Handball-WM 2025: Deutschlands ziemlich unerwartete Nervenschlacht gegen die Schweiz

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Zittersieg bei WM für deutsche Handballer Eine ziemlich unerwartete Nervenschlacht

Gegen die Schweiz wurde ein klarer Sieg erwartet, dann musste Torhüter Wolff die Deutschen retten. Die Hauptrunde hat die DHB-Auswahl erreicht – aber es wartet viel Arbeit. Am Dienstag könnte der Gegner Dänemark heißen.

17.01.2025, 22.19 Uhr

 Seine vielen Paraden waren wegweisend

DHB-Keeper Andreas Wolff: Seine vielen Paraden waren wegweisend

Foto: Tilo Wiedensohler / camera4+ / IMAGO

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Szene des Spiels: In der 55. Minute wurden die Schritte von Lukas Mertens bei einem Tempogegenstoß immer schneller, dann warf er. Der Linksaußen der deutschen Handballer jubelte, als sei ihm ein einzigartiges Kunststück gelungen, doch Mertens warf nur ins leere Tor, weil die Schweiz gerade ohne Torhüter gespielt hatte. Der Jubel, die weit ausgestreckten Arme in Richtung Publikum, waren eher ein Ausdruck der Erleichterung. Der Treffer zum 29:27 im dänischen Herning war eine Art Vorentscheidung in einem WM-Spiel, das in dieser Härte nicht zu erwarten war.

Ergebnis: Vor einem Jahr besiegte die DHB-Auswahl die Schweiz bei der Heim-EM noch deutlich 27:14. Dieses Mal hielten die Eidgenossen mit all ihren Kräften dagegen. Am Ende setzte sich die deutsche Mannschaft knapp 31:29 durch. Es war ein hart erkämpfter Sieg, der zweite bei dieser Endrunde, mit dem die deutschen Handballer bereits vorzeitig die Hauptrunde erreicht haben. Hier finden Sie den Spielplan.

Hohe Erwartungen: Es lief die fünfte Minute, als Renārs Uščins mit dem Rücken zum Tor stand und mit einem No-Look-Pass seinen Mitspieler Timo Kastening fand. Dieser spielte hoch in den Kreis und Julian Köster verwandelte noch in der Luft – ein vollendeter Kempa-Trick. Dieser schöne Treffer zum 2:3 war wohl ein Vorgeschmack auf das, was so viele Experten im Vorfeld gesagt hatten: Die Schweiz habe gegen Deutschland keine Chance. Der ehemalige DHB-Boss Bob Hanning sagte in seiner TV-Kolumne auf »Kicker.de«: »Die Schweizer können uns nicht gefährlich werden.« Nun ja.

Zähe Realität: Tatsächlich dauerte es bis zur 22. Minute, ehe die deutsche Mannschaft durch einen Treffer von Nils Lichtlein erstmals in Führung ging. Bis dahin: viele Fehlwürfe, viele Ballverluste, zwischenzeitlich drei Tore Rückstand. Das war weit entfernt von der starken Schlussphase im ersten Spiel gegen Polen, weit weg von den vollmundigen Prognosen.

Die Nummer eins: Und die DHB-Auswahl hatte das Glück, dass Torhüter Andreas Wolff einen Traumtag erwischte. Der 33-Jährige ging mit einer sensationellen Quote von 50 Prozent gehaltener Bälle in die Pause und sorgte dafür, dass die DHB-Auswahl beim Halbzeitpfiff 15:14 in Führung lag. Als Kastening auf dem Weg in die Kabine kurz am ZDF-Mikrofon anhielt, um ein kurzes Zwischenfazit zu ziehen, sagte er: »Wir können froh sein, dass Andi ein paar Bälle hält.« Das war leicht untertrieben.

Hilfe angefordert: Im Auftaktduell gegen Polen musste die DHB-Auswahl in den letzten 20 Minuten auf Juri Knorr verzichten, als der Spielmacher mit Knieproblemen vom Feld musste. Eine Schrecksekunde, die aber nicht lange andauern sollte. Gegen die Schweiz saß der 24-Jährige zwar wieder auf der Bank, doch dass er so schnell ins Spiel kommen würde, war wohl nicht geplant. Bereits in der zehnten Minute kam Knorr rein, denn ohne seine Pässe und Kommandos lief nichts. Aber auch mit ihm wurde es nicht so viel besser.

Hype vorbei? Rund um den Erfolg mit der olympischen Silbermedaille 2024 war er der Held , beim Auftaktsieg gegen Polen mit zehn Treffern bester Werfer: Uščins, 22, ist eines der größten Talente im deutschen Handball und wurde in den vergangenen Monaten zu Recht gefeiert. Gegen die Schweiz zeigte sich aber auch, dass der rechte Rückraumspieler keine Maschine ist, keiner, der seine Entwicklung schon abgeschlossen hat. So häuften sich die Fehlwürfe des Toptalents in einer Phase, als die Schweizer in der zweiten Hälfte drückten und wieder in Führung gingen.

 Licht und Schatten gegen die Schweiz

Toptalent Uščins: Licht und Schatten gegen die Schweiz

Foto: Bernadett Szabo / REUTERS

Hype nicht vorbei! Eine Eigenschaft aber, die Uščins besonders auszeichnet: Mut. In der 45. Minute hatte der Hannoveraner eine Wurfquote von 40 Prozent, nur vier Treffer aus zehn Würfen, das war für seine Verhältnisse nicht gut. Es stand zu diesem Zeitpunkt 22:21 für die Schweiz – und dann warf Uščins trotzdem einfach weiter, anstatt die Verantwortung zu übergeben. Er warf und traf zum 22:22 und kurz darauf mit dem nächsten Versuch sogar zum 24:22.

Verhext: Doch wie wenig an diesem Abend zusammenlaufen sollte, zeigte sich nicht nur daran, dass die Schweizer sofort wieder ausglichen. Sondern auch, als Timo Kastening in der 51. Minute frei stehend das 26:25 vergab – und zwar so, dass er dem bis dahin starken Schweizer Torhüter Nikola Portner den Ball mitten ins Gesicht warf. Kastening erhielt daraufhin die fällige Zwei-Minuten-Strafe wegen Kopftreffers.

Ausblick: Wolff hielt noch einige Male überragend, insgesamt kam er auf sensationelle 20 Paraden, und am Ende sollte der Sieg stehen. Die deutschen Handballer zeigten sich weit von ihrer besten WM-Form entfernt, behielten aber die Nerven. Ob die schlechte oder die gute Nachricht überwiegt, muss jeder für sich entscheiden. Klar ist, dass den deutschen Handballern nicht mehr viel Zeit bleibt, um das Niveau der Olympischen Spiele im vergangenen Sommer zu erreichen. Am Sonntag steht das letzte Gruppenspiel gegen Tschechien an, am Dienstag könnte im ersten Duell der Hauptrunde schon Dänemark warten. Der Weltmeister und Olympiasieger.

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