Google in Grün? So greift Ecosia mit KI-Suche und neuem Suchindex an

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Klar ist es allen Internetnutzern schon lange, 2024 wird es offiziell: Google hat ein illegales Monopol im Bereich der Internetsuche. Das bestätigte der US-Bezirksrichter Amit Mehta im August des vergangenen Jahres. Anfang Dezember 2025 hat Mehta weitere Details zu den kartellrechtlichen Abhilfemaßnahmen bekanntgegeben, wie CNBC berichtet. An die muss sich Google, das Berufung gegen das Urteil einlegen will, zwingend halten. Ein Blick auf den Marktanteil des Tech-Konzerns unterstreicht, dass sich dessen Monopol ohne diese Maßnahmen nicht von sich aus brechen lässt.

Statcounter-Daten zeigen, dass seit mindestens 2009 rund 90 Prozent der weltweit getrackten Seitenbesuche über einen Suchmaschinenlink von Google kommen. Kein anderer Anbieter kommt über fünf Prozent, im November 2025 ist Bing dieser magischen Grenze mit rund vier Prozent noch am nächsten. Fokussiert man sich auf den deutschen Markt, taucht bei den Top-Suchmaschinen ein international eher unbekannter Name auf: Ecosia.

Die deutsche Firma gibt es seit 2009, sie ist primär für ihren Ansatz bekannt, ihren Gewinn in Aufforstungsprojekte auf der ganzen Welt zu stecken. 2025 rüstet die Firma auf: Erst geht ein lange geplanter, eigener Suchindex ans Netz, jetzt brüstet sich Ecosia mit dem Einsatz der ⁣„grünsten KI der Welt“. Das klingt nach großen Ambitionen. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass die Firma diese langfristig umsetzen kann? Und kann ihre „grüne KI“ wirklich so nachhaltig mitwachsen?

Wie bei vielen Start-ups ist die Geschichte von Ecosia eng mit seinem Gründer verknüpft. Allerdings stammt Christian Kroll nicht aus einer Region, die mit technologischem Fortschritt in Verbindung gebracht wird, sondern aus Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Er studiert an der Nürnberger Friedrich-Alexander-Universität Betriebswirtschaftslehre und macht nach seinem Abschluss 2007 eine Weltreise, die ihn unter anderem auch nach Nepal führt. Dort startet er, wie er dem Portal Wir sind der Osten gegenüber erklärt, eine Suchmaschine, deren Einnahmen an lokale Nichtregierungsorganisationen gehen sollen. Das Projekt scheitert, die Idee bleibt.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland startet Kroll in Berlin mit seiner Schwester Jana mit Ecosia einen neuen Anlauf. Auch hier geht es wieder um eine Suchmaschine. Deren Einnahmen sollen diesmal in weltweite Aufforstungsprojekte fließen. 2010 folgt der Eintrag ins Handelsregister, damals noch in Wittenberg, 2015 zieht die Firma auch auf dem Papier in die Bundeshauptstadt. Zu Beginn hält sich die Profitabilität der Firma in Grenzen. Laut Jahresabschluss für das Jahr 2010 liegt der Gewinn im Gründungsjahr bei 15.000 Euro. Große Sprünge lassen sich damit nicht machen.

Zehn Jahre später sieht das schon deutlich anders aus. Trotz überschaubarem Marktanteil macht die Firma 2020 aus etwa 23 Millionen Euro Umsatz rund sechs Millionen Euro Gewinn. Der geht gemäß Satzung zu 80 Prozent an Baumpflanzprojekte. 20 Prozent fließen in andere umweltverträgliche Projekte wie ökologische Landwirtschaft oder erneuerbare Energien. Aber nicht nur finanziell befindet sich Ecosia zwischen 2010 und 2020 im Umbruch. Die US-Nichtregierungsorganisation B Lab, die sozial und ökologisch besonders nachhaltige Unternehmen als sogenannte B Corp zertifiziert, verpasst Ecosia 2014 den entsprechenden Stempel. 2018 überträgt Kroll 99,9 Prozent seiner Firma an die in Hamburg ansässige Purpose Stiftung, die Unternehmen treuhänderisch verwaltet und damit einen Verkauf unmöglich macht. Und auch heute setzt sich Kroll für eine neue Rechtsform ein, die die Ausschüttung von Gewinnen an Gesellschafter verbieten soll.

Trotz Wachstum bleibt sich Ecosia also treu und leitet sämtliche Gewinne in Umweltschutz- und Klimaprojekte um. Dafür beteiligt sich das Berliner Startup auch an anderen Firmen und hält zum Beispiel seit 2021 zwei Prozent der Anteile an der Frohburger Agrar, die sich der Öko-Landwirtschaft verschreibt. 2018 baut die Firma mit ihren Überschüssen erste eigene kleine Solaranlagen. Mit dem Solarpark Rottenbach betreibt Ecosia zusammen mit der Naturstrom AG mittlerweile eine Anlage, die erst im November um weitere fünf Megawatt erweitert wird.

Seinen Umsatz macht die Firma laut eigenen Angaben ausschließlich mit Suchmaschinenwerbung. Hierfür braucht es trotz aller Unabhängigkeit aber auch die Unterstützung von Big Tech. Denn seine Ergebnisse bekommt Ecosia auch heute noch hauptsächlich über die Suchindizes von Microsofts Bing und des Monopolisten Google. Die Anzeigen werden über Google Adsense und das Microsoft Advertising Network eingespielt. Ohne US-Firmen würde die Ergebnisliste also derzeit deutlich dürftiger ausfallen.

Auch die Hauptmotivation von Ecosia, nämlich die Aufforstung zur Abmilderung der Auswirkungen des Klimawandels, steht allgemein gesehen von unterschiedlichen Seiten in der Kritik. Apples Bewaldungsprojekte in Brasilien werden beispielsweise von Experten als Greenwashing bezeichnet. Eine aktuelle Studie aus dem Journal of Environmental Management von Forschern der Coventry University und der südafrikanischen Stellenbosch University kommt außerdem zu dem Schluss, dass es bei 16 exemplarisch untersuchten Aufforstungsprojekten in Äthiopien deutliche Mängel gibt. Nur ein Bruchteil der Vorhaben hält sich zum Beispiel komplett an die sogenannten goldenen Regeln der Aufforstung. Lediglich jeweils zwei haben ihre bis zum Stichtag gesetzten Umwelt- und sozioökonomischen Ziele erreicht. Auch Ecosia ist über Partner an Aufforstungsprojekten in Äthiopien beteiligt, überprüft diese laut Firmenaussage aber auch selbst. Immerhin: Die Kombination aus Solarenergie und Baumpflanzprojekten soll Ecosia zu einem mindestens emissionsneutralen, mutmaßlich sogar emissionsnegativen Unternehmen machen.

Zumindest in einem Bereich will Ecosia seine Abhängigkeit von Partnern außerhalb der EU in Zukunft allerdings drastisch reduzieren. Zusammen mit der französischen Suchmaschine Qwant kündigt die Berliner Firma unter dem Namen European Search Perspective (EUSP) im November 2024 eine neue Initiative an. Die soll erstmals einen groß angelegten europäischen Suchindex entwickeln, der nicht von den Algorithmen von US-Anbietern abhängig ist. Ein wichtiger Unterschied, den Qwant in der Ankündigung betont: Die EUSP ist zwar ein Joint Venture beider Firmen, fällt aber nicht unter den Verantwortungseigentum-Schirm von Ecosia. Damit können sich auch externe Investoren an dem Projekt beteiligen.

Die Zusammenarbeit der beiden Suchmaschinenbetreiber, die auf dem Papier konkurrierende Produkte anbieten, ergibt vor dem Hintergrund der digitalen Souveränität Sinn. Denn anders als Vorhaben von deutschen Firmen wie der Telekom oder SAP, die sich für die Technologie doch wieder US-Konzerne mit an Bord holen, oder deutsche Dependancen von Big Tech, deren Daten im Zweifel trotz EU-Speicherung von den USA eingesehen werden können, stärken Ecosia und Qwant explizit den europäischen Markt.

Seit August 2025 laufen die ersten Ergebnisse des EUSP in die Suchen von Ecosia und Qwant ein. Wie Techcrunch berichtet, sollen bis Ende 2025 etwa die Hälfte der französischen und rund ein Drittel der deutschen Anfragen aus dem EUSP stammen. In einem kurzen Praxistest zeigt sich allerdings, dass auch bei Anfragen in deutscher Sprache die überwältigende Mehrheit der Suchergebnisse immer noch auf den Indizes von Google und Bing basiert. Und das hat einen einfachen Grund.

Denn Stand jetzt fokussiert sich das erste kommerzielle Produkt von EUSP auf generative KI. Unter dem Namen Staan bietet die Gemeinschaftsunternehmung von Ecosia und Qwant eine Suchschnittstelle an, die explizit auf die Nutzung durch KI-Chatbots ausgerichtet ist. Damit können die Ergebnisse der in KI-Tools ausgeführten Websuchen aus einem eigenen, europäischen Index gezogen werden. Das könnte besonders für europäische Unternehmen wie Mistral interessant sein. Kostenpunkt für Chatbot-Betreiber: ein Euro für 1.000 Anfragen. Die Schnittstelle ist momentan nur auf Französisch verfügbar, Deutsch und Englisch sollen bald folgen.

Auch Ecosia selbst hat Anfang Dezember neue KI-Produkte an den Start gebracht. Analog zu den Google-Angeboten gibt es jetzt auch KI-Übersichten, die oberhalb der Suchergebnisse erscheinen. Außerdem hat die Firma einen in den Suchprozess integrierten KI-Chatbot veröffentlicht. Wie Utopia berichtet, kommen diese Neuerungen in den sozialen Medien nur mäßig gut an. Denn KI gilt durch ihren Ressourcenverbrauch immer noch als Klimakiller.

Ecosia selbst rechtfertigt den Einsatz durch die Einschränkung der verwendeten Sprachmodelle. So laufen die Anfragen an die Ecosia-KI über das OpenAI-Modell GPT-4.1 mini. Das kommt ohne Reasoning-Fähigkeiten aus, verbraucht also deutlich weniger Strom pro Anfrage als größere Modelle. Hinsichtlich digitaler Souveränität und Datenschutz ist die Einbindung der US-KI-Firma allerdings ein Rückschritt. Und das, obwohl es in Europa auch Alternativen gäbe. Wenn man die Schätzungen des Open-Source-Tools Ecologits, auf das sich auch Ecosia selbst bezieht, für bare Münze nehmen will, wäre der Einsatz von Mistral je nach Modell sogar weniger ressourcenintensiv.

Auch wenn die Abhängigkeit von US-Anbietern mit der Einführung von KI-Funktionen wieder größer wird, bleibt die deutsche Firma am Ende einem ihrer wichtigsten Grundversprechen treu. Denn der Energiebedarf sämtlicher Bausteine von Ecosia soll auch mit KI komplett durch erneuerbare Energien gedeckt sein. Das wirkt angesichts der Expansion der eigenen Solarparks glaubhaft. Die Frage ist nur, ob das so bleibt.

Denn Stand jetzt hat Ecosia eigenen Angaben zufolge etwa 20 Millionen Nutzer. Die generieren selbst bei intensiver Suchmaschinennutzung einen überschaubaren Energie- und Emissionsfußabdruck. Aber die Zeichen stehen nicht zuletzt durch die Kommerzialisierung des EUSP auf Expansion. Und sofern OpenAI den Zugang zu älteren Modellen über seine API abschaltet, muss die Berliner Firma potenziell auf teurere oder umweltschädlichere Modelle zurückgreifen. Zumindest dann, wenn es bei dem US-Anbieter bleiben möchte.

Dass ein vergleichsweise kleines Produkt ohne das exponentielle Wachstum, wie man es aus der US-Tech-Szene kennt, nachhaltig bleiben kann, ist nachvollziehbar. Die Frage ist, wie sehr Ecosia in Zukunft wachsen darf, damit das so bleibt. Gerade dann, wenn KI ein wichtiger Baustein bleiben soll.

Dieser Beitrag ist zuerst auf t3n.de erschienen.

(jle)

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