Das Kopftuchgesetz sieht hohe Strafen für Frauen vor, die sich der Kleiderordnung widersetzen. Aktivistinnen warnen vor einer faktischen Verfolgung trotz des Stopps.
25. Mai 2025, 14:21 Uhr
Der iranische Sicherheitsrat hat die Umsetzung des umstrittenen Kopftuchgesetzes gestoppt. Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf sagte, das Gremium habe die Anweisung gegeben, das Gesetz vorerst nicht umzusetzen. Obwohl das Parlament das Gesetz verabschiedet habe, habe die Entscheidung des Sicherheitsrats laut Verfassung Vorrang, sagte der Präsident des Islamischen Parlaments des Iran.
Das neue Hidschab-Gesetz, offiziell "das Gesetz zur Förderung von Keuschheit und Hidschab", war 2023 von islamistischen Hardlinern im Parlament eingebracht und verabschiedet worden. Es sieht unter anderem Geldstrafen, den Ausschluss von öffentlichen Dienstleistungen und bei Wiederholung Haftstrafen für Frauen vor, die gegen die islamische Kleiderordnung verstoßen. Ursprünglich sollte es im Dezember 2023 in Kraft treten, wurde aber vorerst unter Druck von Kritikern verschoben. Auch im Dezember 2024 wurde die Umsetzung des Beschlusses erneut aufgeschoben. Nun hat der Nationale Sicherheitsrat als höchstes sicherheitspolitisches Gremium des Landes offiziell die Umsetzung gestoppt.
Parlamentspräsident Ghalibaf sagte während einer Parlamentssitzung, dass das Sekretariat des Sicherheitsrats über die Nicht-Umsetzung schriftlich mitgeteilt habe. "Ich wollte das bisher nicht öffentlich machen", sagte Ghalibaf. Er reagierte damit auf Kritik eines konservativen Abgeordneten, der forderte, das Gesetz endlich umzusetzen, weil es "ein göttliches Gebot" sei.
Moderate warnen vor Eskalation
Auch der als moderat geltende neue Präsident Massud Peseschkian gehört zu den Kritikern des Gesetzes. Er befürchtet im Falle einer Umsetzung neue Unruhen, ähnlich jenen nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im Herbst 2022. Die Kurdin war nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kopftuchpflicht gestorben. Ihr Tod hatte landesweite Proteste unter dem Motto "Frau, Leben, Freiheit" ausgelöst.
In den Großstädten zeigen sich viele Frauen seither demonstrativ ohne Kopftuch. Die Sittenpolizei wurde zeitweise aus dem Verkehr gezogen, später aber in eingeschränkter Form wieder eingesetzt. Der Staat reagiert seither mit wechselnden Strategien zwischen Repression und Deeskalation. Der jetzige Schritt, das Gesetz auszusetzen, wird von Beobachtern als Versuch des Regimes gewertet, ein weiteres Aufflammen der Proteste zu verhindern.
Gesetz bleibt politisch umkämpft
Konservative Kräfte im Parlament drängen jedoch weiter auf die Umsetzung des Gesetzes. Sie werfen der Regierung Untätigkeit vor und beklagen eine "westliche Kulturinvasion". Im Frühjahr hatten Unterstützer des Gesetzes mehrfach vor dem Parlament demonstriert, zuletzt im März 2025.
Der endgültige Gesetzestext, der durch ein Leak an die Medien gelangte, umfasst 74 Artikel in fünf Kapiteln. Er verpflichtet zahlreiche Behörden, darunter das Ministerium für Kultur und Islamische Führung, die Polizei, den staatlichen Rundfunk sowie Bildungseinrichtungen, zur aktiven Durchsetzung der islamischen Kleiderordnung. Juristen, Aktivisten und viele Bürger kritisieren das Gesetz hingegen als übergriffig und realitätsfern. Es ignoriere die gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahre, schränke die persönliche Freiheit massiv ein und sei nicht mit der Verfassung vereinbar.
Trotz der offiziellen Aussetzung des Gesetzes stehen Frauen, die Hidschab-Regeln nicht einhalten, im Iran unter Druck. Bereits im Januar schrieben die prominenten Frauenrechtsaktivistinnen Nasrin Sotoudeh und Sedigheh Vasmaghi in einer gemeinsamen Erklärung, dass das Gesetz faktisch bereits umgesetzt werde. Frauen in nahezu allen Lebensbereichen, von Schulen und Universitäten bis hin zu Behörden, seien Ziel von Belästigungen, Ermahnungen und verbalen sowie physischen Übergriffen im Zusammenhang mit ihrer Kleidung.
Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.