Internationale Pressestimmen: "Das Ergebnis der Abstimmung ist beispiellos"

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Friedrich Merz ist Bundeskanzler – es brauchte zwei Versuche. Ausländische Medien sehen im gescheiterten ersten Wahlgang eine politische Krise. Die Presseschau

Aktualisiert am 6. Mai 2025, 17:50 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa,

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Auch viele ausländische Medien zeigten sich von Merz' Niederlage im ersten Wahlgang überrascht. © Florian Gaertner/​imago images

Eigentlich gilt die Wahl des Bundeskanzlers als Formsache. Der Koalitionsvertrag ist beschlossen, die designierten Ministerinnen und Minister sind bekannt. Friedrich Merz erreichte die notwendige absolute Mehrheit im ersten Wahlgang jedoch nicht – als erster Kanzlerkandidat in der Geschichte der Bundesrepublik. In den internationalen Medien wurde das historische Ereignis auch als solches aufgegriffen und mitunter drastisch kommentiert.

Bevor Merz in einem zweiten Wahlgang doch noch zum Bundeskanzler gewählt wurde, äußerten sich bereits zahlreiche ausländische Zeitungen zu den Vorgängen im Bundestag. Das erste Scheitern dürfte die Amtseinführung zumindest medial überschatten. Im Ausland ist das Erstaunen über das deutsche Parlament groß: irgendwo zwischen "Schock" und "Überraschung".

Die nächste Regierungskrise?

Der britische Guardian sieht in dem gescheiterten ersten Wahlgang eine "Schock-Niederlage". Für Merz bedeutet er laut der Zeitung The Times einen "Rückschlag für seine neue Koalition mit den Mitte-links-Sozialdemokraten". Der Telegraph bezieht die Ereignisse auf den CDU-Chef persönlich: "Merz wird bei der Wahl zum Bundeskanzler blamiert." 

In den US-Medien wird auf den politischen Schaden hingewiesen, den eine gescheiterte Kanzlerwahl mit sich bringen könnte. Merz hat "unerwartet nicht genügend Unterstützung in der ersten Runde der Parlamentsabstimmung erhalten – und damit sechs Monate nach dem Zusammenbruch der vergangenen Bundesregierung eine weitere politische Krise ausgelöst", heißt es in der Washington Post.

Es sei unklar, "warum ein Dutzend Mitglieder der vorgeschlagenen Koalition unter Merz ihm ihre Unterstützung verweigerten", schreibt das Wall Street Journal. Aber: "Das Ergebnis der Abstimmung ist beispiellos im Nachkriegsdeutschland." Die New York Times nennt die Niederlage im ersten Wahlgang "unerwartet" und "ernüchternd", CNN bezeichnet sie als "peinlich". Der Fernsehsender geht von politischen Folgen aus: "Zwar wird erwartet, dass er letztlich einen Weg an die Macht findet, doch das Ergebnis stürzt das Land erneut in politisches Chaos."

"Drama in Deutschland"

"Der Anführer der Konservativen wurde von 18 Abgeordneten 'verraten' – dabei dachte man, dass alles bereits festgezurrt war", schreibt die spanische Zeitung El Mundo. Vor der zweiten erfolgreichen Wahl wurde in mehreren spanischen Medien das Krisenpotenzial der gescheiterten Kanzlerwahl betont. "In Deutschland ist eine völlig unerwartete und beispiellose politische Krise ausgebrochen", heißt es in El País. Die Wirtschaftszeitung Cinco Dias berichtet von den Verlusten am Dax, der "auch die europäischen Indizes nach unten" ziehe.

Die französische Finanzzeitung Les Échos titelt indessen: "Drama in Deutschland". Der Vorgang ist laut dem Sender RFI "eine riesige Überraschung und eine riesige Enttäuschung für Friedrich Merz". Im polnischen Nachrichtenmagazin Polityka wird davor gewarnt, dass letztlich die AfD profitieren könnte: "Sollte es nicht gelingen, eine neue Koalition zu vereinbaren, könnte es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen, die die AfD gewinnen könnte."

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