Mit einem massiven Drohnenangriff auf Luftwaffenstützpunkte in Russland hatte die Ukraine am vergangenen Wochenende weltweit Aufsehen erregt. Es war ein bisher beispielloser Schlag gegen die Armee von Kreml-Machthaber Wladimir Putin, der das Nachbarland seit Beginn seines Angriffskrieges im Februar 2022 immer wieder mit Luftangriffen überziehen lässt. Dabei kommen auch mit Marschflugkörpern und Gleitbomben bestückte strategische Bomber zum Einsatz, die meist weit entfernt von der Grenze stationiert sind.
Und genau auf diese hatte es der ukrainische Geheimdienst SBU in der „Operation Spinnennetz“ genannten Kommandoaktion abgesehen – und sie als großen Erfolg gefeiert: Insgesamt 41 Flugzeuge seien zerstört oder zumindest beschädigt worden, darunter das Frühwarnflugzeug Berijew A-50 sowie Kampfflugzeuge vom Typ Tupolew Tu-95 sowie Tu-22 und Tu-160.
Maschinen waren zum Teil unmittelbar vorbereitet für den Einsatz in der Ukraine.
Christian Freuding, Generalmajor der Bundeswehr
Insgesamt seien etwa 34 Prozent der russischen Bomber, die in der Lage sind, Marschflugkörper abzuwerfen, getroffen worden, hieß es. Der ukrainische Generalstab schraubte die Zahl zunächst deutlich nach unten, um sich dann wieder auf die zunächst genannte Zahl zu korrigieren.
Seitdem die Attacken auf mehrere Basen der Russen durch die Ukraine bekannt gemacht und durch Satellitenfotos und Videos belegt wurden, wird nun darüber gerätselt, wie viele Kampfflugzeuge Putins Luftwaffe tatsächlich verloren hat, zumal die Maschinen offenbar schlecht geschützt waren.

© Imago/UPI Photo/Screenshot via Ministry of Defense of Ukraine
Der Leiter des Lagezentrums Ukraine der Bundeswehr geht auch davon aus, dass deutlich weniger Maschinen getroffen wurden, als vom SBU angegeben. Die Angriffe hätten wahrscheinlich etwa zehn Prozent der strategischen Bomber Russlands beschädigt, sagte Generalmajor Christian Freuding am Pfingstwochenende in einem Youtube-Podcast des Verteidigungsministeriums.
Es habe wohl Schäden an mehr als einem Dutzend Flugzeugen gegeben. Dabei gehe es um Langstreckenbomber des Typs TU-95 und die Überschall-Flugzeuge TU-22. „Sie waren zum Teil unmittelbar vorbereitet für den Einsatz in der Ukraine“, sagte Freuding zu von der Bundeswehr analysierten Videoaufnahmen, die von ukrainischer Seite zur Verfügung gestellt worden seien. Das mache den Wert dieses Angriffs aus, so der Chef des Planungsstabs von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
Aufklärungsmaschinen vom Typ A-50 – ähnlich wie die Awacs-Flugzeuge der Nato für die Luftraumüberwachung und als fliegende Leitzentrale zuständig – seien wahrscheinlich nicht einsatzbereit gewesen, als sie getroffen wurden, so Freuding. Sie könnten wohl aber auch nicht mehr für Ersatzteile verwendet werden. Das sei für Russland ein Verlust, denn es gebe nur noch eine Handvoll dieser Flugzeuge.
Freuding zufolge griff die Ukraine zwei nicht sehr weit von Moskau entfernte Flugplätze an. Erfolgreich attackiert wurde demnach aber auch der Militärflugplatz Olenja 1400 Kilometer nördlich der Hauptstadt in der Region Murmansk. Ein anderer getroffener Flugplatz, Belaja, liegt sogar rund 4.000 Kilometer östlich von Moskau entfernt in Sibirien. Ein fünfter Angriff auf den Flugplatz Ukrainka in der Nähe der chinesischen Grenze sei gescheitert.
Aus den USA war unter Berufung auf Insider berichtet worden, dass der Drohnenangriff der Ukraine bis zu 20 russische Kampfflugzeuge getroffen habe, von denen etwa zehn zerstört worden seien. Experten zufolge dürfte Russland demnach Jahre brauchen, um diese zu ersetzen.
Trotz der Verluste geht Freuding aber nicht von unmittelbar weniger russischen Angriffen auf die Ukraine aus, der Heeres-General betonte aber mittelfristige Effekte. „Es wird nicht morgen oder übermorgen zu einer Abnahme russischer Luftangriffe führen.“ Es stünden immer noch rund 90 Prozent der russischen Langstreckenflotte zur Verfügung.
Russland habe die Luftüberlegenheit über die vorübergehend besetzten Gebiete in der Ukraine. Aber der Typ der getroffenen Flugzeuge werde nicht mehr hergestellt, so könnten die beschädigten Flugzeuge nicht mehr als Ersatzteillager genutzt werden. Die in den Flotten noch vorhandenen Flugzeuge würden mittelbar mehr beansprucht und abgenutzt werden.
„Das Neue an diesem Angriff war, dass man bislang immer aus der Ukraine mit zumeist weitreichenden Drohnen die russischen Ziele bewirkt hat – und jetzt hat man die Wirkmittel in Russland vorstationiert und koordiniert zum Einsatz gebracht. Koordiniert gegen Kräfte, die gerade in der Vorbereitung waren, um in der Ukraine eingesetzt zu werden. Und das mit großer Überraschung und veritablem Erfolg“, sagte Freuding.
Freuding weiter: Und, ich glaube, das ist das Wichtigste: Es gibt einen großen psychologischen Effekt.“ Putins Truppen hätten sich in seinem riesigen Territorium sicher gefühlt, was auch erkläre, warum die Flugzeuge kaum geschützt gewesen seien. Das werde sich nun ändern.
Wichtig sei die Operation auch für die Ukraine. „Die Streitkräfte und Sicherheitskräfte haben wieder einmal ihre Handlungsfähigkeit, ihre Planungsfähigkeit und ihre große Disziplin in der Durchführung von Operationen bewiesen.“