Sechsmal begrüßt die Moderatorin auf der Bühne in der saudi-arabischen Hauptstadt „Donald J. Trump, den 45. und 47. US-Präsidenten“. So viel Zeit muss sein. Den so ausführlich willkommen Geheißenen sieht man auf den Monitoren hinter ihr, wie er sich zubewegt auf den großen Saal, zum wartenden Publikum.
Die Kameras zeigen am Dienstagabend einen etwas missmutig dreinschauenden Trump mit hängenden Schultern, der von Kronprinz Mohammed bin Salman, genannt MbS, durch eine kleine Ausstellung geführt wird. Sie beschäftigt sich mit den 80 Jahren der engen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Königreich. Bilder hängen an der Wand, die den jeweiligen US-Präsidenten bei den damals amtierenden saudischen Herrschern zeigen. Franklin D. Roosevelt schenkte König Abdul Aziz 1945 einen seiner beiden Rollstühle, beide konnten sie nicht mehr richtig gehen. Die Ausstellung zeigt einen hölzernen Schreibtisch, den Harry S. Truman 1950 dem König mitbrachte. Trump bleibt stehen und schaut interessiert auf den Tisch. So, als wolle er sagen: Schau, Schau, so war das früher.

:„Man kann ja nicht die ganze Zeit Angst haben“
Sophie von der Tann berichtet als Auslandskorrespondentin der ARD über die Krise in Nahost und die humanitäre Katastrophe in Gaza. Ein Interview über journalistische Unabhängigkeit, Stressresilienz in Kriegszeiten und ihren Alltag in Tel Aviv.
Wie es heute ist, weiß man ein paar Minuten später, als Trump auf der Bühne steht und auf den Leinwänden die Zahl „300 Milliarden US-Dollar“ aufleuchtet. So viel sollen die „Deals“ zusammen wert sein, die anlässlich des Trump-Besuches in Saudi-Arabien abgeschlossen werden.
Früher brachten die US-Präsidenten Kleinigkeiten wie Schreibtisch oder Rollstuhl mit. Von Trump ist außer seiner Anwesenheit kein Geschenk bekannt geworden. Er ist gekommen, um Deals einzusammeln, und sie dem Volk zu Hause als riesigen Erfolg zu verkaufen.
Wie sich die Summe von 300 Milliarden US-Dollar zusammensetzt, die das Weiße Haus später sogar mit 600 Milliarden beziffert, ist schwer zu sagen. Daran, dass sie ein wenig größer ist als der jährliche saudische Haushalt lässt sich bereits ablesen, dass es auch Zweifel gibt, was für Verträge, Vorverträge und „Schau mer mal“ da zu einem Paket zusammen geschnürt wurden. Ein Waffen-Deal über 142 Milliarden Dollar gehört dazu, dessen genauer Inhalt unklar bleibt. Verschiedene Technologieabkommen und schließlich ein Abkommen zwischen der saudischen Regierung und dem National Zoo in Washington zum „Erhalt des bedrohten Arabischen Leoparden durch die Einrichtung einer speziellen Ausstellung“.
Die Moderatorin bittet nun noch einmal „Donald J. Trump, den 45. und 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten“ zu seiner Dankesrede ans Pult. Die ausführliche Auflistung aller Titel und Namen ist bei Honoratioren-Empfängen üblich, in der kleinen und großen Welt, und der arabischen sowieso. Dass nun schon ein Dutzend Mal zwei Präsidenten in einer Person begrüßt werden, erinnert die Anwesenden in Riad auch daran, dass sie einen anderen Trump vor sich haben als noch vor acht Jahren, als ihn seine erste Auslandsreise ebenfalls nach Riad führte: Radikaler ist er heute, rachsüchtiger und rücksichtsloser. Alliierte und Freundschaften spielen keine Rolle mehr, was zählt, ist zählbares, Deals und Abkommen.
Trumps Lieblingsthema auch auf dieser Reise? Natürlich Trump
Vom Kronprinzen lässt sich sagen, dass er eher die umgekehrte Entwicklung durchgemacht hat. Vor acht Jahren war er ein Heißsporn, um es vorsichtig auszudrücken, der den Krieg in Jemen eskalierte, unter dessen Herrschaft der saudische Journalist Jamal Khashoggi im Konsulat in Istanbul ermordet und zersägt wurde. Es war die Zeit, als der Kronprinz Hunderte saudische Prinzen in einem Luxushotel als Geisel nahm, bis sie ihm große Teile ihres Vermögens überschrieben. Es ist dasselbe Hotel, in dem nun Trump übernachtet. Es könnte auch ein Trump-Tower sein, mit seinen Säulen und goldenen Wasserhähnen.
Was Trump natürlich sehr gefällt, so wie alles, was er in Saudi-Arabien sieht, das erzählt er den Gästen in seiner fast einstündigen Rede, die wie immer die verschiedensten Themen streift und sich letztlich vor allem um ihn selbst dreht. Womit Trump aber recht hat in seinen Ausführungen: dass die Welt vielleicht noch gar nicht so richtig begriffen hat, wie sehr sich Saudi-Arabien verändert hat in den vergangenen acht Jahren. Trump erzählt vor allem von den vielen neuen Hochhäusern. Aber draußen im Foyer hat der Staat die vielen Veränderungen auch auf Videoleinwände geworfen.
Etwa 33 Prozent der Arbeitsplätze werden mit Frauen besetzt, nur noch 55 Prozent der Staatseinnahmen kommen aus dem Öl. Frauen dürfen Auto fahren und müssen keinen Schleier mehr tragen. Und Guns N’ Roses kommt auch bald vorbei. Trump sagt: Der Wandel kommt durch die Menschen selbst, auf arabische Art. Und nicht durch die „Nation-Builder im Westen“, die anderen vorschreiben, wie sie zu leben haben. Er meint natürlich die Demokraten zu Hause und Republikaner wie George W. Bush.
Er bekommt hier den größten Applaus. Womöglich hat Trump aber selbst noch gar nicht so ganz verstanden, wie sehr sich Saudi-Arabien gewandelt hat. Für ihn scheint es immer noch eine Art glitzernder Geldautomat, an dem sich die Welt bedienen kann. Für die Saudis ist es ein bekanntes Dilemma, Trump hat die halbe amerikanische Finanz- und Tech-Elite mitgebracht, von Elon Musk bis zu Blackstone-Gründer Stephen A. Schwarzman. Leute, die hier herkommen, um ein wenig abzuknapsen vom sagenhaften Reichtum des saudischen staatlichen Investmentfonds PIF, dem größten der Welt, gefüllt mit fast einer Billion Dollar.
Damit haben die Saudis lange tatsächlich die Welt beworfen, insgesamt flossen in den vergangenen drei Jahren 500 Milliarden US-Dollar alleine nach Europa. Für Fußballklubs und Beteiligungen an Flughäfen. Für alles Mögliche, hatte man manchmal das Gefühl. Die Zeiten sind vorbei, die Saudis wollen, dass umgekehrt auch in ihr Land investiert wird, was noch nicht in ausreichendem Maß passiert. Die Zeiten des glitzernden Geldautomaten waren einmal.
Auch MbS hat offenbar gemerkt, dass soziale Reformen womöglich die einfacheren waren, weil das Land nach Wandel und Öffnung dürstete. Wirtschaftlich passierte viel, aber noch immer arbeiten etwa 50 Prozent der Männer beim Staat, in oft aufgeblähten Verwaltungen, die Wandel eher behindern. Frauen dürfen Auto fahren, aber die geplante Fabrik für elektrische Autos kommt nur schleppend voran. Und auch nach dem Trump-Besuch werden sich viele Saudis vielleicht fragen, was für Deals denn für sie herausgesprungen sind, außer den vielen Freundschaftsbekundungen von Trump.
Auch ihm geht der Wandel nicht schnell genug, aber eher der politische. Trump hatte vor acht Jahren einen neuen Nahen Osten versprochen, er hatte begonnen, die sogenannten Abrahams-Accords abzuschließen, Normalisierungsabkommen zwischen arabischen Staaten wie Marokko und den Emiraten auf der einen Seite, und Israel auf der anderen. Saudi-Arabien sollte als Nächstes dran sein.
Dann kam der Terror der Hamas am 7. Oktober 2023 und der bis heute andauernde Krieg in Gaza. Normalisierung kann es nach etwa 54000 toten Palästinensern für Saudi-Arabien nicht geben, das hat der Kronprinz zuletzt wieder deutlich gemacht. Das Abkommen sei immer noch sein „Traum“, sagt Trump. Aber die Saudis müssten es in ihrem eigenen Tempo machen. Schweigen im Publikum. Mancher hatte vielleicht gehofft, Trump würde doch noch einen Vorschlag mitbringen, wie das Sterben in Gaza beendet werden kann. Oder sogar einen Plan für die Region und ihre Krisen. Hat er aber nicht. Das Einzige, was er dabeihat, ist die Ankündigung, die Sanktionen für Syrien aufzuheben, was den Saal entzückt, wie nichts anderes an diesem Abend. Trump sagt, vor allem der Kronprinz habe ihn dazu überredet.
Letztlich war es vielleicht auch nur ein Deal. Syriens Präsident Ahmed al-Scharaa hatte seit Wochen um ein Treffen mit Trump gebeten, um ihn von der Aufhebung der Sanktionen zu überzeugen. Lange ohne Ergebnis, am Montag schließlich bot Scharaa dem US-Präsidenten einen Mineralien-Deal an und einen Trump-Tower in Damaskus. So wie ihn Saudi-Arabien, die Emirate und Katar auch haben oder bauen, die Stationen dieser ersten Reise. Wenig später werden die Sanktionen aufgehoben. Ein neuer Deal für Trump.