Man braucht doch Bücher, die das Leben feiern: Kaveh Akbars "Märtyrer!" ist eins.
Aus der ZEIT Nr. 31/2025 Aktualisiert am 29. Juli 2025, 18:35 Uhr
Wenn es stimmt, was Orkideh in diesem Roman sagt, dann wurde der Kubismus nicht von Braque oder Picasso erfunden und auch nicht in Paris, sondern Jahrhunderte zuvor in Persien, und das kam so: Safawidische Gesandte aus Isfahan hatten die haushohen Prunkspiegel bestaunt, die in Frankreich, Belgien und Italien die Palastsäle zierten, und als sie dann ihrem Schah davon erzählten, wollte der so etwas auch haben, ganz gleich, zu welchem Preis. Doch ging die sperrige Fracht zu Bruch auf ihrem Orienttransport, die Architekten des Schahs standen vor einem Berg aus Millionen kleinster, wenn auch kostspieliger Scherben. Sie machten das Beste draus. Und verbastelten das reflektierende Glas höchst kunstfertig in Mosaiken, Schreinen und Gebetsnischen, sodass die Perser notgedrungen identisch wurden mit ihren oszillierenden Spiegelbildern. "Wir waren", sagt Orkideh, "schon seit langer Zeit darin geübt, uns selbst, unsere Natur, als kompliziert und vielschichtig zu begreifen. Zumindest eine Zeit lang. Kein durch und durch guter, heldenhafter Siegfried, der gegen einen durch und durch bösen Drachen kämpft."