Der ehemalige Apple-Designchef Jony Ive, der das Produktdesign des iPhone-Konzerns geprägt hat, wechselt zum ChatGPT-Entwickler OpenAI. OpenAI wird das KI-Geräte-Startup io von Ive übernehmen. Das gaben dieser und OpenAI-CEO Sam Altman am Mittwoch in einer gemeinsamen Mitteilung bekannt.
Wie unter anderem die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, wird OpenAI das von Ive mitgegründete Start-up für KI-Geräte in einem fast 6,5 Milliarden US-Dollar schweren Aktiendeal übernehmen und sich mit dem legendären Designer zusammentun, um in den Hardwarebereich vorzustoßen. Der Abschluss der Transaktion wird für diesen Sommer erwartet, vorbehaltlich der behördlichen Genehmigungen. Der laut Bloomberg größte Kauf in der Geschichte von OpenAI wird dem Unternehmen eine eigene Abteilung für die Entwicklung von KI-gesteuerten Geräten bescheren. Durch die Übernahme von io erhält OpenAI etwa 55 Hardware-Ingenieure, Software-Entwickler und Fertigungsexperten – ein Team, das nach den Vorstellungen von Altman und Ive eine Gerätefamilie aufbauen soll.
Laut dem der Ankündigung beigefügten, knapp neunminütigem Video werden Ive und sein Designstudio LoveFrom unabhängig bleiben und das Design von OpenAI und io, einschließlich der Software, übernehmen. "Ich habe zunehmend das Gefühl, dass alles, was ich in den letzten 30 Jahren gelernt habe, mich an diesen Ort und in diesen Moment geführt hat", sagte Ive in dem gemeinsamen Interview mit Altman. "Es ist eine Beziehung und eine Art der Zusammenarbeit, die meiner Meinung nach Produkte und Produkte und Produkte hervorbringen wird."
Neuartige KI-Produkte geplant
Bereits vor einem Jahr hatte es erste Gerüchte um Treffen von Altman und Ive gegeben, die sich später bestätigten. Demnach übernahm LoveFrom einen Design-Auftrag von OpenAI für ein nicht näher benanntes KI-Produkt. Gemeinsam hat man offenbar zudem ein Start-up gegründet und private Gelder gesammelt. Anfang April dann hieß es, OpenAI sei daran interessiert, das von Ive gestartete Stealth-Spin-off seiner Designfirma LoveFrom zu übernehmen. Ziel sei ein neuartiges KI-Gadget, das keinen Bildschirm habe, hieß es.
"Wir befinden uns offensichtlich noch in der Endphase der KI-Interaktionen", sagte Altman nun. "Wir haben noch nicht herausgefunden, was das Äquivalent zur grafischen Benutzeroberfläche sein wird, aber das werden wir." Die neuen Geräte seien aber nicht als Ersatz für Smartphones gedacht: "Wie das Smartphone nicht den Laptop verdrängte, wird unser erstes Produkt das Smartphone nicht ersetzen. Es handelt sich um eine gänzlich neue Art von Gerät", so der OpenAI-CEO.
Geht es nach Altman, wird OpenAI ein Produkt auf einem Qualitätsniveau schaffen, "das es bei Consumer-Hardware noch nie gegeben hat". "KI ist ein so großer Sprung nach vorn in Bezug auf die Möglichkeiten der Menschen, dass es eine neue Art von Computerformfaktor braucht, um das maximale Potenzial auszuschöpfen."
Smart Glasses als eine Möglichkeit
Die Ankündigung der Zusammenarbeit von Ive und Altman kommt zu einem Zeitpunkt, da sich Tech-Unternehmen verstärkt darum bemühen, KI in ihre Software einzubauen und neue, auf KI basierende Produkte zu entwickeln – von intelligenten Brillen über Schmuck bis zu neuen Arten von Geräten. Gerade erst hat beispielsweise Google auf der I/O 2025 seine Pläne für eine KI-gesteuerte Smart Glasses vorgestellt. Nutzer sollen mit der Brille Nachrichten an Freunde versenden, Termine vereinbaren, Wegbeschreibungen über Google Maps anfordern oder Fotos aufnehmen können. Die Ray-Ban Meta-Brillen mit KI-Funktion des US-amerikanischen Social Media-Konzerns Meta Platforms sind bereits seit Längerem ein Verkaufsschlager.
Wie die OpenAI-Geräte aussehen könnten, ist bislang nicht bekannt. Wahrscheinlich ist, dass die Hardware derart gestaltet sein wird, um KI-Anwendungen effizienter zu unterstützen, beispielsweise durch neue Benutzerschnittstellen, die stärker auf Sprach- oder Gestensteuerung ausgerichtet sind. "Die Produkte, die wir verwenden, um uns mit unvorstellbarer Technologie zu verbinden, sind Jahrzehnte alt", sagte Ive in dem Video. "Daher ist es nur vernünftig, zumindest zu denken, dass es etwas gibt, das über diese alten Produkte hinausgeht."
Einflussreiche Design-Ikone
Ive war bis vor sechs Jahren Chefdesigner von Apple und gilt als einer der einflussreichsten Produktdesigner der Tech-Geschichte. Er ist verantwortlich für die Etablierung von Apples ikonischer, schlanker Ästhetik. So spielte Ive eine zentrale Rolle im Produktdesign des Apfel-Konzerns – vom iPhone über den iMac bis hin zum Apple Park, dem ringförmigen Hauptsitz des Unternehmens in Cupertino im US-Bundesstaat Kalifornien. Ive verließ das Unternehmen 2019 nach fast 30 Jahren, um sein eigenes Unternehmen zu gründen. Mit der Designfirma LoveFrom, einem Kollektiv von Designern und Ingenieuren, war er zunächst auch weiter für Apple tätig.
Seither ist wenig über Ive und seine Arbeit bekannt geworden. Statt wie angekündigt mit eigenen Produkten aufzuwarten, hat er eine Met Gala mitverantwortet oder daran gearbeitet, ein neues Lichtschwert für "Star Wars: Das Erwachen der Macht" zu entwerfen. Im vergangenen Herbst gab es Berichte, wonach Ive zusammen mit dem Luxuswinterkleidungshersteller Moncler einen neuartigen Knopf entwickelt hat.
Im vergangenen Jahr gründete Ive dann gemeinsam mit den ehemaligen Apple-Mitarbeitern Scott Cannon, Evans Hankey und Tang Tan das Unternehmen io. Hankey war bis 2023 Ives Nachfolger bei Apple; Tan wiederum war bis 2024 für die Produktgestaltung des iPhones und der Apple Watch verantwortlich. Ziel von io sei, so Bloomberg, eine Reihe von Produkten für das KI-Zeitalter zu entwickeln und herzustellen – eine Mission, die das Team nun bei OpenAI fortsetzen wird. Ihre Arbeit werde damit "zu einer Bedrohung für die Geräte, die die Designer mitentwickelt haben", glaubt Bloomberg, "eine zusätzliche Herausforderung für Apple, das im Bereich der künstlichen Intelligenz hinter seine Kollegen im Silicon Valley zurückgefallen ist". Nach der Ankündigung der Zusammenarbeit zwischen OpenAI und Ive bracht die Apple-Aktie am Mittwoch in New York um bis zu 2,3 Prozent ein, nachdem sie bis zum Handelsschluss am Dienstag in diesem Jahr bereits 17 Prozent verloren hatte.
(akn)