In vier Phasen zur „offenen Feldschlacht“: So präzise plante die FDP das Ampel-Aus

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Carsten Reymann, der Bundesgeschäftsführer der FDP, hat offensichtlich ein Faible für militärische Metaphern. Er soll laut der Partei ein Strategiepapier verfasst haben, in dem die Parteizentrale der Liberalen den Ausstieg aus der Ampelkoalition plante. Auf acht Seiten ist dabei nicht nur mehrmals vom D-Day die Rede. Das Szenario lässt der mutmaßliche Autor Reymann auch im „Beginn der offenen Feldschlacht“ enden.

Das Papier veröffentlichte die FDP am Donnerstagabend auf ihrer Homepage. Zuvor hatten mehrere Medien die FDP mit ihren Recherchen konfrontiert. Dieser Berichterstattung wollte die Partei offenbar zuvorkommen.

D-Day steht in Deutschland für den 6. Juni 1944, jenen Tag, an dem die Alliierten in der Normandie landeten, um Europa endgültig von Nazi-Deutschland zurückzuerobern. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte noch vor wenigen Tagen bestritten, dass dieser Begriff in der FDP verwendet worden sei, um den Ausstieg aus der Ampel zu planen. „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden“, sagte er dem TV-Sender NTV.

Parteispitze angeblich nicht involviert

Nun ändert die FDP ihre Verteidigungsstrategie. In dem Text, mit dem die Partei die Veröffentlichung begründet, wird das Strategiepapier des Bundesgeschäftsführers als unbedeutend dargestellt.

„Dieses technische Papier ist kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen, sondern eine rein interne Vorbereitung für das Szenario eines Ausscheidens der FDP aus der Ampel-Koalition“, heißt es auf der Seite der Partei.

Mit anderen Worten: Als Parteichef Christian Lindner mit den liberalen Ministern und der Parteispitze in den Wochen vor dem Bruch der Koalition am 6. November in mehreren Treffen in Potsdam und Berlin über ein Ampel-Aus diskutierte, soll das Papier keine Rolle gespielt haben.

Das verwundert insofern, als in dem Papier auf einer ganzen Seite ein Statement von „CL“ wiedergegeben wird, in dem er das Ampel-Aus begründen soll. CL ist in der FDP die gängige Abkürzung von Christian Lindner.

Auch sonst enthält das Papier eine detaillierte Planung, wie die FDP einen Ausstieg aus der Regierung der Öffentlichkeit möglichst gewinnbringend präsentieren kann. In dem Papier geht es entsprechend ums „Timing“ – wobei die US-Wahl als Hindernis gesehen wird –sowie um den bestmöglichen Ablauf und passenden Kanal. Als zu erledigende Aufgaben definiert der Autor unter anderem „Feintuning Narrative“ und den Aufbau von „Ressourcen in Community Management“.

FDP-Generalsekretär hält Skandalisierung für „absurd“

Drei Szenarien für das Ampel-Aus werden in dem Papier diskutiert, hierbei geht es darum, wann die Gremien der Partei informiert werden. Als möglichen Kanal für die Verkündung der Botschaft werden ein Pressestatement, ein TV-Interview, ein Gastbeitrag in der „FAZ“ oder ein Sozial-Media-Video oder Selfie genannt.

Die Kommunikationsstrategie der FDP-Parteizentrale sah vier Phasen vor: Nach dem „Impuls“ sollte in den kommenden vier Stunden das „Narrativ“ für den Ausstieg der FDP gesetzt werden. In den kommenden 26 Stunden wollte die FDP ihr Narrativ, wonach nun eine Richtungsentscheidung über Neuwahlen nötig sei, möglichst auf allen Kanälen verbreiten. Danach stellte sich die FDP auf eine „offene Feldschlacht“ ein.

Wer Politik nur noch als Schlachtfeld begreift und als einziges verbleibendes Ziel Destruktion zum eigenen Nutzen hat, sollte keine politische Verantwortung tragen.

Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisiert das Vorgehen der FDP.

FDP-Generalsekretär Djir-Sarai erklärte diese intensive Planung des Ampel-Aus am Donnerstagabend für normal. Ein Ende der Ampel sei immer eine Möglichkeit des von der FDP angekündigten Herbst der Entscheidungen gewesen, sagte er. Die Skandalisierung der Vorbereitung in der Parteizentrale sei „absurd“.

Das sehen die früheren Koalitionspartner ganz anders. „Die FDP organisiert eine ‚Feldschlacht‘ gegen eine Regierung, der man selbst angehört“, schrieb SPD-Chef Lars Klingbeil auf X. „Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können.“

Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, sagte dem Tagesspiegel: „Die FDP bremst seit Jahren massiv Investitionen in Schulen, Klimaschutz und Brücken. Dass sie auch intern so viel Zerstörungswut mitbringt, wundert mich nicht.“

Die frühere Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang meldete sich ebenfalls auf der Plattform X zu Wort. Sie kritisierte die FDP scharf: „Wer Politik nur noch als Schlachtfeld begreift und als einziges verbleibendes Ziel Destruktion zum eigenen Nutzen hat, sollte keine politische Verantwortung tragen.“

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