Nach wiederholter Kritik der EU hat die georgische Regierung den Stopp weiterer Beitrittsgespräche angekündigt. Tausende protestieren – die Präsidentin schließt sich an.
29. November 2024, 0:24 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, rl
Die Absage der georgischen Regierung an Beitrittsgespräche mit der EU hat in der Südkaukasusrepublik Proteste ausgelöst. In der Hauptstadt Tbilissi versammelten sich bis in die späten Abendstunden im Zentrum mehrere Tausend Menschen am Parlamentsgebäude und blockierten die wichtigste Straße der Stadt. Viele von ihnen schwenkten Flaggen der EU und Georgiens. Ein Großaufgebot bewaffneter Polizisten riegelte offizielle Gebäude ab und hielt die Menge auf. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dass die Bereitschaftspolizei mit Tränengas gegen einige Demonstranten vorgegangen sei.
Die proeuropäische Staatspräsidentin Salome Surabischwili schloss sich dem Protest an. Sie appellierte an die Sicherheitskräfte, nicht gegen die Demonstranten vorzugehen. Zugleich forderte sie eine Wiederholung der Parlamentswahl von Ende Oktober, gegen die es Fälschungsvorwürfe gibt. Offiziell ist ein Sieg der Regierungspartei Georgischer Traum erklärt worden.
Surabischwili wirft der Regierung einen "konstitutionellen Putsch" vor. "Heute ist das Ende eines Weges, der in Europa begonnen hat und nach Russland führt", sagte sie. Georgien werde seine Unabhängigkeit an Russland verlieren, warnte sie.
Proeuropäische Kundgebungen mit Hunderten Teilnehmern wurden auch aus den großen georgischen Städten Batumi, Gori und Sugdidi gemeldet. In der westlichen Stadt Kutaissi nahm die Polizei mehrere Protestierende fest, wie der unabhängige Fernsehsender Pirweli berichtete.
Regierung wirft der EU "Erpressung" vor
Am Nachmittag hatte der nationalkonservative Ministerpräsident Irakli Kobachidse den Beitrittsprozess für gestoppt erklärt. Vor Ende 2028 werde Georgien nicht mit Brüssel über einen Beitritt verhandeln und bis dahin auch keine Haushaltszuschüsse der EU annehmen. Er wertete Kritik der EU am zunehmend autoritären Kurs seiner Partei Georgischer Traum als unangemessenen Druck auf sein Land. Die Bedingungen der EU für die Aufnahme seien "Erpressung."
Die frühere Sowjetrepublik Georgien hatte 2023 gemeinsam mit der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Das Verhältnis hat sich aber extrem verschlechtert, weil die Regierungspartei zunehmend europakritisch agiert und einen angeblichen ausländischen Einfluss im Land beschränken will.
Die EU forderte die georgische Regierung unter anderem dazu auf, ein umstrittenes Gesetz vom Mai zu "ausländischer Einflussnahme" zurückzuziehen und hat deshalb die Annäherung ausgesetzt. Die Opposition will am Europakurs festhalten und beschuldigt die Regierung, Georgien wieder an Russland annähern zu wollen. Sie wirft ihr außerdem vor, ihr Wahlsieg sei nur durch Manipulation erreicht worden.