Arbeiter ohne Anmeldung auf dem Bau schuften lassen. Angestellten im Nagelstudio weniger als sieben Euro die Stunde zahlen. Anderen Firmen Scheinrechnungen stellen, um das Finanzamt zu täuschen und Sozialabgaben zu umgehen. Gegen solche Praktiken will Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) künftig stärker vorgehen.
Ein Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung soll am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden und zügig Bundestag und Bundesrat passieren. Davon profitieren sollen Beschäftigte und „ehrliche“ Arbeitgeber, aber auch die Staatskasse.
Bei der Vorstellung seines Haushaltsentwurfs sagte Klingbeil angesichts des 172-Milliarden-Euro-Defizits bis 2029, er verspreche sich vom Kampf gegen Schwarzarbeit auch höhere Steuereinnahmen. Lassen sich hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?
Schattenwirtschaft von 500 Milliarden Euro
Aufgrund der hohen Dunkelziffer lässt sich das wahre Ausmaß von Schwarzarbeit wissenschaftlich nur schwer beziffern. Das Institut der Deutschen Wirtschaft schätzt, dass mindestens 3,3 Millionen Personen im vergangenen Jahr ohne Anmeldung tätig waren.
Der Finanzwissenschaftler Friedrich Schneider beziffert den Umfang der Schattenwirtschaft, also Aktivitäten aus Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung, auf um die 500 Milliarden Euro pro Jahr. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung liegt sie seit zehn Jahren bei rund 10 Prozent. Damit ist Deutschland im Mittelfeld. In Griechenland und Italien ist der Anteil doppelt, in der Schweiz halb so groß.
In den letzten Jahren hat die Schattenwirtschaft in Deutschland wieder mehr Konjunktur. Schneider macht dafür vor allem die schwächelnde Wirtschaft und die steigende Arbeitslosigkeit verantwortlich. Stehen Firmen finanziell unter Druck, sei der Anreiz größer, Tätigkeiten oder Beschäftigte nicht zu melden, um Steuern zu sparen.
Millionen-Schaden für den Staat
Dem Staat entstand vergangenes Jahr nach Angaben der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) so ein Schaden von rund 766 Millionen Euro – auch dieser Wert ist eher als untere Grenze zu verstehen.
Die FKS ist beim Zoll ansässig. Um die 9500 Mitarbeitende prüfen und ermitteln zum Beispiel, ob Beschäftigte angemeldet sind, eine Aufenthaltserlaubnis haben und Sozialleistungen gezahlt werden. Rund 25000 Baufirmen, Gaststätten, Friseursalons und Speditionen wurden vergangenes Jahr untersucht und dadurch knapp 97.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Mit Klingbeils Gesetz soll die Einheit digitaler aufgestellt werden und mehr Einfluss bekommen. Prüfungen sollen künftig in rein digitaler Form möglich werden. Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden sollen Daten vollständig austauschen und die FKS durch Analyse dieser Daten gezielter gegen Betrug vorgehen können.
Barbershops und Nagelstudios im Fokus
Mit Barbershops und Kosmetik- sowie Nagelstudios werden zwei Branchen besonders in den Fokus genommen. Aus Ministeriumskreisen heißt es, Schwarzarbeit, Geldwäsche und ausbeuterische Beschäftigung (Bezahlung deutlich unter Mindestlohn, überlange Arbeitszeiten) hätten hier besonders zugenommen.
Arbeitnehmer müssen künftig ihren Ausweis mitführen und vorweisen. Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten spätestens am ersten Arbeitstag der Rentenversicherung melden. Die FKS soll zudem künftig selbstständig Ermittlungsverfahren, etwa bei Verdacht auf Mindestlohn- oder Sozialleistungsbetrug durchführen dürfen. Das soll Zeit sparen und die Justizbehörden entlasten.
Zuletzt soll es bei einem Viertel aller Prüfungen Beanstandungen gegeben haben. Diese Quote soll durch die geplanten Maßnahmen mindestens verdoppelt werden. Das alles kostet zunächst einmal Geld. Rund 465 Millionen Euro sind in Einzelplan 8, also Klingbeils Etat, für Investitionen in neue IT und zusätzliches Personal eingeplant.
Gleichzeitig rechnet man mit Mehreinnahmen von rund 1,8 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029. Im Finanzministerium weist man allerdings darauf hin, dass es sich dabei um Prognosen handelt. Dazu entfallen auf den Bund nur 280,5 Millionen Euro. Der Großteil geht an Länder und Sozialversicherungsträger.
Die Lücke von 172 Milliarden bis 2029 wird Klingbeil durch die Eindämmung von Schwarzarbeit also nicht ansatzweise schließen. Schwarz-Rot wird das Geld auf andere Weise auftreiben müssen.