Das Hamburger Gas-, Dampf- und Kohlekraftwerk Tiefstack: »Alle Systeme blinken rot«
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Im Kampf gegen die Erderhitzung tun die Staaten weltweit viel zu wenig, um die Klimakrise auf ein erträgliches Maß einzudämmen. Das zeigt eine weitere, aktuelle Studie. Keiner der Indikatoren in 45 Schlüsselsektoren ist mit Blick auf das Jahr 2030 auf Kurs, um das Klimaabkommen von Paris einzuhalten, wie die Denkfabriken Climate Analytics und World Resources Institute (WRI) berichten. Die Teilnehmenden der Weltklimakonferenz hatten vor zehn Jahren in Paris beschlossen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
»Es besteht kein Zweifel daran, dass wir im Großen und Ganzen das Richtige tun. Wir bewegen uns nur nicht schnell genug«, sagte Clea Schumer vom WRI, eine der Leitautorinnen zum neuen Bericht »State of Climate Action 2025« . Eines der besorgniserregendsten Ergebnisse der Analyse sei, dass die Bemühungen zum Ausstieg aus der Kohle nun schon im fünften Bericht in Folge deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben, sagte Schumer laut »Guardian« weiter.
Zwar sank der Anteil von Kohle an der Stromerzeugung laut dem Bericht, da erneuerbare Energien deutlich zulegten. Doch der generelle Anstieg des Strombedarfs führte dazu, dass insgesamt mehr Kohle verbraucht wurde. Im Jahr 2024 soll die Kohlenutzung weltweit einen Rekordwert erreicht haben.
»Alle Systeme blinken rot«, sagte Schumer. Es bleibe einfach keine Zeit mehr für Zögern oder halbe Sachen. Die Ergebnisse gelten auch als Weckruf für die Weltklimakonferenz in Brasilien in knapp drei Wochen.
Alarmierend sei unter anderem, dass die staatlichen Subventionen für fossile Brennstoffe wie Gas, Öl und Kohle seit 2014 jährlich um durchschnittlich 75 Milliarden US-Dollar gestiegen seien – auf mehr als 1,5 Billionen US-Dollar im Jahr 2023. Auch nehme die Abholzung der Wälder, die klimaschädliche Treibhausgase aufnehmen, wieder zu, obwohl die Entwaldung zu Beginn des Jahrzehnts noch abgenommen hatte. Und der Anteil der klimaschädlichen Kohle an der Stromerzeugung sei in den vergangenen Jahren auch nur geringfügig gesunken. »Wir fallen nicht nur zurück – wir rasseln bei den wichtigsten Aufgaben durch«, sagte Sophie Boehm vom WRI dazu.
Kohleausstieg möglichst zehnmal schneller
Den Berechnungen zufolge müsste die Welt bis 2030 Folgendes unternehmen, um die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten:
Mindestens zehnmal schneller aus der Kohle aussteigen: Das entspricht der Stilllegung von fast 360 Kohlekraftwerken mittlerer Größe pro Jahr und dem Stopp aller geplanten Kohle-Projekte.
Die Abholzung von Wäldern neunmal schneller reduzieren: Das derzeitige Niveau entspricht dem Bericht zufolge in etwa dem dauerhaften Verlust von fast 22 Fußballfeldern pro Minute.
Den Rind- und Lammfleischkonsum in Ländern mit hohem Konsum fünfmal schneller reduzieren: Das bedeutet umgerechnet, den Konsum um etwa zwei Portionen pro Woche in Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland zu senken.
Bill Hare, Chef von Climate Analytics, sagte, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, komme es jetzt auf nur eines an: Geschwindigkeit. Darin sei die Wissenschaft sich einig.
Entwicklungen, die Hoffnung bringen
Die Autorinnen und Autoren des Berichts, den unter anderem der Bezos Earth Fund und die Stiftung ClimateWorks Foundation finanziert hat, befassen sich auch mit positiven Entwicklungen. So habe sich der weltweite Anteil der Stromerzeugung aus Solar- und Windenergie seit 2015 mehr als verdreifacht, hieß es.
Und im Jahr 2024 übertrafen die Investitionen in saubere Energien demnach zum zweiten Mal in Folge die Investitionen in fossile Brennstoffe.
Europäische Absichtserklärung
Der Bericht erscheint wenige Wochen vor dem Start der Weltklimakonferenz COP30, die vom 10. bis 21. November im brasilianischen Belém stattfinden wird. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie man die Ziele des Pariser Klimaabkommens konkret umsetzt, sowie die Überprüfung der aktualisierten nationalen Klimapläne.
Die EU-Länder haben jüngst ihre Position für die COP30 beschlossen: Die Staatengemeinschaft beabsichtigt, sich bei der Konferenz zudem für eine beschleunigte Energiewende und eine bessere finanzielle Unterstützung ärmerer Länder einzusetzen. In den Schlussfolgerungen rufen die EU-Staaten auch andere Länder zur Einreichung von Klimaplänen auf, die mit einem 1,5-Grad-Pfad im Einklang stünden.
Allerdings hat die EU selbst Fristen verstreichen lassen. Bislang konnten sich die EU-Umweltminister nur auf eine Absichtserklärung für einen Klimaplan bis 2035 verständigen. Darin heißt es, sie wollen ihre Emissionen in den nächsten zehn Jahren zwischen 66,25 Prozent und 72,5 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.
In Anbetracht der Entwicklungen hat der UN-Generalsekretär António Guterres ein Verfehlen des 1,5-Grad-Klimaziels in den kommenden Jahren als »unvermeidlich« bezeichnet. »Eines ist bereits klar: Wir werden die globale Erwärmung in den nächsten Jahren nicht unter 1,5 Grad halten können«, sagte Guterres am Mittwoch vor der Weltorganisation für Meteorologie in Genf. »Ein Überschreiten ist nun unvermeidlich.«

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