Galerie Klüser schließt: Türöffner für progressive Kunst

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Stichtag ist der 1. Juli, dann feiert Bernd Klüser seinen achtzigsten Geburtstag und schließt seine Galerie. Eine der wichtigsten Kunstadressen in München wird dann Geschichte sein. Wohl dem, der seine Leidenschaft zum Beruf machen kann: Klüser war dieses Glück beschieden. Schon als Schüler fing er Feuer für die Kunst. Seine Helden waren damals Edvard Munch und Ernst Wilhelm Nay; trotzdem studierte er Jura und legte erfolgreich beide Staatsexamen ab.

Von Beuys zu Warhol

Wer weiß, ob sich Klüser schlussendlich dann doch ganz auf die Seite der Kunst geschlagen hätte, wäre er nicht Joseph Beuys begegnet. Schon als Student verlegte Klüser zusammen mit seinem Kommilitonen Jörg Schellmann erste Editionen des Ausnahmekünstlers, dessen Werke die Gemüter erhitzten und die Meinungen spalteten. Auch das erste Werkverzeichnis zu Beuys’ Multiples gaben die beiden Studiosi heraus, und sie holten dessen Environment „zeige deine Wunde“ nach München. Heute ist es ein Hauptwerk des Lenbachhauses, doch der Ankauf damals geriet zum Aufreger, wie die Stadt in Sachen Kunst noch keinen erlebt hatte. Letztlich aber erwies er sich als Türöffner für progressive zeitgenössische Kunst in Münchner Museen.

 Bernd Klüser 1980 in seiner GalerieMit Andy Warhol vor dessen Porträts von Joseph Beuys: Bernd Klüser 1980 in seiner GalerieAngela Neuke / Galerie Klüser

Später saßen Beuys und Andy Warhol traulich beim Ehepaar Klüser zu Hause auf dem Sofa. Ein Foto zeigt sie unter Warhols Siebdruckporträts des Hausherren. In all ihrer Gegensätzlichkeit wurden der „Schamane“ und der Pop-Artist aus Amerika zu Protagonisten im internationalen Programm, das Klüser seit der Eröffnung seiner Galerie 1978 in der Maximilianstraße verfolgte. Nun waren sämtliche Grundpfeiler, auf die sich in Zunft aufbauen ließ, eingeschlagen. Künstler vorstellen und begleiten, ihre druckgrafischen Arbeiten herausgeben, auch Kataloge und Bücher – an die hundert insgesamt –, Messeteilnahmen: All das sollte den Galeristen bis heute beschäftigen.

Die nächste Generation

Werke des jungen Tony Cragg zeigte er in seinen Räumen ebenso wie Malerei von James Brown, den Vertretern der Transavanguardia-Gruppe Mimmo Paladino und Enzo Cucchi sowie deren Vorreiter Jannis Kounellis. Aus Amerika kamen Alex Katz’ alterslose Schönheiten. Die fotografischen Rollenwechsel Cindy Shermans wurden gezeigt und die Selbstinszenierungen von Gilbert & George.

 Bernd und Julia KlüserVater und Tochter: Bernd und Julia KlüserTimothy Greenfield-Sanders

Seit den Neunzigerjahren verstärkten unter anderen Sean Scully, Jan Fabre, Olaf Metzel und Christian Boltanski den klüserschen Künstlerstamm. Nachdem die Galeristentochter Julia Klüser als Partnerin ins Unternehmen eintrat, eröffnete 2002 um die Ecke vom Museum Brandhorst die Zweigstelle Klüser 2, und die nächstjüngere Generation zog ein mit Künstlern wie Gregor Hildebrandt, Jorinde Voigt, Constantin Luser oder Natalia Zaluska.

Zum Finale Glorioso lud Bernd Klüser einen seiner Malerstars: Sean Scully bespielt die hohen Schwabinger Altbauräume mit Farbbahn- und Rechteckkompositionen aus mehr als drei Jahrzehnten. Großformatige Ölgemälde als Leihgaben aus seinem eigenen Bestand hängen zwischen Bildern von 2024 zu Preisen um 500.000 Dollar und Papierarbeiten (ab 6000 Euro).

 Sean Scully „Small Barcelona Painting“, 1999, Öl auf Leinwand, 61 mal 81,3 Zentimeter, Preis auf AnfrageIn der letzten Ausstellung der Galerie Klüser: Sean Scully „Small Barcelona Painting“, 1999, Öl auf Leinwand, 61 mal 81,3 Zentimeter, Preis auf AnfrageGalerie Klüser / Sean Scully

Klüser wird sich auch in Zukunft nicht langweilen. Noch vorhandene Bestände sollen Kunden und Unterkunft finden, dafür werden Räume und Mitarbeiter vorerst weiterhin benötigt. Außerdem gibt es noch die private Sammlung von Meisterzeichnungen, die Verena und Bernd Klüser intensiv beschäftigt. Begonnen hat es auch auf diesem Gebiet mit Gegenwartskunst. Doch dann rückten die Sammler Schritt für Schritt immer tiefer in die Kunstgeschichte vor. Heute umfasst die mehrfach in Museen ausgestellte Kollektion Blätter aus fünf Jahrhunderten. Als die Alte Pinakothek in München im vergangenen Jahr die große Ausstellung „Venezia 500“ zur Renaissance in der Lagunenstadt präsentierte, hing darin auch eine Architekturvedute von Giorgione – ein Rarissimum aus der Sammlung Klüser.

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