IT-Spezialist gesteht Spionage für »russischen Agenten« Jan Marsalek

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Ein Geschäftspartner des flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstands Jan Marsalek , Orlin Roussev, hat in einem Spionageverfahren in London ein Geständnis abgelegt. Roussev, 46, bekennt sich nach SPIEGEL-Informationen schuldig, jahrelang für einen »russischen Agenten« Informationen beschafft zu haben – gemeint ist Marsalek.

Laut britischen Ermittlern soll ein Netzwerk um Roussev im Auftrag des Ex-Managers von Großbritannien aus Späh-Operationen für Russland ausgeführt haben. Auch in Deutschland war die Gruppe laut Staatsanwaltschaft aktiv.

Roussev gestand die Vorwürfe bereits Anfang November bei einer Anhörung vor dem Central Criminal Court in London, auch Old Bailey genannt. Berichten kann man darüber erst jetzt: Der Vorsitzende Richter hob am Donnerstag eine zuvor geltende Nachrichtensperre auf. Mit dem Berichtsverbot sollte verhindert werden, dass die Geschworenen vor Prozessbeginn beeinflusst werden.

Wie britische Fahnder herausgefunden haben, soll Marsalek die sechsköpfige Gang um Roussev unter anderem beauftragt haben , dem Kreml missliebige Personen auszuspähen und quer durch Europa zu verfolgen. Auch soll die Gruppe sensible Örtlichkeiten für Moskau ausgespäht haben - darunter offenbar der Stützpunkt »Patch Barracks« des US-Militärs in Stuttgart.

Im Februar 2023 verhaftete die Londoner Polizei zunächst fünf der Beschuldigten wegen Spionageverdachts. Der Inlandsgeheimdienst MI5 hatte die Gruppe schon länger überwacht.

Weiteres Geständnis

Vor Prozessbeginn im Old Bailey am Donnerstag hatte sich neben Roussev ein weiterer Tatverdächtiger schuldig bekannt.

Zur Stunde verliest die Staatsanwaltschaft für den Geschworenen die Anklage. Demnach erhielten die Beschuldigten für ihre Aktivitäten über Anleiter Marsalek »erhebliche Summen« an Geld. Ihr Vorgehen, so die Staatsanwältin, zeige ein »hohes Level der Spionage« mithilfe von professionellem technischem Equipment, um Zielpersonen und Örtlichkeiten auszuspähen. Die Agenten seien dabei ein hohes persönliches Risiko eingegangen. So hätten sie ihre Opfer auf Flügen und in ihrem Alltag verfolgt. Ein in der Gruppe diskutierter Plan sei zum Beispiel gewesen, eine Beschuldigte als sogenannte Honigfalle einzusetzen: Demnach sollte sie sich einem Opfer als Sexualkontakt anbieten, um mehr Informationen zu erlangen.

Insgesamt identifizierten die britischen Behörden sechs Operationen, an denen die Angeklagten in verschiedenen Konstellationen beteiligt gewesen seien.

Die zwei prominentesten Opfer sind den Ermittlungen zufolge die renommierten Investigativjournalisten Christo Grozev und Roman Dobrokhotov. Grozev war jahrelanger Chefreporter der Investigativplattform Bellingcat und arbeitet inzwischen für den SPIEGEL. In den vergangenen Jahren war der Journalist mit spektakulären Recherchen zu russischen Agenten bekannt geworden. Gemeinsam mit dem SPIEGEL und anderen Medien identifizierte Grozev unzählige russische Spione, etwa nach den Anschlägen auf den Überläufer Sergej Skripal in Großbritannien und auf den mittlerweile verstorbenen Dissidenten Alexej Nawalny. So geriet Grozev immer mehr ins Fadenkreuz russischer Dienste. Und damit ins Visier von Marsaleks Netzwerk.

Roman Dobrokhotov ist Chefredakteur des russischen Investigativmediums The Insider. Auch ihn zählt die russische Regierung zu ihren Feinden. Vor Jahren musste er aus einem Heimatland nach Europa fliehen, der Geheimdienst FSB sucht ihn mit Haftbefehl.

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