Tausende haben bei einem Protestmarsch versucht, die Freilassung des Ex-Premiers Khan zu erzwingen. Sicherheitskräfte riegelten die gesamte Hauptstadt Islamabad ab.
26. November 2024, 13:23 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AP, AFP, mmh
Bei schweren Zusammenstößen zwischen Anhängern des inhaftierten pakistanischen Ex-Regierungschefs Imran Khan und Sicherheitskräften sind in Islamabad einem Bericht zufolge mehrere Menschen getötet worden. Unter den mindestens sechs Toten seien vier Beamte sowie ein Zivilist, die auf einer Straße von einem Fahrzeug gerammt worden seien, meldete die Nachrichtenagentur AP. Ein weiterer Polizist kam dem Bericht zufolge bei einem anderen Zwischenfall ums Leben.
Das pakistanische Innenministerium hingegen spricht von sechs getöteten Sicherheitskräften bei den Protesten in der pakistanischen Hauptstadt. Mehr als hundert Einsatzkräfte seien bei den Ausschreitungen verletzt worden, hieß es.
Pakistans Innenminister Mohsin Naqvi teilte mit, vier Mitglieder einer paramilitärischen Gruppe seien auf einer ins Regierungsviertel führenden Straße getötet worden. Den mutmaßlichen Angriff mit dem Auto reklamierte zunächst niemand für sich. Der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif sprach von einer "Anarchistengruppe", die vorsätzlich Beamte ins Visier nehme.
Vergangene Woche hatte die Stadtverwaltung von Islamabad ein zweimonatiges Verbot für öffentliche Versammlungen ausgesprochen. Dennoch reisten Konvois von Khans Partei PTI aus ihren Hochburgen in der nordwestlichen Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der bevölkerungsreichsten Provinz, Punjab, in die Hauptstadt.
Am Sonntag waren Tausende Anhänger Khans dann für einen Protestmarsch in Richtung Islamabad aufgebrochen, um die Freilassung des Ex-Premiers Khan zu erzwingen. Seit dem Wochenende ist die Hauptstadt mit Schiffscontainern abgeriegelt, auch das mobile Internet wird blockiert. Angesichts der Lage hat das Militär die Sicherung von Islamabad übernommen. Mehr als 20.000 Polizisten sind in den Straßen im Einsatz. Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Tränengas ein, um ein Vordringen der Demonstrierenden in die Hauptstadt zu verhindern. Die Stadtverwaltung ordnete für Montag und Dienstag die Schließung von Schulen und Universitäten an.
Nachrichtenagentur meldet mehr als 500 Festnahmen
Khans Partei PTI gab an, dass es Protestierenden am späten Abend gelungen sei, nach Islamabad vorzudringen. In der Nacht drohte Innenminister Naqvi, dass Sicherheitskräfte mit Waffengewalt gegen Protestierende
vorgehen würden, die auf Beamte feuerten. "Wenn sie wieder Kugeln
abfeuern, wird die Kugel mit der Kugel beantwortet", sagte er. Bisher seien mehr als 500 Menschen festgenommen worden, berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Kreise des Geheimdienstes.
Zahlreiche Menschen wurden nach AP-Informationen verletzt, darunter Journalisten, die von Khan-Anhängern attackiert worden seien. Dutzende von ihnen schlugen demnach einen Videojournalisten der AP und nahmen ihm seine Kamera ab. Er kam mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus. Am Montag hatte ein Polizeisprecher angegeben, mindestens 50 Demonstrierende seien verletzt worden. Die Regierung sprach am selben Tag davon, dass durch die Unruhen binnen zwei Tagen ein Polizist getötet und neun weitere lebensgefährlich verletzt worden seien.
Regierung spricht von "Blutbad"
Regierungschef Sharif teilte mit, die Khan-Anhänger wollten "keine Revolution, sondern ein Blutbad". "Dies ist kein friedlicher Protest, das ist Extremismus", fügte er hinzu. Unter anderem die pakistanische Menschenrechtskommission warf der Regierung hingegen vor, überzureagieren. Die Zufahrten nach Islamabad zu blockieren, bestrafe de facto auch "einfache Bürger", teilte die Menschenrechtskommission mit.
Der Ex-Premier Khan wurde durch eine Misstrauensvotum 2022 abgewählt und sitzt seit August 2023 nach einem Schuldspruch wegen Korruption in Haft. Mehr als 150 Strafverfahren laufen gegen ihn – er ist jedoch nach wie vor beliebt. Khan bestreitet die Vorwürfe und sieht sich als Opfer einer für politische Zwecke missbrauchten Justiz. Seine Anhänger protestieren regelmäßig für seine Freilassung.