Nach der kurzfristig abgesetzten Richterwahl im Bundestag hat sich Bundeskanzler Friedrich Merz hinter Unionsfraktionschef Jens Spahn (beide CDU) gestellt. Auf die Frage, ob Spahn noch der richtige Mann auf dem Posten sei, sagte Merz im ARD-»Sommerinterview«: »Eindeutig ja.«
Zum Vorschlag aus der SPD, dass die umstrittene SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf sich den Fragen der Union stellen könnte, sagte Merz: »Ich werde das mit der SPD in Ruhe besprechen.« Und: »Da gibt es jetzt keinen Zeitdruck.« Der Kanzler versicherte: »Wir werden versuchen, für die nächste Runde gute Mehrheiten zu bekommen.«
Beim nächsten Mal werde es besser gemacht. »Das war am Freitag nicht schön, aber das ist nun auch keine Krise der Demokratie, keine Krise der Regierung. Merz meinte: »Das Ganze ist undramatisch.« Es handele sich nicht um einen Vorgang, der »uns umwirft«. Der Kanzler bedauerte, dass nicht zwei unstrittige Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht gewählt worden seien.
»Wir hätten natürlich früher erkennen können, dass da großer Unmut besteht«, räumte Merz ein. »Aber das ist nun wirklich kein Beinbruch.« Merz sagte, der Widerstand in der Unionsfraktion sei »in dieser Form nicht absehbar« gewesen. Auch in der SPD habe es Vorbehalte gegen diese Wahl gegeben.
Am Freitag war die letzte Sitzungswoche des Bundestags vor der Sommerpause im Streit geendet. Die Wahlen von Brosius-Gersdorf und zwei weiteren neuen Richter für Karlsruhe waren kurzfristig von der Tagesordnung gesetzt worden, weil der Druck gegen die Potsdamer Staatsrechtlerin in der Union zu groß geworden war. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren.
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch stellte daraufhin in einer empörten persönlichen Erklärung fest: »Wir halten an unseren Kandidatinnen fest. Ich erwarte, dass die Mehrheit steht.«
Warnung vor Trumps Zollplänen
Im Interview äußerte sich Merz außerdem zum Zollstreit mit den USA. US-Präsident Trump hatte am Samstag Zölle von 30 Prozent auf EU-Waren angekündigt. »Wenn das käme, dann könnten wir große Teile unserer Anstrengungen um die Wirtschaftspolitik hinten anstellen«, sagte Merz. »Denn das würde alles überlagern und würde die deutsche Exportwirtschaft ins Mark treffen.« Er engagiere sich deshalb sehr intensiv dafür, dass noch eine Lösung gefunden werde.
»Das setzt zweierlei voraus: Geschlossenheit in der Europäischen Union und vernünftige Gesprächsfäden zum amerikanischen Präsidenten«, sagte Merz. Er habe am Freitag mit Trump und am Wochenende etwa mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesprochen.
Er sei wie Macron einer Meinung, dass es ohne eine Einigung auch zu europäischen Gegenmaßnahmen kommen müsse, sagte Merz. »Aber nicht vor dem 1. August«, fügte Merz hinzu. »Die Verhandlungen waren schon ziemlich weit fortgeschritten«, sagte er zu den Gesprächen mit der US-Regierung. Man habe auch in den Zollverhandlungen der USA mit anderen Ländern gesehen, dass Trump solche Briefe mit Zolldrohungen geschickt habe. »Am Ende des Tages sind es auch Verhandlungspositionen gewesen. Und dann hat es meistens – nicht immer, aber meistens – vernünftige Lösungen gegeben. Und für die setze ich mich auch für Europa ein«, sagte der Kanzler.