Myanmar: Zwangsarbeitslager für Online-Betrug wird bombardiert

vor 11 Stunden 1

Explosionen in einer chinesischen Sonderwirtschaftszone namens KK Park in Myanmar schleudern nicht nur Gebäudeteile nach Thailand, sondern lassen auch Menschen über den Grenzfluss Moei fliehen. Von Freitag bis Sonntag haben thailändische Behörden 1.525 Menschen mit rund 30 verschiedenen Nationalitäten aufgegriffen. Sie hatten in einem Mafia-Lager Zwangsarbeit, insbesondere in Form von Online-Betrug, verrichten müssen. Die Explosionen gehen auf Bomben myanmarscher Militärs zurück, die dieses Zwangsarbeitslager Haus für Haus sprengen möchte.

In Myanmar hat Anfang 2021 die Armee geputscht und die demokratisch gewählte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi entmachtet. Die versprochene Neuwahlen kamen nicht, das Land versinkt in Chaos und Gewalt. Das Militär versucht, jeden Widerstand zu unterdrücken, mit wechselhaftem Erfolg. Im ganzen Land kämpfen unterschiedliche Rebellengruppen, teils erfolgreich, gegen die Putschisten und deren Militär. Unter diesen Verhältnissen haben kriminelle Organisationen in einigen Gebieten großangelegte Betrugsoperationen etabliert, in denen Zehntausende, womöglich Hunderttausende, gezwungen werden, Menschen in aller Welt über das Internet zu kontaktieren und ihnen mit unterschiedlichen Maschen Geld abzunehmen.

Eines dieser Lager befindet sich in der Sonderwirtschaftszone KK Park, die direkt am Fluss Moei liegt, der dort die Grenze zu Thailand bildet. "KK" soll laut Berichten für die Initialen eines chinesischen Triadenbosses stehen. Ihren Ursprung hat die ab 2019 errichtete Anlage in der "Neue Seidenstraße"-Initiative der Volksrepublik China, die weltweit Projekte zum Ausbau internationalen Handels und ihres Einflusses finanziert. Die Lage an der Grenze ist nicht zufällig, war ursprüngliches Ziel des KK Park doch die Förderung des Handels zwischen Thailand und Myanmar. Inzwischen distanziert sich Peking von dem Projekt.

KK Park ist ummauert und soll unter anderem über Supermärkte, Restaurants, Hotels, und sogar ein Krankenhaus verfügen. Dieses dient auch der zwangsweisen Entnahme von Organen. Das ist lukrativ und dient gleichzeitig als Mittel zur Sicherstellung fleißiger Werktätigkeit der Eingesperrten. Zu den weiteren Methoden zählen Folter, Vergewaltigungen und Morde. Organhandel dürfte ein Nebenverdienst der Betreiber sein. Sie lukrieren Geld mit Zwangsprostitution, Ausrichtung illegalen Glücksspiels, und vor allem zahlreichen Formen von Online-Betrug, von vermeintlichen Liebesbeziehungen bis zu angeblichen Kryptowährungsinvestitionen.

Laut Medienberichten wurde dem KK Park 2023 die Stromzufuhr gekappt, woraufhin die Betreiber auf eigene Stromaggregate zurückgriffen. Anfang 2025 wurden illegale Glasfaserverbindungen, die durch den Grenzfluss verliefen, gekappt und illegale Mobilfunksender zerstört. Im Zuge dieser Operation wurden laut Bangkok Post 7.141 Zwangsarbeiter befreit. Thailand wollte sie aber nicht aufnehmen; sie sollten lieber direkt aus dem Bürgerkriegsland Myanmar aus in ihre Herkunftsländer repatriiert werden.

Damals richteten die thailändischen Mobilfunker ihre grenznahen Antennen so aus, dass sie wenig nach Myanmar hinüberfunken, um das Zwangslager offline zu nehmen. Allerdings wichen dessen Betreiber auf Starlink aus, wie Wired schon im Februar gemeldet hat.

Diesen Oktober fand Agence France Press (AFP) rege Bautätigkeit vor. Mitte Oktober will das Militär im KK Park 2.000 Personen festgenommen und 30 Starlink-Antennen beschlagnahmt haben – ein Tropfen auf den heißen Stein. Vergangene Woche hat Starlink angegeben, 2.500 Starlink-Antennen in der Umgebung von Betrugszentren in Myanmar außer Betrieb gesetzt zu haben.

Seit Freitagabend (Ortszeit) gehen Militärs direkt gegen die Gebäudeinfrastruktur vor: Die Häuser werden nach und nach gesprengt. Alleine am Freitag sollen 10.000 Personen versucht haben, aus dem KK Park zu fliehen. Ihr Schicksal ist unklar.

Da der KK Park direkt an der Grenze liegt, alarmiert das natürlich auch Thailands Armee, die vorab informiert war. Nicht zu Unrecht, sind doch schon mehrere Trümmer über den Fluss geflogen und haben Sachschaden angerichtet. War zunächst die Rede von Angriffen aus der Luft, sollen die myanmarschen Militärs laut einem Offizier der dritten thailändischen Armee tatsächlich Bodensprengsätze legen.

Laut der thailändischen Zeitung The Nation gab es von Freitag bis Montag vier Explosionen. Im Fokus steht demnach der südliche Teil des KK Park, wo der Schwerpunkt dieses Zwangsarbeitslagers für Online-Betrug liegen soll. Zunächst würden noch in Bau befindliche und periphere Gebäude in die Luft gejagt, dann sollen die zentralen Einrichtungen folgen.

Jede Sprengung löst offenbar eine Fluchtwelle aus. Einem Teil der Menschen gelingt es, über den Grenzfluss zu entkommen, meist durch Furten watend, zum Teil auch schwimmend. Ein Teil dieser Flüchtlinge wird dann von thailändischen Behörden aufgegriffen: 1.525 Personen an den vier Tagen.

Davon waren 250 Frauen, 1.275 Männer. Die Geflüchteten kommen aus zirka 30 Ländern. Die größte Gruppe sind laut thailändischen Behörden Inder (482) gefolgt von Philippinen (220), Chinesen (193), Vietnamesen (135), Äthiopiern (133) und Kenianern (102). Im Lager gelandet sind sie unter anderem durch irreführende Stellenanzeigen sowie klassischen Menschenhandel.

Allerdings versuchen auch Triaden-Mitglieder, sich über Thailand abzusetzen. Am 22. Oktober haben thailändische Behörden nach eigenen Angaben auf ihrer Seite des Grenzflusses Moei 30 Chinesen und eine Laotin verhaftet, die sich in einem Kukuruzfeld versteckt hatten und offenbar auf Weitertransport warteten. Sie sollen zugegeben haben, mit Hilfe von Menschenschmugglern auf dem Weg quer durch Thailand nach Laos zu sein, zum Preis von 150.000 Baht (umgerechnet knapp 4.000 Euro) pro Person. Diese Gruppe hatte vergleichsweise bequemt per Boot über den Moei gesetzt.

Bei einem dieser Chinesen fanden die Behörden 280.000 Baht (über 7.300 Euro) in bar, die wohl für die Reiseverpflegung der Gruppe vorgesehen waren. In ihrem Zielland Laos dürften chinesische Triaden weitere Verbrechenszentren betreiben.

(ds)

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