Imposter-Gefühle im Studium: Wie man die innere Kritikerin zum Schweigen bringt

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 Ständig plagt einen das Gefühl, das eigene Können nur vorzutäuschen

Impostor-Syndrom: Ständig plagt einen das Gefühl, das eigene Können nur vorzutäuschen

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Donatella Loi / plainpicture

Mein erster Zeitungsartikel, mein erster Buchvertrag – und all das vor meinem Abitur: Ich habe schon früh Chancen bekommen, die anderen verwehrt bleiben. Doch dabei habe ich mich nie gefühlt, als hätte ich sie verdient.

In der Schule machte mir das Schreiben so viel Spaß, dass ich irgendwann zur Schülerzeitung ging. Mein Traumberuf war, Journalistin zu werden. Ich fand mich nie besonders herausragend. Als andere mich talentiert nannten, fiel es mir schwer, dem Lob zu glauben.

Mitten in der Pandemie Abitur gemacht, Traumstudienplatz nicht bekommen, trotzdem in die Unistadt gezogen: In ihrer Kolumne »Wird schon!« beschreibt Ananda Klaar, wie man trotz Dauerkrise gut ins Erwachsenenleben startet. Und die Dinge dabei vielleicht sogar besser macht als vorherige Generationen.

Ananda Klaar, geboren 2003, ist Autorin des Sachbuchs »Nehmt uns endlich ernst! Ein Aufschrei gegen die Übermacht der Alten«. Sie ist inaktives Mitglied bei den Jusos und setzt sich in der Hochschulgruppe »Students for Future« für Klimaschutz ein.

Als ich mit 17 meinen ersten Zeitungsartikel schreiben durfte, wirkte das wie ein surrealer Traum. Im Jahr darauf erschien ein Sachbuch mit meinem Gesicht darauf, das ich neben dem Abitur geschrieben hatte. In der Schule wurde ich dafür von allen Seiten beglückwünscht, meine Mutter postete stolz mein Buch in ihrem WhatsApp-Status. Auch, als ich für mein Studium nach Leipzig zog, machten alle große Augen, wenn das Gespräch darauf fiel.

Doch richtig genießen konnte ich die Reaktionen nie. Ich vermied meist, zu viel über mein Buch zu sprechen. Ich wartete förmlich darauf, dass auch allen anderen klar werden würde, dass mir der Artikel, das Buch und alles, was ich bisher erreicht hatte, unrechtmäßig zugeflogen waren. Das war ein wenig ironisch – denn das Buch appelliert an meine Generation, sich selbst mehr zuzutrauen und sich älteren Menschen gegenüber zu behaupten.

Fast jeder Teil meines Lebens – mein Studium, mein Job, meine Freundschaften – wird von meiner inneren Hochstaplerin beansprucht. Doch je länger sie mich begleitet, desto mehr Strategien finde ich, mit meiner gefühlten Betrügerei umzugehen und letztlich mein Selbstbewusstsein zu stärken.

Die Angst, im Hörsaal aufzufliegen

Wie ich erst später lerne, hat das Hochstapler-Gefühl einen Namen: Impostor-Syndrom. Betroffene leben unter der Annahme, ihren Erfolg eigentlich nicht verdient zu haben. Sie gehen davon aus, ihren Kolleg:innen, Vorgesetzten oder Chefs gute Leistung nur vorzuspielen und irgendwann damit aufzufliegen. Wie viele Betroffene es gibt, ist laut der Forschung schwer zu sagen. Lange galt das Phänomen als ein dezidiert weibliches, inzwischen geht man jedoch davon aus, dass Männer gleichermaßen betroffen sind.

Auch heute noch, im Studium, bin ich immer wieder mit meiner vermeintlichen Hochstaplerin konfrontiert. Dann fühle ich mich dümmer als meine Kommiliton:innen – so, als wäre ich für mein Studienfach komplett ungeeignet. In Seminaren traue ich mich häufig nicht, mitzudiskutieren, aus Sorge, etwas Falsches zu sagen. Hausarbeiten lasse ich vor der Abgabe von mehreren Leuten korrigieren, um ja nichts Absurdes geschrieben zu haben. Und in Vorlesungen sitze ich am liebsten ganz hinten, um auf keinen Fall eine Frage beantworten zu müssen. Dabei schreibe ich gute bis sehr gute Noten.

Um gegenzusteuern, habe ich mittlerweile ein paar Kniffe entwickelt: Statt mich meinen Kommiliton:innen stillschweigend unterzuordnen, versuche ich, nach Vorlesungen und Seminaren mit ihnen über Inhalte zu sprechen und von ihnen zu lernen. Gelegentlich passiert es sogar, dass jemand meinen Diskussionsbeitrag lobt, wenn ich mich doch traue, mich zu melden.

Außerdem habe ich mit der Zeit gelernt, dass es in Ordnung ist, in Veranstaltungen offen zu sagen, dass ich etwas nicht verstanden habe oder eine ausführlichere Erklärung brauche. Die Uni ist schließlich da, um zu lernen – und es ist der Job der Dozierenden, Wissen zu vermitteln. Auch, wenn es mich jedes Mal Überwindung kostet, habe ich noch nie eine negative Reaktion auf eine Nachfrage erlebt. Im Gegenteil: Manchmal höre ich danach von anderen Studierenden, wie dankbar sie sind, dass sich jemand getraut hat, eine Frage zu stellen, die auch für sie unklar war. Dann merke ich: Die anderen wissen auch nicht alle mehr als ich.

Üben, sich selbst Komplimente zu machen

Das Gefühl, nicht gut genug zu sein und irgendwann damit aufzufliegen, begegnet mir allerdings auch in weniger leistungsorientierten Umgebungen. Ich ertappe mich ständig dabei, wie ich mich mit Menschen auf der Straße oder in der Bahn vergleiche und an mir selbst zweifle: Bin ich cool genug, um in Leipzig zu wohnen? Sieht man mir an, dass ich hier nicht hingehöre? Auch in Freundschaften fällt es mir häufig schwer, Komplimente anzunehmen. Stattdessen wimmle ich nette Worte meistens ab und wechsle schnell das Thema.

Mir fällt es wiederum leicht, anderen ein Kompliment zu machen – etwa wenn mir ein cooles Outfit, ein besonders kluger Diskussionsbeitrag oder ein schönes Lächeln auffällt. Das versuche ich nun, auch bei mir selbst zu üben. Ich wiederhole immer wieder, was ich kann, worin ich gut bin und was an mir auffällt – entweder in meinem Kopf, oder ich schreibe es auf.

Außerdem bin ich besser darin geworden, der Meinung von Menschen zu glauben, die ich schätze: mein Partner, enge Freund:innen oder auch Dozent:innen. Mittlerweile erinnere ich mich selbst bei Lob oder Komplimenten: Wenn die es sagen, wird es schon stimmen.

Natürlich weiß ich, dass meine bisherigen Erfolge nicht ausschließlich auf Glück beruhen. Ohnehin sollte ich meinen Selbstwert nicht nur dadurch definieren. Trotzdem werde ich mein Gefühl der Hochstapelei vielleicht nie ganz los. Doch je mehr ich Komplimente durch andere zulasse und mich selbst lobe, desto häufiger fühle ich mich weniger betrügerisch. Und wer nicht betrügt, muss auch keine Angst haben, enttarnt zu werden.

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