News: Annalena Baerbock, Uno, Donald Tusk, Wahl, Polen, Drohnen-Angriff, Ukraine, Russland

vor 2 Tage 2

Feministische Anschlussverwendung

Was kommt nach der Spitzenpolitik? Manchmal ist die Suche nach einer »Anschlussverwendung« (herrlich deutsches Wort) für Politikerinnen und Politiker wahrlich keine einfache. Aber manchmal fällt sie doch spitzenmäßiger aus als das Amt, das sie bekleideten. Etwa in puncto Bezahlung oder internationalem Ansehen. Und oft genug ist sie Gegenstand kontroverser Debatten, vor allem bei Wechseln zu Topjobs in der Wirtschaft.

Annalena Baerbock nach ihrer Wahl zur Präsidentin der Uno-Generalversammlung

Annalena Baerbock nach ihrer Wahl zur Präsidentin der Uno-Generalversammlung

Foto: Richard Drew / AP

Die Älteren erinnern sich: Das war bei Ronald Pofalla so, der nach seiner Zeit als Kanzleramtsminister Vorstand bei der Deutschen Bahn wurde; Aufregung gab es auch bei dem Grünen Rezzo Schlauch, der nach der aktiven Politik zum Energieunternehmen EnBW wechselte; oder Gerhard Schröder, der – Sie wissen schon.

Der Fall der ehemaligen deutschen Außenministerin Annalena Baerbock – sie kommt bekanntlich aus dem Völkerrecht und steht für eine »feministische Außenpolitik« – ist anders gelagert. Dennoch berührt auch er eine moralische Frage. Eigentlich wollte Baerbock einen »Schritt aus dem Scheinwerferlicht« machen, wie sie nach der Wahl bekannt gab. Nun wurde sie gestern zur neuen Präsidentin der Uno-Generalversammlung gewählt. Eine andere Frau, die bereits als gesetzt galt, musste deshalb weichen: die angesehene deutsche Diplomatin Helga Schmid, die Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der OSZE war und etwa das Atomabkommen mit Iran ausgehandelt hat. (Mehr dazu, wie sich Baerbock ihren Posten in New York gesichert hat, erfahren Sie hier .)

Christoph Heusgen, ehemaliger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, nannte das ganze Prozedere »unverschämt«. Die Uno sei doch kein Selbstbedienungsladen, sagte er im SPIEGEL-Spitzengespräch.

Vielleicht muss man das Ausstechen einer Untergebenen als einen besonders radikalen Fall von feministischer Außenpolitik sehen. Aber vielleicht ist mittlerweile die Frage wichtiger, was Baerbock in New York bewirken kann. Für meine Kollegin Amalia Heyer, die die Wahl gestern bei den Vereinten Nationen beobachtet hat, ist Skepsis angebracht. Als Motto ihrer Präsidentschaft, so berichtete Amalia, gab Baerbock jedenfalls die doch recht selbstverständliche Formel »Better together« (zu Deutsch: Besser gemeinsam) aus.

Stehen Polen Neuwahlen bevor?

Im Herbst 2023 atmete das liberale Europa auf, als Donald Tusk die Wahl gewann: Überall in Europa erstarkten die Rechtspopulisten – Polen wählte sie ab und machte vor, dass der autoritäre, gesellschaftlich polarisierende Weg umkehrbar sein konnte. Auch die Europawahl 2024 entschied Tusks Bündnis für sich.

Polens Ministerpräsident Tusk am Wahlabend

Polens Ministerpräsident Tusk am Wahlabend

Foto: Sergei Gapon / AFP

Doch mit der Wahl des Rechtskonservativen Karol Nawrocki als neuen Präsidenten haben die Polinnen und Polen jetzt deutlich gemacht, dass sie mit der Tusk-Regierung unzufrieden sind. Viele wichtige Reformvorhaben bekam sie nicht durch, auch weil sie der nationalkonservative Noch-Präsident Andrzej Duda blockierte. Dabei war dieser noch ein »recht umgänglicher Präsident«, wie mein Kollege Jan Puhl analysiert – Nawrocki halten viele politische Beobachter für kompromissloser. (Hier  erfahren Sie mehr darüber, was politisch von Nawrocki zu erwarten ist.)

Schon haben die Rechtspopulisten die nächste Parlamentswahl 2027 im Visier – »wenn die Regierung überhaupt so lange durchhält«, schreibt Jan. Donald Tusk steht unter Druck und sucht jetzt offenbar nach einem Befreiungsschlag nach der Niederlage. Er hat angekündigt, die Vertrauensfrage im Parlament zu stellen. Dass der Ministerpräsident scheitert und es zu Neuwahlen kommt, gilt als eher unwahrscheinlich. Die Abstimmung dürfte dazu dienen, die Geschlossenheit der Regierung zu demonstrieren. Für Tusk wird das Regieren schwierig bleiben.

Lesen Sie dazu auch den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel

  • Wir gegen die: Das liberale Europa steht der Herausforderung durch Populisten planlos gegenüber. So erschütternd wie der Wahlsieg des nationalkonservativen Präsidentschaftskandidaten Karol Nawrocki ist die Hilflosigkeit seiner Gegner. 

Der ukrainischen Spinne ins Netz gegangen

Wenn diese Szenen in einem Agententhriller vorkämen, würde man sie für etwas übertrieben halten: Dutzende mit Sprengstoff beladene Drohnen steigen aus Lastwagen auf und greifen nahezu zeitgleich mehrere Luftwaffenstützpunkte des Feindes an – in dessen Land.

Satellitenbild des angegriffenen Militärstützpunktes Iwanowo in der russischen Region Iwanow östlich von Moskau

Satellitenbild des angegriffenen Militärstützpunktes Iwanowo in der russischen Region Iwanow östlich von Moskau

Foto: AFP

Einen Tag, bevor sich Ukrainer und Russen zu weiteren Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Istanbul treffen sollten (der keine bedeutsamen Fortschritte brachte), ist dem Geheimdienst der angegriffenen Ukraine am Sonntag dieser atemberaubende Coup gelungen: Knapp 120 Drohnen wurden in den Dächern von Lkw in Holzkonstruktionen versteckt und nach Russland geschafft. Die Holzkonstruktionen wurden anschließend per Fernsteuerung geöffnet und die Drohnen flogen los.

Der Schaden durch die »Operation Spinnennetz«  für Russland ist beträchtlich, wie meine Kolleginnen und Kollegen in ihrer lesenswerten Rekonstruktion des Angriffs zusammengetragen haben: Die Ukrainer wollen 41 Flugzeuge zerstört oder beschädigt haben, darunter vor allem strategische Bomber. »Selbst, wenn sich nur die Hälfte der 41 Treffer bestätige, hätte das erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit Russlands, die Ukraine anzugreifen und gleichzeitig die nukleare Abschreckung gegenüber der Nato und Japan aufrechtzuerhalten«, zitiert das Autorenteam einen Luftwaffenexperten. Das militärisch vermeintlich überlegene Russland offenbart einmal mehr eklatante Sicherheitslücken.

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Noch mehr Rätsel wie Wordle, Wortsuche und Paarsuche finden Sie bei SPIEGEL Games.

Verliererin des Tages…

Foto: DPA/EPA

…ist die Nasa. Auch die amerikanische Weltraumbehörde soll die Kettensäge der Regierung von US-Präsident Donald Trump zu spüren bekommen. Das Budget soll laut Haushaltsplänen des Weißen Hauses um ein Viertel gekürzt, ein Drittel aller Angestellten sollen entlassen werden. Streichungen würden auch die Europäische Weltraumbehörde Esa betreffen – bereits vereinbarte gemeinsame Projekte könnten bedroht sein. Der Kampf Trumps gegen die Wissenschaft wird zum Markenkern seiner zweiten Amtszeit.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Klingbeil kündigt schärferen Kampf gegen Schwarzarbeit an: Der Zoll stellt am Dienstag seine Jahresbilanz 2024 vor. Finanzminister Lars Klingbeil ist sicher, dass man mehr tun kann, um gegen Steuerbetrug und Schwarzarbeit vorzugehen: »Es gibt genug zum Hingucken.«

  • 20.000 Menschen müssen wegen Bombenevakuierung in Köln weichen: In Köln sind drei US-Bomben entdeckt worden, jetzt wappnet sich die Stadt für eine der größten Evakuierungen der vergangenen Jahre: Betroffen sind nicht nur Wohnungen, sondern auch Hotels, Museen und der Sender RTL.

  • Schauspieler und TV-Sprecher Jonathan Joss in Texas erschossen: Offenbar gab es Streit mit einem Nachbarn: Der Schauspieler Jonathan Joss ist tot aufgefunden worden. Sein Ehemann schildert den mutmaßlich homophoben Angriff.

Heute bei SPIEGEL Extra: Wann Vitamine etwas bringen – und was Hobbysportler wirklich brauchen

Foto:

Roc Canals / Getty Images

Gesamten Artikel lesen