Iran: Die Mullahs drohen – und wirken verunsichert

vor 1 Tag 1

Mohammad Bagheri, der iranische Generalstabschef, hat in diesem Jahr viele seiner Waffen verloren, solche, die sein Regime an die Hisbollah geliefert hat, und solche, die Israel bei seinen Luftschlägen gegen Iran zerstört hat. Was Bagheri geblieben ist, sind Worte. Drohungen. Man habe Angriffspläne auf Israel „erarbeitet“, sagte Bagheri diese Woche. Pläne, die darüber hinausgingen, „was die Anführer des Regimes sich vorstellen können“. Regime, das heißt in der Sprache der iranischen Führung: Israel. Der Staat, dem die iranische Führung seit Jahrzehnten am liebsten droht. 

Kaum ein Tag vergeht ohne einen dieser martialischen Sätze aus Teheran. Man werde sich rächen für Israels Luftangriff im Oktober, der wiederum eine Reaktion war auf die iranischen Raketen auf Israel wenige Wochen zuvor. Nein, man werde es nicht dabei bewenden lassen. Israel müsse weiterhin bestraft werden. Und so weiter. Währenddessen aber begrüßte das iranische Außenministerium am Mittwoch die Waffenruhe in Libanon, fordert eine solche auch für Gaza. Und neben all den Drohungen klang Iran zuletzt auch wieder interessiert an einer Einigung, was das iranische Atomprogramm betrifft. Am Freitag will sich der Vizeaußenminister in Genf mit Vertretern der E-3-Länder treffen, das sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Es ist der erste solche Termin seit zwei Jahren.

Die Strategie, Israel mit Milizen einzukreisen, ist einstweilen gescheitert

Iran macht gerade einen verunsicherten Eindruck. Unsicher, wie es sich nach den Niederlagen der vergangenen Monate verhalten soll, was an Optionen bleibt. Israel hat sich im Nahostkonflikt als militärisch überlegen erwiesen. Israel habe, sagt die israelische Regierung, Irans letzte Batterien der russischen S-300-Luftverteidigung zerstört und das Raketenprogramm geschwächt, auch Anlagen, in denen Treibstoff hergestellt wird. Unklar also, wie gefährlich die iranischen Raketen für Israel noch sind. Dem nächsten israelischen Angriff könnte das Land jedenfalls wenig entgegensetzen. Dass Iran will, dass die Kriege in Libanon und Gaza aufhören, überrascht nicht, es hat dort nichts mehr zu gewinnen: Die verbündete Hisbollah ist aufgerieben, ähnlich die ebenfalls verbündete Hamas. Die iranische Strategie, Israel mit Milizen einzukreisen, ist einstweilen gescheitert. 

Iran wird versuchen, seinen Einfluss zu wahren, die Frage aber ist, ob es dazu die Mittel hat, finanziell wie logistisch. Wie will es die Hisbollah in Libanon wieder aufbauen, wenn Israel weiterhin die Nachschubwege durch Syrien bombardiert? Dazu steht das Land finanziell deutlich schlechter da als vor einigen Jahren. Zwar erhöht es gerade seinen Militärhaushalt deutlich, davon wird aber schon die zweistellige Inflation einen Teil verbrauchen.

Iran also ist militärisch wie wirtschaftlich angeschlagen. Wie nervös es derzeit ist, hat noch einen anderen Grund, er heißt Donald Trump. In den Machtzirkeln in Teheran dürfte es im Moment um eine Frage gehen: Wie viel Freiheit wird Trump dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu lassen? Der sagte in der Nacht zu Mittwoch, mit der Waffenruhe in Libanon könne man sich jetzt auf Iran konzentrieren.

Trump will einen „Fokus“ auf Iran legen

Während seiner ersten Amtszeit zog Trump die USA aus dem Atomabkommen mit Iran zurück, er nannte seine Politik „maximum pressure“, größtmöglichen Druck. Michael Waltz, Trumps designierter Nationaler Sicherheitsberater, hat soeben angekündigt, Iran werde der „Fokus“ des Präsidenten sein. Man werde mit China reden, das mehr als 90 Prozent des iranischen Öls kauft. „Solange sie Geld haben“, sagte Waltz, die Iraner meinend, „wird es im Nahen Osten keinen Frieden geben.“

Die iranische Führung will die Aufmerksamkeit nun offenbar wieder auf den Bereich lenken, der ihr noch Abschreckungspotenzial bietet: das Atomprogramm. Iran verfügt laut der internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) über genügend Uran für mehrere Atomwaffen, dafür müsste es den Anreicherungsgrad von derzeit 60 auf etwa 90 Prozent steigern. Hardliner im iranischen Machtapparat fordern schon länger, man solle endlich offiziell die Bombe anstreben.

In der IAEA setzten die westlichen Vertreter vor einigen Tagen eine Resolution durch, die Iran für seine mangelnde Kooperation verurteilt; also dafür, dass es sich längst nicht mehr ans Atomabkommen hält. Iran hatte kurz vorher angeboten, die Anreicherung auf 60 Prozent zu begrenzen, dem misstrauen die westlichen Länder aber. Die Organisation soll nun einen Bericht dazu erstellen, der könnte ein erster Schritt dahin sein, dass die Vereinten Nationen ihre Sanktionen aus der Zeit vor dem Abkommen wieder in Kraft setzen.

Außenminister Abbas Araghchi kündigte wegen der Resolution an, man werde weitere Zentrifugen in Betrieb nehmen, „Tausende“, sprich noch mehr Uran anreichern. Die Drohungen gehen also weiter, es ist das, was das iranische Regime am besten kann. Während es, andererseits, viel mehr Interesse an dem Treffen in Genf zeigte als die Europäer. Nicht schwer zu erkennen, wer derzeit mehr unter Druck steht.

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