Meine Zahnbürste, der kleine private Virenzoo

vor 16 Stunden 1

Zahnbürsten und Duschköpfe sehen vielleicht sauber aus, aber ihre feuchten Oberflächen sind dicht besiedelt. Von Bakterien, das war schon länger klar. Nun gesellt sich aber noch eine besondere Gruppe Viren dazu – und das ist womöglich eine sehr gute Nachricht.

Es wimmelt auf Zahnbürsten und Duschköpfen, und zwar so richtig: Als Forscher der Northwestern University nun Proben aus Badezimmern auf Viren untersuchten, stießen sie auf eine überraschend große Vielfalt.

„Die Anzahl der Viren, die wir gefunden haben, ist absolut verrückt“, sagte Studienleiterin Erica Hartmann, ihres Zeichens „Innenraummikrobiologin“, in einer Pressemitteilung der Universität. Meist waren es Arten, über die bisher wenig oder gar nichts bekannt war. Ihre Ergebnisse sind jetzt im Journal „Frontiers in Microbiomes“ erschienen.

Ist das gefährlich? Höchstens für die Bakterien, die ebenfalls diese Oberflächen besiedeln. Die meisten der Entdeckungen zählen zu den sogenannten Bakteriophagen: Viren, die in Bakterien eindringen und sich darin vermehren. Die Forscher hoffen nun, dass ihre Virensammlung bei der Behandlung von Patienten mit antibiotikaresistenten Infektionen helfen könnte, wie es Studien hoffen lassen.

Heute wirkt Hartmann als Professorin an der McCormick School of Engineering. Und die neue Studie ist ein Ableger früherer Forschungsarbeiten, für die sie an der University of Colorado in Boulder mit Kollegen bereits Zahnbürsten und Proben von Duschköpfen in Augenschein nahm – um die Mikrobengemeinschaft dort besser zu verstehen.

Inspiriert zu dem „Badezimmerprojekt“ wurden die Forscher von der verbreiteten Befürchtung, dass womöglich infektiöse Aerosolwolken den Toiletten beim Spülen entweichen.

„Dieses Projekt begann als Kuriosität“, sagte Hartmann. „Wir wollten wissen, welche Mikroben in unseren Häusern leben.“ Oberflächen von Tischen oder Wänden seien für die Einzeller schwer zu bewohnen, sie bevorzugen feuchte Umgebungen, und die gebe es: „In unseren Duschköpfen und auf unseren Zahnbürsten.“

Schlimmer durch Chlor

Damals untersuchte das Team rund 50 Duschköpfe aus neun Städten in sieben US-Bundesstaaten. Die Mikrobiologen stießen in rund 30 Prozent der Fälle auf Mycobacterium avium, das die Lunge befallen kann.

An einem Duschkopf aus Denver fand sich der Keim Mycobacterium gordonae in hoher Konzentration. Man versuchte dann, ihn mit Bleiche loszuwerden – erreichte aber das Gegenteil, wie spätere Tests zeigte. Die Mikroben waren gegen Chlor gefeit.

Für die aktuelle Studie ihrer „Operation Pottymouth“ nutzte Hartmann eine Maschine, die Erbsubstanz „lesen“ kann, einen DNA-Sequenzierer. Das Ergebnis: In den Proben waren mehr als 600 Virenarten zu finden, keine Probe glich der anderen.

„Wir haben keine Überlappung der Virustypen zwischen Duschköpfen und Zahnbürsten gesehen“, sagte Hartmann. „Wir sahen auch nur sehr wenig Überlappungen zwischen zwei Proben. Jeder Duschkopf und jede Zahnbürste ist eine kleine Insel.“

Unter den Viren überwog aber die Gruppe der Mykobakteriophagen. Wie der Name vermuten lässt, infizieren diese Mykobakterien, also die bereits erwähnten Bakterien sowie die Erreger von Tuberkulose und Lepra – nach wie vor problematische Krankheiten, auch wegen der Resistenzen, die die Erreger anhäufen.

Hartmann hofft nun, dass die Zahnbürstenviren bei der Behandlung helfen könnten. Oder bei der Prophylaxe: „Mykobakteriophagen könnte man auch nutzen, um diese Krankheitserreger in den Wasserleitungen abzutöten.“

Außerdem rät die Mikrobiologin davon ab, zu aggressiven Putzmitteln oder Desinfektionsmitteln zu greifen. Essig, um Kalk von den Duschköpfen zu holen, sowie Wasser und Seife würden vollkommen ausreichen. Und regelmäßig eine neue Zahnbürste oder ein frischer Bürstenkopf.

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