeld das Bild eines angeblichen »Swinger-Lifestyles«.

Bei Verurteilung droht ihm eine lebenslange Haftstrafe.

Was heute sonst noch wichtig ist

Mein Lieblingsinterview heute:

Von 2014 bis 2022 war Janette Fuchs parteilose Bürgermeisterin in Todtmoos im Schwarzwald. Während ihrer Amtszeit stellte sie fest, dass sie zwei Gehaltsstufen niedriger eingruppiert wurde als ihr männlicher Vorgänger.

 »Da war mir klar, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht«

Todtmoos im Schwarzwald: »Da war mir klar, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht«

Foto:

HorstBingemer / Getty Images

Auch ihr Nachfolger erhielt nach ihrem Abgang ein höheres Salär als sie zu Beginn ihrer Amtszeit. Fuchs wurde stutzig und klagte. Mit Erfolg: Ihr müssen 43.500 Euro nachgezahlt werden. Meinem Kollegen Sebastian Stoll hat sie erzählt, wie sie argumentierte und welche Erfahrungen sie als Bürgermeisterin macht.

Was heute weniger wichtig ist

Aus der Coburger »Neuen Presse«

Aus der Coburger »Neuen Presse«

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

Foto: Klaus Stuttmann
Olaf Scholz

Olaf Scholz

Foto:

Chris Emil Janssen / picture alliance

Könnten Sie um 21 Uhr im Koalitionsblog auf SPIEGEL.de den Zapfenstreich schauen, mit dem Olaf Scholz als Bundeskanzler verabschiedet wird. Sie werden hören : »In My Life«, ein Titel aus der Feder von John Lennon und Paul McCartney vom Album »Rubber Soul« aus dem Jahr 1965. Außerdem hat sich Scholz einen Auszug aus dem Zweiten Brandenburgischen Konzert von Johann Sebastian Bach gewünscht. Und schließlich Aretha Franklins Hit »Respect«. Der Song stammt von Otis Redding. Es geht ursprünglich um einen Mann, der von seiner Frau zu Hause Anerkennung erwartet, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Ob das eine versteckte Botschaft an seine Frau Britta Ernst ist?


Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich

Ihr

Janko Tietz, Ressortleiter Nachrichten

Gesamten Artikel lesen