Krieg in Gaza: Jüdische Siedler attackieren Palästinenserdorf im Westjordanland

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 Ein palästinensischer Mann blickt am 23. Mai auf israelische Flaggen, die nach einem Angriff jüdischer Siedler auf ein zerstörtes Haus im Dorf Burkin im Westjordanland wehen.
© Ismael Khader/​Reuters

Siedler warfen laut Augenzeugen Brandsätze auf das Dorf Burkin. Der Antisemitismus-Bundesbeauftragte warnt, die Staatsräson dürfe nicht alles rechtfertigen. Das Liveblog

Aktualisiert am 24. Mai 2025, 2:21 Uhr

  • In der Nacht zum 18. März hat Israel seine Angriffe auf den Gazastreifen wieder aufgenommen. Damit endete die Waffenruhe, auf die sich Israel und die Terrororganisation Hamas geeinigt hatten. Sie war am 19. Januar in Kraft getreten. In der Nacht zum 17. Mai gab Israel den Beginn einer neuen Großoffensive bekannt.
  • Seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 ist die Lage in Nahost immer weiter eskaliert. Im Libanon kämpfte Israel gegen die vom Iran unterstützte Terrormiliz Hisbollah – dort gilt derzeit eine brüchige Waffenruhe.
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  • Neben eigenen Recherchen verwenden wir Material der Nachrichtenagenturen AFP, AP, dpa, epd, KNA und Reuters.

Vera Sprothen

Antisemitismusbeauftragter fordert Debatte über "deutsche Staatsräson"

Die deutsche Staatsräson in Bezug auf Israel darf nach Ansicht des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung "keine Rechtfertigung für alles" sein. "Ich plädiere sehr dafür, ehrlicher über den Begriff Staatsräson zu diskutieren, genauso wie über das Wort Existenzrecht", sagte Felix Klein in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Beide Begriffe seien für das deutsche Staatsverständnis und das Verhältnis zu Israel existenziell, aber sie seien auch unscharf und erschwerten dadurch die Debatte.

"Wir müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, die Sicherheit Israels und der Juden weltweit zu bewahren. Aber wir müssen auch klar sagen, dass das keine Rechtfertigung für alles ist", sagte Klein. 

"Die Palästinenser auszuhungern und die humanitäre Lage vorsätzlich dramatisch zu verschlimmern, hat nichts mit der Sicherung des Existenzrechts Israels zu tun. Und es kann auch nicht deutsche Staatsräson sein."

Felix Klein, Bundesbeauftragter gegen Antisemitismus

Johanna Sethe

Jüdische Siedler überfallen palästinensisches Dorf im Westjordanland

Im besetzten Westjordanland haben jüdische Siedler erneut ein palästinensisches Dorf attackiert. Eine große Gruppe von Siedlern habe in der Nacht zum Freitag mit Molotowcocktails geworfen und Menschen verprügelt, berichten Bewohner des Dorfes Burkin. Das israelische Militär berichtete am Freitag von Hinweisen, dass israelische Zivilisten im Norden des Westjordanlandes mutwillig Eigentum zerstört hätten. Das Militär hätte Soldaten an den Ort entsandt, die Verdächtigen seien jedoch geflohen. 

"Ich sah, wie meine Fahrzeuge verbrannt wurden, und dann schlugen sie mir auf den Kopf, und mir ist immer noch schwindlig", berichtete der Dorfbewohner Akram Sabra. Er habe beobachten können, wie mehrere Dutzend bis Hunderte Menschen die Autos von ihm und seiner Familie verbrannt und einen Molotowcocktail auf das Haus seines Sohnes geworfen hätten. 

Nach Angaben der humanitären Organisation der Vereinten Nationen (OCHA) sind mehr als 11.000 Palästinenser in den Städten Burkin und Kafr ad-Dik von der israelischen Armee eingeschlossen. In der Woche bis zum 19. Mai wurden 28 Angriffe von Siedlern gemeldet, die zu Verletzungen oder Sachschäden führten.  

Annika Benzing

Israel soll große Hilfslieferungen nach Gaza ermöglichen, fordert Guterres

UN-Generalsekretär António Guterres kritisiert die von Israel zugelassene Hilfe für den Gazastreifen als unzureichend. Sie entspreche "einem Teelöffel Hilfe", wenn eine Flut an Unterstützung benötigt werde, sagte Guterres. 

Der UN-Generalsekretär forderte Israel auf, umfangreiche Hilfslieferungen für die Menschen in Gaza zu erlauben. Die gesamte Bevölkerung des umkämpften Gebiets sei laut Einschätzung führender Expertinnen von einer Hungersnot bedroht, so Guterres. Die UN und ihre Partner seien bereit, die Lieferungen zu erhöhen. Israel habe als Besatzungsmacht die völkerrechtliche Verpflichtung, die Versorgung der Menschen im Gazastreifen zu gewährleisten.

Eric Voigt

Welternährungsprogramm meldet geplünderte Hilfslieferungen in Gaza

Im Gazastreifen sind nach Angaben des Welternährungsprogramms WFP 15 Lastwagen der Organisation auf dem Weg zu Bäckereien im Süden des Küstengebietes gestoppt und ausgeräumt worden. Hunger und Bedenken, ob Hilfsgüter überhaupt ankommen, hätten die Menschen in Unsicherheit und Verzweiflung gestürzt, teilte WFP mit. Israel solle größere Mengen an Lebensmitteln schneller durchlassen, forderte die Organisation.

Nach israelischen Angaben brachten am Freitag mehr als 100 Lastwagen unter anderem Mehl, Lebensmittel, medizinische Ausrüstung und Medikamente über den Grenzübergang Kerem Schalom. Nach Angaben von UN-Organisationen ist diese Menge jedoch völlig unzureichend, verglichen mit den rund 600 Lastwagen pro Tag, die während der Waffenruhe von Januar bis März in den Gazastreifen kamen.

Maline Hofmann

Netanjahu wirft Frankreich, Großbritannien und Kanada Unterstützung der Hamas vor

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Kritik der Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und Kanadas an der Offensive im Gazastreifen empört zurückgewiesen. Die Länder hatten zuletzt "konkrete Maßnahmen" angedroht, sollte Israels Militär die Offensive nicht stoppen. Netanjahu beschuldigte daraufhin die drei Länder, "Massenmörder" zu unterstützen.

"Sie stehen auf der falschen Seite der Menschheit, und Sie stehen auf der falschen Seite der Geschichte", sagte Netanjahu an die Regierungen der drei Länder gerichtet. Schritte zu einer möglichen Anerkennung eines palästinensischen Staates durch westliche Länder würden zudem die Hamas "belohnen", sagte der israelische Ministerpräsident weiter.

Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot entgegnete, Frankreich sei "unerschütterlich Israels Sicherheit verpflichtet". Er halte es für "absurd und verleumderisch", Befürworter einer Zweistaatenlösung zu beschuldigen, Antisemitismus oder die Hamas zu unterstützen. 

Maline Hofmann

Mehrere Menschen im Gazastreifen laut palästinensischen Angaben getötet

Im Gazastreifen sind palästinensischen Angaben zufolge in der Nacht mehrere Menschen bei israelischen Angriffen getötet worden. Bisher gibt es allerdings unterschiedliche Angaben zu den Toten. Während die von der Hamas geleitete Zivilschutzbehörde im Gazastreifen laut der Times of Israel von mindestens 16 Getöteten seit Mitternacht spricht, berichtet die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa von mindestens 28 Toten seit der Nacht. Weitere Menschen seien bei den Angriffen auf verschiedene Gebiete im Gazastreifen verletzt worden.

Israels Armee teilte mit, "mehrere Terroristen im gesamten Gazastreifen ausgeschaltet und militärische Einrichtungen, Waffenlager und Scharfschützenposten getroffen" zu haben. Die Luftwaffe habe mehr als 75 Ziele angegriffen, darunter Mitglieder von Terrororganisationen und Raketenabschussrampen.

Maline Hofmann

Israel meldet mehr als 100 Lkw mit Hilfslieferungen am Donnerstag

Insgesamt 107 Lastwagen mit Hilfsgütern sind laut dem israelischen Militär am Donnerstag in den Gazastreifen gefahren. Die Lkw waren demnach unter anderem von den Vereinten Nationen und hätten Mehl, Nahrung, medizinische Ausrüstung und pharmazeutische Produkte geladen. 

Anja Keinath

Gesundheitssystem in Gaza steht laut WHO kurz vor Zusammenbruch

Angesichts der anhaltenden israelischen Angriffe im Gazastreifen befindet sich das Gesundheitssystem dort kurz vor dem Zusammenbruch. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mussten in der vergangenen Woche vier große Krankenhäuser aufgrund israelischer Angriffe und Räumungsbefehle schließen. Demnach sind 94 Prozent der Krankenhäuser im Gazastreifen beschädigt oder zerstört.

Nur 19 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen sind den Angaben zufolge noch in Betrieb, von denen einige nur noch Notfallversorgung anbieten können. Der Norden sei fast vollständig von der Gesundheitsversorgung abgeschnitten, teilte die WHO mit. Die Krankenhäuser im Süden sind überlastet und stehen kurz vor der Schließung.

Die WHO forderte einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand. "Krankenhäuser dürfen niemals militarisiert oder angegriffen werden." Zudem forderte die Organisation, "dass Hilfslieferungen in großem Umfang über alle möglichen Wege in den Gazastreifen gelangen und die Menschen ungehindert erreichen können, wo immer sie sich befinden".

Anja Keinath

Rakete aus dem Jemen auf Israel abgefeuert

In der Nacht hat das israelische Militär nach eigenen Angaben erneut eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete abgefangen. In mehreren Gegenden Israels wurde Luftalarm ausgelöst. Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas greift die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz Israel immer wieder mit Raketen und Drohnen an.

Sophia Boddenberg

Netanjahu nominiert neuen Geheimdienstchef

Generalmajor David Zini soll der nächste Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet werden. Das teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit. Zini habe "viele operative und Kommandopositionen" innerhalb des Militärs innegehabt. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara kritisierte das Vorgehen Netanjahus und bezeichnete den Nominierungsprozess als "fehlerhaft".

Netanjahu hatte den Leiter des Inlandsgeheimdienstes, Ronen Bar, Ende März entlassen. Er begründete den Schritt mit mangelndem Vertrauen in Bar und dem Versagen des Schin Bet beim Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023. Bar bezeichnete seine Entlassung dagegen als politisch motiviert. Unter Eid warf er Netanjahu vor, von ihm persönliche Loyalität verlangt und ihn unter anderem zur Überwachung regierungskritischer Demonstranten aufgefordert zu haben.

Am Mittwoch hatte der Oberste Gerichtshof verkündet, die Entlassung Bars sei gesetzwidrig gewesen. Die Generalstaatsanwaltschaft untersagte der Regierung daraufhin die Ernennung eines neuen Geheimdienstchefs. Netanjahu teilte jedoch umgehend mit, er werde sich nicht daran halten. 

Hannah Prasuhn

Israel widerspricht UN-Angaben über Lebensmittelknappheit

Der israelischen Militärbehörde Cogat zufolge gibt es im Gazastreifen "nach aktueller Einschätzung derzeit keine Nahrungsmittelknappheit“. Auf X teilte die Behörde zudem mit, dass UN-Organisationen Nahrungsmittel und medizinische Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen dürfen.

Die UN hingegen sagten, dass nur die Hilfsgüter von 90 Lastwägen hätten abgeholt werden können – von insgesamt 200, die in den Gazastreifen gelangten, seit Israel in dieser Woche seine fast dreimonatige Blockade lockerte. "Die Lieferungen von gestern sind mengenmäßig begrenzt und reichen bei Weitem nicht aus, um die Bedürfnisse der 2,1 Millionen Menschen im Gazastreifen zu stillen“, sagte der Sprecher der Vereinten Nationen, Stéphane Dujarric.

Israel steht in der Kritik, die Bevölkerung im Gazastreifen hungern zu lassen und Hilfslieferungen zurückzuhalten. Die UN warnen vor einer Hungersnot in dem Küstenstreifen. 

David Rech

"Ihre Lebenssituation ist dramatisch"

Ständige Angst um das eigene Leben, kein sicheres Trinkwasser, Lebensmittel oder Medizin: Die ohnehin schon schwierige Situation der Menschen im Gazastreifen verschlimmert sich durch die israelische Offensive. Christof Johnen ist Leiter der internationalen Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz. Im Interview mit ZEIT ONLINE sagt er, die Lage vor Ort sei jenseits des Vorstellbaren. "Ich dachte häufiger: Schlimmer kann es kaum werden. Und dann ist es doch schlimmer geworden.“

Das ganze Interview lesen Sie hier: 

David Rech

Frankreichs Außenministerium bestellt Israels Botschafter ein

Die französische Regierung hat den israelischen Botschafter wegen Schüssen in Richtung europäischer Diplomaten im Westjordanland ins Außenministerium zitiert. Die Schüsse hätten die Diplomaten in Gefahr gebracht, sagte Ministeriumssprecher Christophe Lemoine. Sie seien ungerechtfertigt und inakzeptabel. Der israelische Botschafter sei einbestellt worden, um sich zu diesem äußerst ernsten Vorfall zu erklären.

Die diplomatische Delegation, darunter ein Mitglied aus Frankreich, war gestern bei einem Besuch in Dschenin im israelisch besetzten Westjordanland unter Beschuss geraten. Der Besuch war laut israelischen Militärangaben angemeldet gewesen. Die Soldaten hätten Warnschüsse abgegeben, weil die Delegation von einer genehmigten Route abgewichen sei, teilten die Streitkräfte mit. Teil der Gruppe waren nach Angaben des Auswärtigen Amtes auch ein deutscher Diplomat sowie ein Fahrer aus dem Vertretungsbüro in Ramallah. 

Sven Crefeld

Klingbeil verlangt mehr politischen Druck auf Israel

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat Israels Regierung aufgefordert, "alles zu tun, um ihre humanitären Verpflichtungen zu erfüllen". Der Vizekanzler sprach sich für den Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, ungehinderte humanitäre Hilfe, ungehinderten Zugang für Helfer und ein Ende völkerrechtswidriger Vertreibungspläne aus: "Das sind klare Forderungen, die wir und unsere EU-Partner haben. Wir brauchen hier jetzt auch stärkeren politischen Druck."

Die Eskalationsspirale müsse endlich enden, sagte der SPD-Politiker weiter. Deutschland habe seine humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen mehrmals deutlich aufgestockt und prüfe laufend, wie die Hilfe weiter verstärkt werden könne.

Omid Rezaee

Kinder und ältere Menschen in Gaza nach palästinensischen Angaben verhungert

Im Gazastreifen sind nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in den vergangenen Tagen 29 Kinder und ältere Menschen infolge von Hunger gestorben. Gesundheitsminister Madsched Abu Ramadan sprach von "hungerbedingten Todesfällen" und warnte, Tausende weitere seien in Lebensgefahr.

Ramadan bezeichnete die Schätzung der Vereinten Nationen, wonach ohne Hilfe bis zu 14.000 Babys sterben könnten, als "sehr realistisch – möglicherweise sogar zu niedrig". Zudem seien mehr als 90 Prozent der Medikamentenvorräte erschöpft.

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