Laura Freigang bei der Fußball-EM 2025: Der Fanliebling drängt in die Startelf

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 Sie erfüllt alle Wünsche

Laura Freigang: Sie erfüllt alle Wünsche

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Sebastien Bozon / AFP

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Ein Spiel dauert 90 Minuten. Wenn es vorbei ist, fängt für Laura Freigang die Arbeit im DFB-Team oft erst richtig an.

Rund 17.000 deutsche Fans waren im St. Jakob Park in Basel dabei, als die deutsche Auswahl gegen Dänemark gewann und sich für das EM-Viertelfinale qualifizierte. So viele wie nie zuvor bei einem Auswärtsspiel der deutschen Fußballerinnen.

Da gab es hinterher viele Wünsche nach Autogrammen, Selfies, einem kurzen Schwätzchen. Als Freigang ihre Ehrenrunde beendet hatte, stand sie jedoch schon wenige Minuten später in der Interviewzone tief im Inneren des Stadions. Noch ungeduscht, offenbar wollte sie auch die Medienvertreter mit ihren Wünschen nicht warten lassen.

Zunächst gab es die Fragen des deutschen Fernsehens, dann das Uefa-PR-Programm, die ausländischen TV-Medien, ganz zum Schluss die Printmedien. »Ah, die geschriebene Presse, na da gehe ich auch noch hin«, sagte Freigang, die sich Meter für Meter durch den engen, stickigen Korridor arbeitete. Sie hatte die meisten Fragen wahrscheinlich schon zehnmal gestellt bekommen und antwortete doch so aufmerksam, als würde sie zum ersten Mal darüber sprechen.

 zwei Kurzeinsätze bisher

Freigang bei der EM: zwei Kurzeinsätze bisher

Foto: Daniela Porcelli / Getty Images

Freigang war in der Interviewzone lange vor allen anderen, lange vor Spielerinnen, die aus sportlicher Sicht mehr Gewicht haben als sie. So war es schon beim ersten Spiel in St. Gallen, als sich Giulia Gwinn am Knie verletzt hatte und alle sich fragten, wie schlimm es bei der Kapitänin denn nun ist.

Wenn es etwas zu erzählen gibt, dann übernimmt oft Freigang diesen Job. Als wäre sie die heimliche Kapitänin des Teams.

In Wahrheit ist sie meist Reservistin, bei der EM in der Schweiz kam sie bisher auf zwei Kurzeinsätze. Im letzten Gruppenspiel am Samstag (21 Uhr, TV: ZDF/DAZN, Liveticker SPIEGEL.de) gegen Schweden könnte sich das aber ändern. Linda Dallmann, ihre klassische Konkurrentin auf der Zehnerposition, steckt in einem kleinen Formtief.

Für Freigang wäre es ein Durchbruch, es wäre ihr erster Startelf-Einsatz bei einem großen Turnier.

Freigang, 27, ist aber auch ohne diesen ersten Startelf-Einsatz eines der spannendsten Phänomene der deutschen Auswahl. Oder gerade deshalb. Sie ist nämlich allgegenwärtig, sobald der Ball nicht rollt. Sei es bei Interviews, bei Kampagnen der Sponsoren, bei Wünschen der Fans, sie trat schon im ZDF als Expertin auf, Freigang steht oft in der ersten Reihe.

 kein Wunsch ist zu viel

Freigang: kein Wunsch ist zu viel

Foto: Sebastien Bozon / AFP

Katja Kraus, früher DFB-Torhüterin und heute Marketing-Expertin, sagte dem SPIEGEL vor der EM : »Freigang hat ein Bewusstsein für ihre öffentliche Rolle, sie ist fröhlich, nahbar und positioniert sich zu verschiedenen Themen. Damit gewinnt sie Fans für sich und auch für den Frauenfußball.« Viele andere Typen, die so seien wie Freigang, würden ihr nicht einfallen.

Neben dem Platz ist ihre zentrale Rolle also unbestritten.

Sobald der Ball aber rollt, ist ihre Rolle im DFB-Team als offensive Mittelfeldspielerin eher überschaubar. Vor allem in der Vergangenheit.

Schwerer Stand unter der ehemaligen Bundestrainerin

Bei der EM 2022 und der WM 2023, die beide noch unter der damaligen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg stattfanden, durfte Freigang jeweils nur für wenige Minuten in zwei Gruppenspielen ran, in denen die DFB-Auswahl bereits deutlich in Führung lag.

Eine Person, die nah am Team dran ist, erzählte dem SPIEGEL vor dieser EM, dass die damalige Bundestrainerin mit Freigang bei beiden Turnieren kein Wort gesprochen haben soll.

Die Geschichte wirkt beinahe so, als hätte man Freigang damals vor allem mitgenommen, um von ihrem Marketingwert und ihrer Popularität zu profitieren. Von ihrem privaten Fotoaccount bei Instagram, der sich gerade bei jüngeren Fans großer Beliebtheit erfreut. Als wäre sie nur ein Maskottchen gewesen, jemand für fröhliche Stimmung.

 ohne geht nicht

Freigang mit ihrer Kamera: ohne geht nicht

Foto: Bernadett Szabo / REUTERS

Die Frage ist, ob Freigang für das DFB-Team sportlich eigentlich viel wichtiger sein könnte. Kann sie bei dieser EM noch den endgültigen Durchbruch schaffen?

Wenn Freigang, wie zuletzt, spät ins Spiel kam, schien sie so motiviert, dass sie am liebsten überall gleichzeitig sein möchte. Und wer überall ist, ist in gewisser Weise auch nirgends so richtig.

Sie wirkt dann wie jemand, der gern in 20 Minuten ein Festmahl servieren würde, aber aktuell noch in der Schlange beim Supermarkt steht.

Im DFB-Team hat sie einfach nicht viel Zeit zum Glänzen. Aus den Bundesligapartien mit Frankfurt kennt man aber ihre sportlichen Qualitäten. In 22 Ligapartien kam sie in der vergangenen Saison auf 19 Torbeteiligungen. Dort ist sie die unumstrittene Stamm- und Führungsspielerin.

Wücks Sonderlob für Freigang

Im Anschluss an das knappe Spiel gegen Dänemark sagte aber auch Bundestrainer Christian Wück, dass Freigang ein Sonderlob verdiene und ihr Einsatz genau das gewesen sei, was er sich vorstelle. Es sei auch ihr zu verdanken, dass das knappe 2:1 verteidigt wurde.

Trainer heben selten die Leistungen einzelner Spielerinnen hervor. Deswegen fiel Wücks Sonderlob besonders auf.

War es ein Wink an Dallmann, sich mehr reinzuhängen? Die Bayern-Spielerin sollte den deutschen Kombinationsfußball bei der EM auf ein besseres Niveau führen. In den Länderspielen vor der EM gelang ihr das auch gut, im Turnier bisher aber nicht.

Oder war es ein Startsignal für Freigang, dass ihre Zeit gegen Schweden nun gekommen ist, und sie zum ersten Mal in der Startelf bei einer EM oder WM stehen wird?

Sowohl Schweden als auch die DFB-Auswahl stehen bereits sicher im Viertelfinale. Es geht aber darum, wer als Gruppenerster und wer als Gruppenzweiter in die nächste Runde einzieht. Was ist besser? Für das Viertelfinale ist das schwer zu sagen. Dort warten als nächste Gegner wahrscheinlich das hoch eingeschätzte Frankreich und die Europameisterinnen aus England.

Als Gruppensieger würde man aber wohl den übermächtigen Spanierinnen im möglichen Halbfinale aus dem Weg gehen. Doch das ist noch sehr weit weg.

Freigang hat sich zwar nie öffentlich über ihre sportliche Nebenrolle im DFB-Team beschwert, aber man weiß, dass die Rolle auch an ihr nagt. Dass sie gern mehr zeigen möchte. Es reicht ihr nicht, dass sie diesen Botschafterinnen-Job über die 90 Minuten hinaus hat und diesen besser beherrscht als alle anderen.

Das Spiel gegen Schweden ist kein Testspiel, bei dem man noch einmal etwas ausprobiert, von dem man bis jetzt nicht weiß, ob es funktioniert. Aber man kann auch nicht allzu viel verlieren.

Für Freigang könnte es in der DFB-Elf ein Jetzt-oder-nie-Moment sein.

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