Bundeskanzler Friedrich Merz drängt in den Zollverhandlungen mit den USA auf Tempo. „Lieber jetzt schnell und einfach, als langsam und hoch kompliziert“, sagte er nach Beratungen bei einem EU-Gipfeltreffen in Brüssel. Die von US-Präsident Donald Trump eingeführten Zölle gefährdeten deutsche Unternehmen. Besonders für die Automobilindustrie, die chemische Industrie, die pharmazeutische Industrie, den Maschinenbau und die Stahl- und Aluminiumbranche brauche es eine Lösung.
Zugleich betonte Merz, dass er die derzeitige Verhandlungsführung der zuständigen EU-Kommission nicht kritisiert. „Ich habe nur vorgeschlagen und habe darauf gedrängt, dass man das jetzt nicht zu kompliziert macht“, erklärte er. Man habe bis zum 9. Juli nur noch weniger als zwei Wochen Zeit. „Und da kann man nicht ein ausgefeiltes Handelsabkommen verabreden.“
Noch mehr Zölle? Frist läuft am 9. Juli ab
Merz äußerte sich vor dem Hintergrund, dass US-Präsident Donald Trump ab dem 9. Juli noch mehr Zölle in Kraft treten lassen will, wenn die EU den USA in Handelsfragen nicht entgegenkommt. Der Republikaner begründet seinen Kurs vor allem damit, dass er angebliche Handelsungleichgewichte korrigieren will.
Zugleich sollen Zolleinnahmen dazu dienen, sein teures Wahlversprechen großer Steuersenkungen zumindest teilweise gegenzufinanzieren. Die EU-Kommission sieht die Zölle hingegen als nicht gerechtfertigt und unvereinbar mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) an.
Für den Fall, dass es keine annehmbare Einigung mit den USA gibt, will die Behörde schnell Gegenzölle verhängen. Merz äußerte Unterstützung für diesen Kurs. „Wenn es keine Vereinbarung über die Zölle gibt, dann ist die Europäische Union bereit und in der Lage, auch entsprechende eigene Maßnahmen zu ergreifen“, sagte er nach dem Ende der Gipfelberatungen.
Merz spricht sich für WTO-Ersatz aus
Über den genauen Stand der Verhandlungen macht die EU-Kommission keine Angaben. Sie bestätigte am Donnerstag allerdings den Eingang eines neuen US-Angebots für eine Einigung. Es soll nun geprüft werden.
Merz sprach sich außerdem für den Aufbau einer neuen europäischen Handelsorganisation aus, die die Welthandelsorganisation ersetzen könnte. „Wenn die WTO so funktionsunfähig ist, wie sie es schon seit Jahren ist, dann müssen wir uns als diejenigen, die den freien Handel unverändert für richtig halten, etwas anderes einfallen lassen“, sagte Merz in der Nacht zu Freitag in Brüssel.
Merz erklärte, er habe darüber bereits mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer gesprochen und unterstütze einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Von der Leyen sprach von einer „Neugestaltung“ der Organisation, die 1995 zum Abbau weltweiter Handelshemmnisse gegründet worden war.
Es gehe darum, Mechanismen zur Streitbeilegung zu entwickeln und zu vereinheitlichen. Dies könnten einen Rahmen für künftige Handelsabkommen bieten, erläuterte Merz. Von der Leyen sagte: „Wir wollen der Welt zeigen, dass freier Handel mit einer großen Zahl von Staaten möglich ist, wenn dabei Regeln eingehalten werden.“ (dpa, AFP, Reuters)