Der ärgste Feind Wiens stand im Mai 1809 vor den Mauern der Stadt, hatte aber Sinn für die Kunst. Napoleon ließ die kaiserliche Residenz mit einer Heftigkeit beschießen, dass Ludwig van Beethoven – so gut hörte er damals noch – das Herz in die Hose rutschte. Vor lauter, sehr lauter Angst vergrub er sich bei der Gräfin Erdődy unter einem Berg von Kissen. Beethoven erging es nämlich bei dem Kanonendonner wie einem Hund zu Silvester: Er suchte verzweifelt den Notausgang aus diesem Höllenlärm.
Napoleon wusste um die Wirkung solchen Getöses auf musikalisch empfindsame Seelen, weil er selbst offenbar eine hatte. Er kommandierte nämlich zwei Posten ab, die das Haus des Komponisten Joseph Haydn während der Belagerung bewachen sollten, um diesen erstens zu beruhigen und zweitens vor Plünderungen zu schützen. Achteinhalb Jahre zuvor, am 24. Dezember 1800, hatte Napoleon in Paris die französische Erstaufführung von Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ besucht und war dabei nur knapp einem Attentat entgangen, weil eine Höllenmaschine – sicher auch mit Getöse – explodierte, kurz nachdem Napoleons Kutsche die Stelle passiert hatte.
Im Mai 1809 bewachten zwei französische Soldaten das Sterben Haydns, der seinerseits mit letzten Worten seinen vom Geschützdonner verängstigten Diener zu beruhigen versuchte. Einer der französischen Offiziere verabschiedete sich vom greisen Komponisten, indem er eine Arie aus der „Schöpfung“ sang. Am 31. Mai starb Haydn. Sein Sterbehaus ist heute Museum in der Haydngasse 6. Auch die Möbel aus der Wohnung von Johannes Brahms haben hier Obdach gefunden, nachdem dessen Sterbehaus schon 1915 abgerissen worden war.
Ein Verteilungskampf ums Geld ist entbrannt
Das Haydn-Museum wird ab dem 2. März 2026 schließen müssen. Das Wien-Museum, zu dem es wie viele andere Gedenkorte gehört, teilte gerade mit: „Die von der Stadt Wien beschlossenen Einsparungsmaßnahmen wirken sich auf das Budget des Wien Museums für 2026/2027 aus.“ Also müsse man aus budgetären Gründen „zum Teil behutsame Anpassungen“ der Öffnungszeiten einiger Standorte vornehmen.
Es trifft nicht Haydn allein. Auch das Museum in Schuberts Sterbehaus in der Kettenbrückengasse macht – zunächst nur temporär – dicht. Das Wohnhaus von Johann Strauss, der gerade noch als Jubilar groß gefeiert wurde, in der Praterstraße wird ebenfalls vom 2. März an geschlossen. Der ganze Vorgang ist symptomatisch: Kein Krieg von außen bedroht die Stadt, sondern ein Krieg im Innern – ein Verteilungskampf um die immer knapper werdenden Mittel in einer hoch verschuldeten Kommune.
Sie setzt ihre Prioritäten anders als selbst ihr ärgster Feind von 1809. Und vermutlich war die akute Not der Bürger an Leib und Leben damals größer als heute. Wieder einmal bewahrheitet sich das alte Sprichwort: Arm ist nicht, wer wenig hat, sondern wer viel braucht.

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