Es ist nur ein kleines Zeitfenster. Zwei Wochen möchte sich US-Präsident Donald Trump höchstens Zeit lassen, bis er entscheidet, ob er die amerikanischen Streitkräfte an der Seite Israels gegen Iran einsetzen will oder nicht. Trump ist bekanntlich unberechenbar, seine Ankündigungen sind nicht immer zuverlässig. Aber zwei Wochen sind gerade lang genug, damit die Europäer, die bislang erneut nur am Rande mitreden, sich mit ihren diplomatischen Bemühungen dazwischenschieben können – möglichst prominent, möglichst sichtbar. Ziel ist eine Deeskalation des Konflikts.
Einen ersten scheuen Versuch gab es am Freitag in Genf. Die Außenminister aus drei großen europäischen Ländern, aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien, haben sich mit dem Amtskollegen aus Teheran in der Schweiz verabredet. Auch dabei ist Kaja Kallas, die Außenbeauftragte der Europäischen Union.
Den Iranern werde ein „umfassendes Verhandlungspaket“ unterbreitet, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kurz vor dem Gipfel. Die Liste der Forderungen umfasst vier Punkte: Zugang zu allen nuklearen Einrichtungen für die Experten der UN, damit die Iraner kein Uran mehr anreichern können; Kontrolle der ballistischen Aktivitäten Irans; Ende der Finanzierung von Terrororganisationen; Freilassung aller Geiseln. Noch bevor der iranische Außenminister nach Genf aufbrach, kühlte er die Hoffnungen schon ab: Iran, sagte Abbas Araghchi, werde sich so lange nicht zu Verhandlungen drängen lassen, bis Israel „die Aggression“ gegen sein Land gestoppt habe. Und das ist wenig wahrscheinlich.
Mit einem Zeichen der Einigkeit zwischen Frankreich, Deutschland und Großbritannien wäre einiges gewonnen
Die Bühne in Genf diente also in erster Linie dazu, ein diplomatisches Lebenszeichen abzusetzen. Und wenn dabei der Eindruck entstanden ist, dass die drei geopolitisch wichtigsten Akteure Europas sich in der Beurteilung des Krieges zwischen Israel und Iran einig sind, dann wäre damit schon einiges gewonnen. In den vergangenen Tagen machte es nicht den Anschein, als würden die Europäer in einer Sprache sprechen, ähnliche Worte wählen. Auch in Paris war man verwundert über Friedrich Merz’ Aussage, Israel verrichte die „Drecksarbeit für uns alle“.
Die zumindest undiplomatische Note im Kommentar des deutschen Kanzlers verkomplizierte die diplomatischen Anstrengungen der Franzosen. Und sie haben ohnehin eine diplomatisch komplizierte Woche erlebt. Macron musste sich nach dem G-7-Gipfel in Kanada von Trump anhören, er sei zwar „ein netter Kerl“, er liege aber immer falsch und leide an Profilneurose. Das traf Macron in einem heiklen Moment.
Ursprünglich war vorgesehen, dass vom 17. bis 20. Juni bei den Vereinten Nationen in New York eine große Konferenz stattfinden würde. Frankreich und Saudi-Arabien hätten den Vorsitz gehabt, man wollte mit neuem Elan über die Zweistaatenlösung sprechen. Frankreich wollte als erster G-7-Staat Palästina anerkennen und hoffte, dass andere Staaten mitziehen. Saudi-Arabien und weitere islamische Länder hätten vielleicht ihrerseits Bereitschaft gezeigt, Israel anzuerkennen.
Die Palästina-Konferenz in New York sollte Macrons Präsidentschaft neuen Glanz verleihen
Das war eine fragile Hoffnung der Franzosen, fast schon eine verzweifelte. Doch man hielt daran fest: Macron rechnete sich aus, dass er mit einer Zukunftsinitiative für den Nahen Osten seine blass gewordene Präsidentschaft wieder etwas zum Glänzen bringen könnte. Er legte sich dafür sogar mit der israelischen Regierung an. Die politische Verstimmung zwischen den beiden Ländern ist größer als in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Doch dann griff Israel Iran an und alles war anders.
Macron verschob die große Konferenz zu Palästina, ohne ein neues Datum zu nennen. Israel, sagte er, habe das Recht, sich gegen den Feind zu verteidigen, der es zerstören wolle. Und das Recht, dessen nukleare und ballistische Infrastrukturen anzugreifen. Er fügte hinzu: Falls die Israelis für ihre Verteidigung Hilfe bräuchten, werde Frankreich ihnen auch militärisch beistehen. Doch als klar wurde, dass Israel viel weitergehen wollte, änderte er seine Haltung.
Nun warnt Macron vor einem militärischen, von außen herbeigeführten Regimewechsel in Iran, wie ihn Israel wohl anstrebt. Die Erfahrungen im Irak 2003 und in Libyen 2011 hätten gezeigt, wie viel „Chaos und Verwüstung“ das bringe, sagte Macron. Im Irak, beim Sturz von Saddam Hussein, hat Frankreich nicht mitgemacht. In Libyen aber spielten die Franzosen die Hauptrolle. Macron sieht sich gewissermaßen in der Rolle von Dominique de Villepin, Frankreichs früherem Außenminister. Der hatte damals in einer denkwürdigen, eindringlichen Rede vor dem UN-Sicherheitsrat erklärt, warum sich Frankreich gegen eine militärische Intervention im Irak wandte. Der Auftritt trug ihm viel Ehre ein.
Die Initiative von Genf, so sehen es die Franzosen, ist ganz Macron zu verdanken. Die europäische Position hat nach einer bewegten Woche einige fixe Eckpunkte bekommen: kein Regimewechsel von außen; Appell an die Mäßigung; Rückkehr zu „anspruchsvollen“ Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Auch das Adjektiv „exigeant“, also anspruchsvoll, kommt von Macron. Es ist eines seiner Lieblingswörter. Es ist aber auch reichlich unpräzise.