Nach dem Sturz Assads: Trotz finanzieller Anreize offenbar nur wenige Rückkehrer nach Syrien

vor 2 Tage 4

Jahrelang tobte der Bürgerkrieg in Syrien: Häuser sind zerbombt, Straßen und andere Infrastruktur zerstört. Die Vereinten Nationen schätzen die Kosten für den Wiederaufbau auf umgerechnet mehr als 340 Milliarden Euro. Nach dem Sturz des langjährigen Diktators Baschar al Assad Ende Dezember 2024 wurden viele Hoffnungen in die neue Regierung gesetzt, dem Land Sicherheit und Stabilität zurückzugeben. Gelungen ist dies Präsident Ahmed al-Scharaa bisher nicht. Mehrfach kam es zu größeren Gefechten, Terroranschlägen und Gewalt, darunter auch gegen die Minderheit der Alawiten an Syriens Mittelmeerküste.

Vor dem Krieg und seinen Folgen sind Millionen Menschen aus Syrien geflohen, allein etwa eine Million nach Deutschland, die meisten von ihnen in den Jahren 2014 und 2015. Nach dem Machtwechsel in Damaskus wurden auch hierzulande von verschiedenen Seiten gefordert, Syrer sollten wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die Politik stellte finanzielle Mittel bereit, um dafür Anreize zu schaffen.

4000

syrische Staatsangehörige haben Deutschland bis Ende Juni verlassen

Jetzt gibt es dazu Zahlen. Einem Medienbericht zufolge haben im ersten Halbjahr etwa 4000 syrische Staatsangehörige Deutschland verlassen, um in ihr Heimatland zurückzukehren. Dies berichtet die ARD im Magazin „Panorama“ unter Berufung auf eigene Recherchen.

Von diesen 4000 haben demnach 995 Personen die Möglichkeit genutzt, ihre Ausreise im Rahmen des Rückkehrprogramms „REAG/GARP 2.0“ von Bund und Ländern bezuschussen zu lassen. Gezahlt werden eine Starthilfe (1.000 Euro pro Person, maximal 4.000 Euro pro Familie) sowie eine Reisebeihilfe (200 Euro für Erwachsene, 100 Euro für Minderjährige). Außerdem werden die Reisekosten und gegebenenfalls medizinische Kosten übernommen.

Wie es in dem Bericht weiter heißt, sind 193 Ausreisen mit Förderungen durch landeseigene Programme einzelner Bundesländer erfolgt. Die Zahl dürfte demnach noch etwas höher liegen, da Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf Anfrage nicht beziffern konnten, wie viele der Antragsteller tatsächlich bereits ausgereist sind.

2.727 syrische Staatsangehörige haben demnach Deutschland bis Ende Juni ohne Förderung verlassen. Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums wird allerdings nicht erfasst, ob ihr Zielland wirklich Syrien oder ein anderer Staat war.

Das ARD-Magazin ließ zudem die Haltung der Deutschen in diesem Punkt repräsentativ abfragen. Demnach befürworten 52 Prozent der Befragten, dass diejenigen, die nicht gut integriert sind, nun zügig zurück in ihre Heimat gehen. 25 Prozent plädieren generell für eine zügige Rückkehr aller syrischen Geflüchteten, also unabhängig vom Grad der Integration. 13 Prozent sind gegen eine Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt, weitere vier Prozent generell gegen eine Rückkehr.

Die schwarz-rote Koalition hatte sich im Koalitionsvertrag neben Rückkehrer-Programmen auch darauf verständigt, wieder nach Syrien abzuschieben – „beginnend mit Straftätern und Gefährdern“. Zuständig für Rückführungen sind die Länder. Wie es in dem Bericht weiter heißt, habe eine Nachfrage bei allen Bundesländern ergeben, dass bislang noch keine derartigen Rückführungen umgesetzt worden sind.

Solange die Zukunft Syriens ungewiss und die Aussicht auf Frieden brüchig ist, verbieten sich Abschiebedebatten.

Luise Amtsberg (Grüne), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags

Voraussetzung für Rückführungen ist neben der Kooperationsbereitschaft des Herkunftsstaates auch eine fachliche Bewertung des Auswärtigen Amtes (AA) der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Syrien. Das AA warnt nach wie vor ausdrücklich vor Reisen nach Syrien und bezeichnete die Lage dem Magazin gegenüber als „weiterhin unvorhersehbar und äußerst volatil“.  Politische Vereinbarungen wie die Verkündung einer Verfassungserklärung am 14. März 2025 oder vereinbarte Waffenstillstände hätten bislang nicht zu einer nachhaltigen Stabilisierung des Landes beigetragen.

Dobrindt beharrt auf Abschiebungen auch nach Syrien

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Donerstag im Podcast „Table.Today“: „Wir arbeiten daran, dass wir weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan und auch nach Syrien organisieren können.“ Das sei „zwingend notwendig“, um dafür zu sorgen, dass – beginnend mit Straftätern – Leute zurückgeführt würden in ihre Heimatländer, die in Deutschland nicht bleiben könnten und nicht bleiben sollten.

Die Bundesregierung hatte Mitte Juli 81 afghanische Straftäter mit einer Chartermaschine in ihr Herkunftsland abgeschoben. Es war erst der zweite Flug dieser Art nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban im August 2021. Österreich hatte kürzlich als erste EU-Land wieder nach Syrien abgeschoben.

Luise Amtsberg von den Grünen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, kritisierte die Rückführungs-Pläne der Bundesregierung: „Solange die Zukunft Syriens ungewiss und die Aussicht auf Frieden brüchig ist, verbieten sich Abschiebedebatten.“

Statt Syrerinnen und Syrer in Deutschland weiter zu verunsichern, sollte die Regierung ihre Stimmen einbinden und ihr Engagement unterstützen, sagte Amtsberg der ARD.

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